FolkWorld #46 11/2011
© Christian Zastrow

Man ist ja nicht des Wetters wegen da …

Tønder Festival, Dänemark, 25. - 28. August 2011.


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Bei der traditionellen Eröffnung des Festivals auf dem Marktplatz (Tørvet) am Freitag um 15:00 Uhr herrscht vorübergehend blauer Himmel und Sonnenschein. Vormittags war es ziemlich schwül gewesen, aber inzwischen weht ein leichter Wind. Trotzdem steht den Musikern der schottischen Paul McKenna Band der Schweiß auf der Stirn, die temporeich das Festival eröffnen. Prinzessin Marie als Schirmherrin des Festivals winkt diesmal wieder nur dezent aus dem Hintergrund. Aber die Stimmung gefällt mir besser als sonst: Sind es einfach nur weniger oder tatsächlich interessiertere Leute im Publikum?

Um 16:00 Uhr ziehen langsam graue Wolken heran und der Wind frischt auf, als The New Rope String Band aus England mit einer wunderbaren pantomimischen Show das Programm fortsetzt: Sie spielen Tennis mit Tönen und singen ein Lied über viele interessante, aber nutzlose Informationen.



Paul McKenna @ FolkWorld:
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Später auf dem Festival-Gelände entlädt sich das bereits angedrohte Gewitter über den Besuchern, die damit nicht wirklich gerechnet haben (nur die Erfahrenen waren wie immer in Gummistiefeln gekommen), aber bei einer irischen Session (mit einem kurzen Zwischenspiel auf einem schottischen Dudelsack) im Obergeschoss des Festival Pub lässt es sich gut aushalten. Und wie sagte schon Emily Smith bei der Begrüßung auf dem Markplatz sinngemäß: Man ist ja nicht des Wetters wegen da …

Am Abend ist der Saal im Gymnasium gut gefüllt, als Emily Smith[45] aus Schottland das Konzert mit einem unbegleitetem Sololied eröffnet. Sie hat eine klare Stimme, und auch als die Begleit-Band dazukommt (ein Kontrabass, eine einfühlsam gezupfte akustische Gitarre und eine Geige bzw. Low Whistle) bleibt die Musik durchsichtig. Zeitweise begleitet sich Emily auch selbst auf dem Klavier. Sie geht mit der Musik mit, spielt auch Akkordeon und singt zeitweise zweistimmig mit dem Gitarristen der Band.

In ähnlicher Besetzung (es gibt eine zusätzliche Person am Klavier) betritt auch ihre Nachfolgerin Sigrid Moldestad[44] aus Norwegen die Bühne. Sie hat ebenfalls vertonte Gedichte des schottischen Nationaldichters Robert Burns im Programm. Außerdem spielt sie norwegische Tanzmusik, wobei die Sängerin auch zur Geige greift, so dass zeitweise zwei Geigen erklingen. Auch komme ich (wie im letzten Jahr) wieder in den Genuss, Hardanger-Fiedeln im Zusammenspiel zu erleben. Aber auch einige etwas elektronisch leicht verfremdete Stücke sind dabei. Leider gibt es nicht genug CDs zum Signieren und damit auch keine Gelegenheit, Fragen zu stellen (z. B. wo man das Hardanger-Fiedel-Spiel lernen kann). Draußen tröpfelt es derweil unaufhörlich vor sich hin – später hörte ich, dass es zwischendurch wieder ein heftiges Unwetter gegeben hat …

Den Abschluss bildet um 23:00 Uhr die finnisch-norwegische Gruppe Frigg[35] (benannt nach einer Göttin der nordischen Sagenwelt). Sie bringen sogar vier Geigen auf die Bühne – dazu Kontrabass, Gitarre und Bouzouki oder Mandola – wobei alle vier sich synchron bewegen und sogar den Bogenstrich abgesprochen haben, was eigentlich mehr in der klassischen Musik üblich ist, jedoch der Spielfreude keinen Abbruch tut. Die perfekten Arrangements werden energievoll interpretiert, und das Publikum lässt sich trotz fortgeschrittener Stunde mitreißen. Aber auch melancholische Stücke sind dabei („Return from Helsinki“). Es handelt sich dabei um Stimmungsbilder, um eigene Kompositionen oder Stücke von Freunden und Bekannten.



Lúnasa @ FolkWorld:
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Alles in allem war es ein ruhiger und intimer Abend, anders als z. B. in Zelt II, wo um diese Zeit Salsa Celtica[26] spielt und die Leute im Matsch herumspringen. Komischerweise tanzt kaum jemand Salsa.

Ein besonderer Höhepunkt des Festivals ist das Konzert mit Lúnasa und De Dannan am Samstagabend in der Tønderhal I, das sich kein Fan irischer Musik entgehen ließ und das deshalb restlos ausverkauft war (vielleicht waren deshalb auch so viele gute Musiker bei den irischen Sessions). Trotz Enge und schwüler Luft war die Stimmung aufgeheizt. Eine unglaubliche emotionale Intensität hatten bei De Dannan die Duette der Lead-Sängerin Eleanor Shanley mit Cian Finn, dem Sohn des Gitarristen und des Bouzouki-Spielers Alec Finn – trotz unterschiedlicher Körpergrößen zwei ganz große Stimmen.

Der Flötenspieler von Lúnasa beweist bei seinen Ansagen, dass er auch Entertainer-Qualitäten besitzt. Beide Bands erhalten Standing Ovations und müssen jeweils eine Zugabe geben. Nur wenige trauen sich allerdings, der Aufforderung zum Tanzen nachzukommen. Nach dem Konzert kommen alle Musiker zum Signieren.

Beim Ceilidh am Sonntagnachmittag in Telt I (Zelt I) kommt das Wasser langsam auch von unten. Zum Glück sind (außer dem Marktplatz) alle Veranstaltungsorte überdacht, und ich denke mitleidig an die Bands, die an diesem Wochenende auf Mittelaltermärkten (z. B. in Horsens noch weiter im Norden) spielen müssen. Aber auch sie haben es überlebt. Für die Kinder ist es jedenfalls ein Spaß, und ich frage mich, ob man beim Tanzen im flachen Wasser gezielt bestimmte Muster erzeugen kann. Musikalisch war es definitiv wieder ein Genuss, und mit hohen Gummistiefeln steht weiteren Tønder-Besuchen nichts im Wege.



Photo Credits: (1) Tønder Logo (by Tønder Festival); (2) Paul McKenna Band, (3) Lúnasa, (4) Nathan Rogers, (5) De Temps Antan (by Walkin' Tom).


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