Ausgabe 21 03/2002

FolkWorld CD-BesprechungenDog

The Molly Blooms "A taste of The Molly Blooms"
Label: Own; 2000, Spielzeit: 21.48 min.
The Molly Blooms sind, wenn es um Irish Music made in Germany geht, in der Topliga vertreten. Dieses ist das erste Album der Band, und, wie der Titel so passend sagt, ist es nur "a taste of" - mit seinen sechs Titeln ist es mehr ein Mini- oder Promo-Album der Band.
The Molly Blooms haben angefangen als eine reine Frauenband, inzwischen ist aber auch ein Mann zu den drei Frauen hinzugestoßen. Was The Molly Blooms zu etwas besonderem macht, ist ohne Zweifel die irische Sängerin Ann-Marie Riley. Sie hat einen sympathischen und entspannten Gesangsstil, der irischen Traditionals eine gewisse Individualität gibt, und der die ebenfalls im Repertoire vorhandenen amerikanischen Country/Bluegrass-Songs (die normalerweise überhaupt nicht mein Fall sind) nicht nur erträglich, sondern sogar zu Höhepunkten werden läßt. Weiterhin in der Band sind Anke Dammann am Akkordeon, die Irin Imelda Morrison an der Fiddle sowie als Hahn im Korb Ekhart Topp an der Gitarre.
Auf der CD finden sich zweigelungene Instrumental-Titel, sowie drei Lieder von Ann-Marie: Das amerikanisch geprägte "Come early Morning", "The Lowlands of Hollands", und als Highlight der CD eine wunderschöne A capella Version von "Sliabh Gallion Braes". Die CD schließt mit einem Lied ab, auf das ich persönlich gerne verzichtet hätte: "Farewell to Nova Scotia" wird von Ekhart gesungen, und das klingt recht "deutsch" und längst nicht so melodisch wie die Lieder, die von Ann-Marie gesungen werden. Ein Lied, das dann irgendwo die CD doch nur zu einer Demo-CD werden läßt. Mit einer hervorragenden Sängerin wie Ann-Marie Riley sollte das wirklich nicht nötig sein....
Band/Musiker-Homepage: www.themollyblooms.com, Kontakt: themollyblooms@hotmail.com
Michael Moll


dago "sounds for a blue planet"
Label: Ozella Music; No. OZ 004 CD; 2002; Spielzeit: 65.59 min
"dago" ist ein Projekt des Gitarristen Dagobert Böhms in Zusammenarbeit mit insgesamt 13 verschiedenen Musikern; die CD wurde von 1995 bis 2001 in zehn verschiedenen Studios in Europa aufgenommen.
Ich muss sagen, es ist nicht einfach, diese CD in wenigen Worten zusammenzufassen. Zu verschieden sind die Eindrücke, die von "spannend" bis "ziemlich daneben" reichen. Stilistisch sitzt dago's Musik zwischen allen Stühlen - World, Pop, New Age, Jazz, Easy Listening. Einige instrumentale Stücke sind an sich beeindruckend, mit der Kombination von Trance-Hintergrund, einem Saxophon und gekonnte Gitarren im Vordergrund, dazu Bass, exotische Percussion und z.T. Sampling. Viele Titel wirken aber auch langatmig, und gleiten z.T. entweder in flaches Easy Listening oder in spaciges New Age ab. Sehr gemischte Gefühle hinterlassen bei mir auch die vier Lieder - das Bossa Nova Stück mit Nessa Hora Azulist ist durchaus gelungen, während "Stay Awake" (angua crash) und "Straight Away" (Tokunbo Akinro) flacher Pop sind. Der negative Höhepunkt der CD ist der letzte Titel. Hier wird das mehrmals auf der CD vorkommende Instrumentalthema "Morning Flight" mit einem Lied bestückt: "I wish I was a Seagull". Es singt die elfjährige Soluna Samay, und genauso klingt es auch - wie ein Kind, das sich an Popsongs probiert. Auf eine ernstzunehmde CD gehört dieses Lied meiner Meinung nach nicht.
Band/Musiker-Homepage: www.dagosounds.com, Kontakt: dago@ozellamusic.com
Michael Moll


Wiener Tschuschenkapelle "Live ... und davon"
Label: Extraplatte; EX 405-2; 2001; Spielzeit: 67.02 min
Tschusch ist in Österreich eine abwertende Bezeichnung für die ausländischen Mitbürger, insbesondere die aus Südosteuropa. Wenn es aber um die Musi geht, will auch das Dirndl nicht den Kadi, sondern den Draufgänger aus Suica und die Buam wollen auf und davon in das gelobte Arabien, meine kleine Verführerin. Uns wird es gehen wie den Maharadschas. Die Wiener Tschuschenkapelle (siehe auch den älteren FolkWorld-Bericht und die CD-Rezension) ergreift den Stier bei den Hörnern und benennt sich gleich selbst nach den ungeliebten Fremden. Ober-Tschusch Slavko Ninic spielt Gitarre und singt in kroatisch, bosnisch, griechisch und türkisch und in Romanes. Er findet dabei die rechte musikalische Unterstützung bei Geiger Adula Ibn Quadr, Piano-Akkordeonist Krsysztof Dobrek, Bassist Alfred Stütz und Perkussionist Metin Meto. "... und davon" wurde live aufgenommen Ende 2000 im Wiener Orpheum. Und mit einem Wienerlied schliess sich auch der Kreis: Wann i amoi stirb, spielt's an Tanz laut und hell, schütt's ma in die Gruabn hinein no a paar Glasl Wein. Prost! Zivjeli! Yia mas! Serefe!
Extraplatte
Walkin' T:-)M


Grenzgänger "Knüppel aus dem Sack"
Label: Müller-Lüdenscheidt-Verlag; MLCD6; 2001; Spielzeit: 56.13 min
Es werden in diesen Liedern die öffentlichen und sozialen Zustände in Deutschland vielfach mit bitterem Spotte angegriffen, verhöhnt und verächtlich gemacht; es werden Gesinungen und Ansichten ausgedrückt, die bei den Lesern der Lieder, besonders von jugendlichem Alter, Mißvergnügen über die bestehende Ordnung der Dinge, Verachtung und Haß gegen Landesherrn und Obrigkeit hervorrufen und einen Geist zu erwecken geeignet sind, der zunächst für die Jugend, aber dann auch im Allgemeinen nur verderblich wirken kann. Nein, das stammt nicht aus dem Jahre 2002 (obwohl ich persönlich wenig Zweifel daran habe, dass eifrig daran gearbeitet wird), sondern aus der Begründung des Berufsverbots für August Heinrich Hoffmann (1798-1874) aus dem Flecken Fallersleben (rund 30 km nordöstlich von Braunschweig): Fallersleben wurde (eher unbeabsichtigt) zum Sänger der 1848er-Revolution, seine Lieder, eine Mischung aus Volkslied und Agitation, waren in aller Munde. Seit dem Biedermeier hat sich ja nun nicht so viel verändert, meint Michael Zachcial, Sänger, Gitarrist und Kopf des politischen "Folk-Kabaretts" Die Grenzgänger: In Deutschland halten sich die Philister heute für Demokraten und der Musikantenstadl repräsentiert das traditionelle deutsche Kulturerbe. Unsere Hymne mag keiner singen und unseren ausländischen Gasten raten wir, nachts bestimmte Gegenden zu vermeiden. Mit Jörg Fröse (Mandoline, Concertina, Geige, Banjo) und Friedemann Bartels (Schlagzeug, Gesang) nimmt er sich Hoffmanns garstiger Gesänge an. Musikalisch völlig stillos: d.h. alles was geht, ob Blues oder Reggae, meist mit schmissigen Melodien und Rhythmen. Alle Texte sind von Hoffmann, außer die berühmte "Kinderhymne" (Brecht/Eisler). 1873 schrieb Fallersleben (nachdem er sich selbst, wie viele Alt-48er, mit dem preussischen Militärstaat arrangiert hat, mögen andere hier irgendwelche aktuellen Parallelen ziehen): Ich danke Euch, liebe Freunde, für diese treffliche und zeitgemäße Predigt. Möchte sie doch allgemeine Verbreitung finden, besonders unter den überschwenglichen Reichsduselfritzen, die schon alles fix und fertig finden und jeden verketzern, der nur einen geringen Zweifel hegt an der Vortrefflichkeit des heutigen Staatswesens oder gar zu etwas Besserem mahnt und strebt. Die Presse ist reiner Klüngelkram geworden, sie gestattet nur hie und da ein Plätzchen für Ehrlickeit und Wahrheit ... Ein politisch Lied ist und bleibt ein garstig Lied. Ja, doch!
Müller-Lüdenscheidt-Verlag, Vertrieb: Conträr
Walkin' T:-)M


Baxi "Mal den Teufel an die Wand"
Label: Falling Down Records; 17; 2001; Spielzeit: 42.22 min
Neulich habe ich einmal bedauert, dass offenbar westlich der Elbe keine zeitkritischen Texte mehr geschrieben werden. Ich nehme das hiermit in aller Öffentlichkeit zurück. Mit Gitarre und Sprachwitz bewaffnet, nur minimal von Piano, Bass und Schlagzeug unterstützt, macht sich Baxi auf den Weg (außer mir hab ich kein Gepäck und vielleicht schmeiß ich das auch noch weg), pofft mit Pennern bei(m Berliner) Alex, trifft auf Castor-verstrahlte Polizisten und Stiefel-Fetischisten (Dann ging es endlich gegen die Somali / Da schossen wir, als wär'n wir auf Safari / Wir drückten ihnen Kippen auf die Haut / Denn einer hatte wohl ein Stückchen Brot geklaut / Die versuchten's mit Demonstrationen / Wir mit unseren Panzern und Kanonen / Und wenn mal einer hinfiel und sein Schädel klafft / Dann trat ich feste nach mit meinem hohen schwarzen Stiefelschaft), und covert Kurt Tucholskys "Rosen auf den Weg gestreut" (Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!). Manchmal kann man Anklänge an den alten Biermann hören (der sich in letzter Zeit auch eher mit Liebesliedern verlustierte), textlich fühlt man sich eher an den Agitprop von "Väterchen Franz" Degenhardt erinnert (auch dieser ist etwas untergetaucht und hat seine beiden Söhne ins Rennen geschickt, die schöngeistiger formulieren) - wenn man denn solche Vergleiche überhaupt wagen sollte. Zwei Instrumentalstücke runden das Ganze ab. Hiermit erspielt man sich heutzutage kein allzu großes Publikum. Aber das spricht nicht gegen das Genre an sich: Ich bleibe weiterhin wirkungslos / Anachronistisch, im Kleinbleiben groß / Verzichte auf Weihrauch und Lorbeerblatt / Wehe als Windhauch durch meine Stadt / Und werde mich niemals beschweren.
projekte.free.de/bankrott/baxi.html
Walkin' T:-)M


Ekkes Frank "Lieder zum Lauf der Zeit"
Label: Westpark; 87085; 2002; Spielzeit: 57.46 min
He Opa, komm erzähl uns von der APO! Ekkes Frank ist in die Jahre gekommen, hat vierzig Jahre lang ein paar Gigabytes an Wortern ausgeschwitzt und ausgekotzt, an den Eltern, an den Kids und allen Kanzlern rumgemotzt, ist längst über das Alter der TV-Relevanz hinaus und denkt deshalb in der Bühnenshow "Ein Alter im Heim" über den "Oldie-Container" und den damit verbundenen Problemen nach. Sei es die "Post-Demokratie" (Kultur ist Kirch und Bildung BILD / Latein spricht selbst der Bohlen / Mit Audio, Disco, Video verdient auch er die Kohlen / Der Stefan Raab wird Ehrendoktor in Philologie / So volksnah ist die Post-Demokratie) oder "Cyberlove" (Kein roher Fick - ein zarter Klick! Und wie ich hin bin, wenn ich drin bin! Ich muss nicht fragen: war ich gut?). Dazu gibt es als Zugaben "Lieder zum Lauf der Zeit", zeitlich-zeitlose neue und ältere Liedern, wie die Wahlempfehlung (aus dem Jahre 1974/87): Als ich mit Bebel kommen wollt, hast du die Bibel rausgeholt / Heut wärmst den faden Kohl du auf, und hoffst, nun kämen Fans zu Hauff / Es ist schon lang gelöscht, der Brandt, vorbei, was ich so prickelnd fand / Siehst du wie ein verblühter Strauß und ziemlich schmidtgenommen aus ... Fazit: Ich bin out. Oder besser: Ich bin trans. Also weder Altenteil, noch Altersweisheit. Und das ist gut so.
Westpark
Walkin' T:-)M


Metil Stone "Meetings"
Label: Gnoth Records; 300 004-2; 2001; Spielzeit: 57.24 min
Der Metilstein (altdt. Mädel- oder Mittelstein) ist ein Felsen gegenüber der Wartburg bei Eisenach. Auf derselbigen kamen im Jahre 1206 sechs Minnesänger zusammen und fochten den berühmten Sängerkrieg aus. Metil Stone wären zwar keine Anwärter auf die Sangeskrone, auf dem Zweitwerk "Meetings" (siehe auch FW#4) treffen aber rockige Popmusik (Stromgitarre, Bass und Schlagzeug) mit folkigen und weltmusikalischen Klängen (diverse Dudelsäcke, Fiddle, Flöte und Mandoline) zusammen, um eine eingängliche und tanzbare Mischung zu fabrizieren. Highland Pipes (ein teuflisches Instrument, gewiss, aber wir halten es nicht mit Luther, dass wir mit einem Tintenfass danach werfen) und entsprechende Instrumentals setzen einen Bezug zu Schottland und keltischer Musik. Und heisst es nicht von einem anderen Berg Thüringens: Dort war der Frau Venus' Hofhaltung der Üppigkeit und Wollust; oft konnte man selbst außen rauschende, jubelnde Musik vernehmen, die reizenden Klänge verlockten aber nur diejenigen, in deren Herzen bereits wilde sinnliche Sehnsucht keimte; sie gerieten, von den freudig verführerischen Klängen angezogen und geleitet, ohne zu wissen wie? in den Berg.
Metil Stone
Walkin' T:-)M


Antichrisis "Perfume"
Label: Napalm; SPV 084-23422 CD; 2001; Spielzeit: 66.45 min
Folkrock, Folkpunk, Rockfolk, Hyperwaveneofolkpop, ... Was hat es nicht schon alles für Wortkonstruktionen gegeben, um ein musikalisches Produkt an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Aber genauso wie eine Schwalbe noch lange keinen Sommer macht, machen Flöte und Dudelsack aus Rockmusik noch lange keinen Folk. Das muss vorausgeschickt werden und soll keine Wertung darstellen, es vermeidet nur ein paar Missverständnisse. Eine Mischung aus Gothic und Folkpop, so dachte sich Sänger (rappig) und Frontmann "Sid" das Projekt "Antichrisis" (ein griechisches Anagram: Heilige Tänze zu Ehren der Isis). "Perfume" oszilliert zwischen beinharten Gitarrenriffs einerseits und melodischen und lyrischen Momenten andererseits. Sängerin "Dragonfly" hat eine atemberaubende Stimme und singt mit den Uilleann Pipes von Näx May um die Wette, die einige interessante und gelungene Schattierungen produzieren. Modern, kosmopolitisch, und ziemlich einzigartig. Der Abschluss bildet eine prächtige Version des Led Zeppelin-Klassikers "Whole Lotta Love". Dieses Parfüm riecht jedenfalls nicht mehr unbedingt nach Geheimtip.
Napalm Records
Walkin' T:-)M


Lúnasa "The Merry Sisters of Fate"
Label: Fréa/Green Linnet; MWCD4034; 2000; Spielzeit: 43.27 min
Allererste Sahne von der traditionellen Innovationsfront. Nach diversen Personalproblemen zeigt das dritte Album der irischen Formation Lúnasa (siehe auch die Rezensionen des Debüts "Lúnasa" und des Nachfolgewerkes "Otherworld") nun ein etabliertes und gut eingespielte Besetzung, bestehend aus Fiddler Sean Smyth (Coolfin), Flötist Kevin Crawford (Moving Cloud), Uilleann Piper Cillian Vallely (Whirligig), Gitarrist Donogh Hennessy (Sharon Shannon Band) und Bassist Trevor Hutchinson (Waterboys, Sharon Shannon). Wie gehabt, sind alle Stücke ausnahmslos instrumental und die fünf sind einige der wenigen Interpreten, die einen ganzen Abend gestalten können, ohne ihn mit einem Lied unterbrechen zu müssen. Als Lúnasa einige Jahre zuvor an den Start ging, bemerkte Matt Molloy, they remind me of a band I used to play with, und er verwies damit auf die legendäre Bothy Band. Die Prophezeihung hat sich erfüllt. Das Schicksal meint es gut, mit oder ohne ausgelassene Schwestern.
Fréa, Green Linnet
Walkin' T:-)M


Bruce Cockburn "Anything Anytime Anywhere - Singles 1979-2002"
Label: Cooking Vinyl; COOKCD169; 2002; Spielzeit: 71.49 min
Mein Songwriting ist ein Versuch, das, was ich erlebt habe und woran ich glaube, in etwas Unterhaltsames, Kurzweiliges zu verwandeln, um es dann wieder zurück in die Welt zu werfen. Sagt der kanadische Sänger, Gitarrist und Songwriter Bruce Cockburn, nachzuempfinden auf der aktuellen Sammlung seiner Singleauskopplungen. Cockburn begann einmal mit Folk a la Dylan, was ihm den "Canadian Folk Singer of the Year Award" einbrachte. Dann kam "New Wave", das Rock für mich wieder mit Leben erfüllte, und die Hinwendung zur elektrischen Gitarre: Rhythmus entzückte mich völlig an diesem Punkt. Es macht Spaß, den Körper als auch Geist und Herz gehen zu lassen. "Wondering Where The Lions Are" plazierte Cockburn in den Charts. Das Album "Stealing Fire" über Zentralamerika mit dem Song "If I Had A Rocket Launcher" war der Beginn politischer Lieder - Es ist gegen eine bestimmte Politik der amerikanischen Regierung und gegen eine fehlende Stellungnahme der amerikanischen Öffentlichkeit -, wie später "Call It Democracy" und die Umwelthymne "If a Tree Falls". Cockburn stößt in Jazzgefilde vor und hat zuletzt weltmusikalische Anflüge. Ich glaube nicht, dass Musik an sich die Welt verändern kann. Aber sie kann eine kristallisierende Kraft sein für Empfindungen, die uns alle antreiben. Es ist wichtig zwischen Kunst und Propaganda zu unterscheiden. Wenn sich jemand als Künstler versteht, muss man so etwas wie Wahrheit präsentieren. Der Trick ist, diese Dinge derart zu artikulieren, dass sie sich jedermann erschließen oder andere Leute sie in Bezug zu etwas setzen können.
Cooking Vinyl Dt. Vertrieb: Indigo
Walkin' T:-)M


V/A "Tempel Folkfest 2001"
Label: Jig It!; JICD1016; 2001; Spielzeit: 74.43 min
Das Jugendzentrum "Tempel" in Duisburg-Rheinhausen veranstaltete 2001 zum neunten Male ihr schönes Folkfestival und zum ersten Mal gibt es einen Mitschnitt, nicht nur ein nettes Souvenier für Besucher, Fans und Freunde, sondern auch ein Überblick über die (zumeist deutsche) Folk- und Folkrockszene und wer derzeit so angesagt ist beim Publikum. Interpreten, die keine Aufnahme gefunden haben, waren im vergangenen Jahr die Steptanzgruppe Celtic Rhythm (was einzusehen ist) und die Connemara Stone Company (haben sie sich zu oft verspielt?). Geschafft haben es aber die fröhlichen Mittelalter/Barock-Rocker Horch (Sänger Klaus Adolphi ist auch Frontmann der Aberlour's), die Folk-HippHopp-Popper Lecker Sachen (siehe auch die Rezensionen des Debüts und der ausgestöpselten Version), die "klassischen" Irish-Folk-Rocker Tears for Bears und zuguterletzt Seisiun mit irischen Balladen und Gassenhauern. Vom Spannungsbogen her ist die auf der Kompilation gewählte Reihenfolge der Bands etwas irritierend und die Anzahl der Stücke, die man den einzelen Interpreten zugestanden hat (3:3:3:6), erscheint etwas unausgewogen. Das Festival wird immer für einen guten Zweck veranstaltet, diesmal ging der Erlös an das Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge. Das nächste Folkfest findet übrigens am 25. Mai 2002 statt. Nach dem letzten Stand der Dinge spielen u.a. Naked Raven, Schandmaul und Fiddlers Green. Und auch das verspricht wieder eine runde Sache zu werden.
JZ Tempel, Vertrieb auch durch: Old Songs New Songs
Walkin' T:-)M


Stoppok "w.e.l.l.n.e.s.s."
Label: Grundsound; GS0004; 2002; Spielzeit: 59.55 min
"Ein Jahr geht schnell vorüber", das haben Münchener Freiheit schon immer gesungen, ganz schön clevere Kerlchen gewesen. Schade. daß die soviel Geld verdient haben, sonst würden sie heute noch singen, oder besser gesagt: Schade, daß andere Bands, die noch mehr Geld verdient haben, immer noch singen ... Wir singen auf jeden Fall noch und wenn es sein muß, auch für Geld. Stoppok, im letzten Jahr als minimalistisches Duo Stoppok & Worthy unterwegs (siehe auch CD-Rezension), spielt und tourt wieder mit vollständiger Begleitung und dementsprechend rockiger geht es zur Sache. Der Wahlbayer mit Ruhrpottwurzeln (darum ist er auch beim Regionalschwerpunkt "Ruhrgebiet" auf dem Tanz- und Folkfest in Rudolstadt 2002 zu finden) erzählt nicht nur Geschichten von Pommes-Erwin & Wellness-Werner (Unsere Meinung über die ganze Pseudoesoterik-Szene, die die Leute mit irgendeiner falschen Energiekacke verarschen. Ich glaub ja an so Sachen, deshalb geht mir das besonders auf den Keks, wenn da Schindluder mit getrieben wird.), sondern gibt auch jede Menge guter Ratschläge: Viel zu schön hier auf der Erde, viel zu schön für ein Leben in der Herde, lass sie zieh'n, egal wohin. Mit Beihilfe von Schandmaul erfährt der Opener "Die Festung" eine mittelalterliche Behandlung. "Die Gladiatoren" (Alles was uns mal im Wege stand haben wir einfach beseitigt, das es uns nicht mehr stört, alles was wir tun ist nie verkehrt, wir haben kein Mitleid mit den Barbaren, die dreckigen Lumpen soll'n zur Hölle fahren) handelt von unseren amerikanischen Freunden. Übrigens ist das Werk vor dem 11. September entstanden. Außerdem wurde beschlossen, dem deutschen Radio doch noch eine Chance zu geben und "Tanz" (Beweg dein Herz zum Hirn ... Tanz, tanz, tanz, aber dreh dich nicht im Kreise!) als Single auszukoppeln. Wenn das Stück Einzug in das Radioprogramm hält, hätten wir auch noch reelle Chancen, uns Stoiber vom Hals zu halten! Man muß nur wirklich dran glauben!
Grundsound
Walkin' T:-)M


Jennifer Warnes "The Well"
Label: Sin-Drome; SD8960; 2001; Spielzeit: 48.16 min
Jennifer Warnes & Arlo Guthrie "The Patriot's Dream"
Label: Sin-Drome; SD1233-2; 2001; Spielzeit: 5.12 min
Jennifer Warnes konnte man in zahlreichen Kinofilmen hören, ihr größter Hit war sicherlich "The Time of My Life" aus "Dirty Dancing". Nun steigt sie zur Quelle hinab und sucht die Roots-Seite der heutigen Popmusik, am ehesten bei "Too Late Love Comes" (Melodie: "Raglan Road") zu hören. Warnes covert u.a. Tom Waits "Invitation to the Blues" und Billy Joels "And So It Goes". "Patriot's Dream" wurde komponiert und zusammen mit Arlo Guthrie aufgenommen. Die Unterstützung von Piper Eric Rigler (Skydance, Titanic- & Braveheart-Filmmusiken) gibt dem chansonhaften Pop eine zuweilen keltische Note.
Sin-Drome
Walkin' T:-)M


Skolvan "Cheñchet'n eus an amzer"
Label: Keltia Musique; KMCD107; 2000; Spielzeit: 64.41 min
Skolvan war ein Ungeheuer in der mittelalterlichen Bretagne. Die gleichnamige bretonische Band Skolvan (siehe auch www.breizh.de/skolvanart.htm) ist genauso ungeheuerlich. Mitte der 80er gegründet, verzichtete das Ensemble auf Bombarde und Biniou und ersetzte es durch Geige und "Piston". Letzteres ist eine Kreuzung aus barocker Oboe (tiefe und milde Klangfülle) und Bombarde (Vehemenz beim Anblasen). (Piston heißt auch ein den Ton erniedrigendes Ventil bei der Trompete.) Jedermann hatte schon geglaubt, die Band gebe es schon nicht mehr, da melden sie sich mit "Cheñchet'n eus an amzer" (die Zeiten ändern sich) noch einmal zurück. Der Titel entstammt einer traditionellen Weise aus der Pluvignerregion. Anstatt der Geige wird nun ein Saxophon eingesetzt. Das ergibt coole Fest-Noz-Musik im Jazzklub. Die Instrumentalstücke sind im traditionellen Idiom komponiert, haben aber ein mediteranes Flair. Manchmal erinnert es auch ein wenig an Klezmermusik. So ändern sich die Zeiten.
Keltia Musique
Walkin' T:-)M


BEV - BonificaEmilianaVeneta "variabile/naturale"
Label: Dunya Records/Felmay; fy 8040 2; 2001; Spielzeit:47:01 min
BEV, oder um den vollen Namen zu verwenden BonificaEmilianaVeneta, sind schon eine herausragende Band. "variabile/naturale" ist das zweite Album der fünf Italiener, ihr Erstlingswerk 'Apotropaica' war für mich das beste Album von 1999 - und dieses Album schließt nahtlos daran an. Auch in Deutschland haben sich diese Norditaliener schon einen Namen gemacht - u. a. haben sie einige unvergessliche Konzerte auf dem TFF Rudolstadt 2000 gegeben.
Nun zur Musik - BEV spielen ausschließlich akustische Instrumente (Kontrabass - Claudio Pesky Caroli; diatonisches Akkordeon - Luciano Giacometti; Gitarre, Dudelsack, Saxophon - Marco Mainini; Dudelsack, Gitarre, Mandoloncello, Klarinette - Alessandro Mottaran; Geige - Stefano Olivan und als Gast kommt noch der ausgefallene Perkussionist Sbibu hinzu). Ihre Instrumentaltitel sind voll von Energie und sehr mitreißend. Auch wenn sie stark in der Tradition der Norditalienischen Regionen verwurzelt sind, sind die Titel doch zum großen Teil von den Musikern von BEV selbst komponiert. BEV sind nicht nur hoch talentierte Instrumentalmusiker, sondern auch exzellente Sänger: Alle Bandmitglieder singen auch - zumindest im Hintergrund; und auf diesem Album finden sich wunderschöne Vokalharmonien. BEV ist zur Zeit wohl die heißeste Band aus Norditalien, was sie mit diesem Album wieder eindrucksvoll gezeigt haben.
Christian Moll


Zupfgeigenhansel "Andre, die das Land so sehr nicht liebten...: Lieder nach Texten von Theodor Kramer"
Label: Pläne; Nr. 88867 / ARIS CD 218 827 72;; 1985; Spielzeit: 38.59 min
Nach dem durchschlagenden Erfolg ihrer LPs mit deutschen Volksliedern und jiddischen Liedern veröffentlichten Thomas Friz und Erich Schmeckenbecher 1985 dieses Album mit ihren Vertonungen einiger Gedichte von Theodor Kramer, das nun erstmals auf CD vorliegt. Theodor Kramer (1897-1958) war ein österreichischer Lyriker, der nach dem Einmarsch der Nazis 1939 ins Exil nach England fliehen musste und erst im Jahr vor seinem Tod zurückkehrte. Seinen zwiespältigen Gefühlen hinsichlich der Notwendigkeit, seine Heimat zu verlassen, verleiht das Titelstück Ausdruck; auch die anderen Texte sind oft nachdenklich und etwas wehmütig, dann aber auch wieder hoffnungsvoll und lebensfroh, was in den Vertonungen entsprechend hervorgehoben wird.
Das Booklet enthält die Texte und Noten zum Nachspielen - allerdings gibt es wohl derzeit nicht mehr viele Gruppen in Deutschland, die sich an so anspruchsvolle Texte heranwagen würden! Schade eigentlich.
Zupfgeigenhansel bei Pläne
Anja Beinroth

Bach drei Barden eine Band "Jakob"
Label: Eigenverlag (LC 08248); C 2001; 2001; Spielzeit: 20.18 min
Das fränkische Trio Bach drei Barden eine Band zählt zu den wenigen Gruppen, die sich wie einst Zupfgeigenhansel an deutsche Texte herantrauen, und sie beweisen dabei sogar noch Humor. Einen Plattenvertrag bekommt man damit leider offensichtlich nicht, so daß die zweite CD-Single "Jakob" ebenso wie ihre Vorgängerin "Käpt'n, Käpt'n" kaum den Weg in die Plattenläden finden wird - wo die von Guido Apel liebevoll gestalteten Cover ihnen vielleicht den einen oder anderen Zufallskäufer bescheren würde. Das ist schade, denn die insgesamt neun Stücke auf den beiden Silberlingen können sich wirklich hören lassen.
"Jakob" enthält vier davon, allesamt Texte von Armin W. Bach in wunderbaren Vertonungen für drei Stimmen, Gitarren und Bass. Mir gefallen am besten die Moritat "Die Legende vom lahmen Jakob" und der tröstende Brief an eine ferne Geliebte, "Vielleicht im nächsten Leben" ("Komm, komm, es soll halt nicht sein / das Schicksal hat es eben ganz anders gemeint / Im nächsten Leben wird neu gegeben / und vielleicht, vielleicht, vielleicht sind wir dann dabei..."), aber auch die satirischen Stücke "Cargo (Schweine nach Berlin)" und "Der Hans" überzeugen mit ihrem boshaften Humor.
Beide CDs sind für je 7 Euro zu beziehen über die
Bach drei Barden eine Band Homepage - eine lohnende Anschaffung!!
Anja Beinroth


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Zum Inhalt der FolkWorld Nr. 21

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 03/2002

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