Direkt von der Bühne verhaftet zu werden, das war Wirklichkeit in der Deutschen Demokratischen Republik für den Bassisten Kay Lutter und den Sänger Michael Rhein von der Rockband Noah. Zur gleichen Zeit schlugen sich die Dudelsackspieler Andre Strugala, Marco Zorzytzky und Boris Pfeiffer mit Straßenmusik und Marketenderei abseits vom sozialistischen Alltag durchs Leben.
Der Musiker und Gitarrenlehrer Felix Schell ist in zahlreichen Musikstilen zu Hause
und hat sein Wissen in den letzten Jahren in zahlreichen Workshops und Büchern
weitergegeben.
[43]
Nun hat er den Stoff seines Fernkurses "12 Wochen Fingerpicking" überarbeitet und
in Buchform veröffentlicht. Der schmale Band enthält spezifische Übungen und Stücke,
die systematisch helfen sollen, das Fingerpicking zu verbessern. Also nichts für blutige
Anfänger! In 12 einwöchigen Lektionen lernt man Anschlagsmuster und - techniken,
Techniken wie Hammering On und Pull Off, sowie Bottleneck- und Flegeoletttechnik.
In der ersten Woche beginnt man mit einfachen Übungen (Fingersatz, Anschlag) in den
Tonarten D, A und C über einen Akkord, spielt eine Kombination aus Picking-Mustern und
Single-Notes und begleitet das französische Kinderlied "Bruder Jakob" auf einem Akkord.
In der 12. Woche ist man beim Stil des Country-Gitarristen Chet Atkins angelangt, spielt
ganze Melodien mit Flageolettönen ("Sometimes I Feel Like A Motherless Child") und
Fingerpicking mit Jazz- und Swingakkorden. Dazwischen gibt es eine Vielzahl an Techniken,
Tunings und anspruchsvollen Spielstücken. Auf der zugehörigen DVD sind alle Musikbeispiele
zu sehen und zu hören.
Felix Schell, 12 Lektionen Fingerpicking-Gitarre.
Schell Music SM 11014,
2012, ISBN 978-3-864110-14-6, 124 S, €32,95 (inkl. DVD).
Felix Schell hat einst an der Jazzschool München studiert und in einigen Blues- und
Jazz-Formationen gespielt. Die vierte Auflage der 2003 erstmals erschienenen Hot Club Session,
benannt nach einem Pariser Jazzclub, lehrt die Grundlagen des sogenannten Hot Club Stils,
sprich den akustischen Zigeunerjazz von Django Reinhardt & Co
[41],
ein physischer Gitarrenstil aus der Zeit ohne Tonabnehmer, den heute nur noch wenig beherrschen.
Schell ist nicht müde zu betonen, dass nur das akkurate push (drücken) und release
(loslassen) in der Greifhand den richtigen Sound erzeugt. Die Anleitung beginnt mit One Note Rhythm
und Single Notes, am Ende hat man sich unterstützt von einer Play-Along-CD
melodische Verzierungen, Improvisieren und Tonleitern erarbeitet.
Felix Schell, Hot Club Session - Spielpraxis, Improvisation und Mitspielstücke für Hot Swing Gitarre.
Schell Music SM 6800 BCD,
2009, ISBN 978-3940-474292, 39 S, €22,95 (inkl. CD).
Für denjenigen, der die ersten Hürden des Fingerpicking gemeistert hat und sich nun
ein Repertoire erarbeiten will
[42]
[44]
[45],
gibt es hier eine kleine Sammlung von 15 irischen Liedern, arrangiert für die Solo-Gitarre in
Tablatur und Standard-Notation mit Akkorden und Texten. Die Stücke aus der Zeit des 18. bis ins
frühe 20. Jahrhundert sind meistens gemäßigter Gangart, von
"Dicey Reilly" und "Down By The Salley Gardens" bis zu "Whiskey In The Jar" und dem "Wild Rover".
Drei Titel - "The Galway Piper", "Londonderry Air" und "Water Is Wide" - wurden
für drop D tuning DADGBE arrangiert.
Fingerpicking Irish Songs - 15 Songs Arranged for Solo Guitar in Standard Notation & Tablature.
Hal Leonard HL00701965,
2012, ISBN 978-1-61780-725-1, 48 S, US-$7.99.
Nach Lautenmusik aus England
[39]
und Frankreich
[42]
hat Werner Reif
Renaissance-Stücke aus Deutschland für die Solo-Gitarre bearbeitet.
Diese Ausgabe enthält Hofftenzlein und Gassenhawer
von Lautenisten und Komponisten wie Hans Newsidler (1508-1563,
dessen "Gassenhauer" Carl Orff als Vorlage diente),
Matthäus Waissel (1540-1602), Hans Gerle (1500-1554), Tilman Susato (1510-1570) -
und insbesondere von dem in Wien wirkenden Hans Judenkunig (1450-1526),
einem der bedeutendsten Instrumentalisten
der Renaissance, der besonders durch zwei weitverbreitete Lehrbücher für das
Lautenspiel im Selbstunterricht bekannt geworden ist. "Wo Soll Ich Mich Hin Keren Ich Arme"
ist ein mit verschiedenen Melodien bekanntes Volkslied aus dem 16. Jahrhundert.
Werner Reif, Lautenstücke aus der Renaissance bearbeitet für Gitarre - Deutschland.
DUX 904,
2012, ISBN 978-3-86849-201-9, 40 S, €12,80.
Die Kölner Musikerin Martina Schumeckers
[39]
nimmt ihr Akkordeon zum zweiten Mal auf die Reise mit
[43].
Accordion Trip 2 vereint Stücke mittlerer Schwierigkeit aus Bulgarien, Rumänien
und Ungarn, vereinzelt aber auch aus Griechenland, Armenien und Moldawien im zweistimmigen
Notensatz für 1 bis 2 Akkordeons (oder andere Instrumente). Die Stücke vom 2/4- bis 11/16-Takt
stammen aus der Sammlung von Henner Diederich, der sich in fünfzig Jahren leidenschaftlich
mit der traditionellen Musik Osteuropas beschäftigt hat. Auf zwei beiliegenden Play-Along-CDs
spielt unter Diederichs Leitung das Ensemble Rossi.
Martina Schumeckers, Accordion Trip 2 - 30 Tänze vom Balkan für 1-2 Akkordeons.
Holzschuh VHR 1763,
2012, ISBN 978-3-86434-001-7, 71 S, €22,80 (inkl. 2 CDs).
Jede Menge Flötenlieder präsentiert die in Nürnberg tätige Musiklehrerin Barbara Ertl.
Gemäß dem Motto Musizieren macht Spaß - zusammen musizieren noch mehr!
finden sich eingängige Melodien aus England, dem Elsass und dem Piemont, der Slowakei und Israel,
der franko-kanadische Reel "La Bastringue" (vgl. eine Aufnahme von Aly Bain und Phil Cunningham
[30]),
Spielstücke alter Meister wie Georg Philipp Telemann, sowie vier Eigenkompositionen
für jeweils Sopran- bzw. Altblockflöte und Klavierbegleitung
(Akkorde ermöglichen auch eine Begleitung mit der Gitarre).
Ertl ist ebenso für eine kleine Sammlung bekannter und (mehr oder weniger) beliebter
Kinderlieder für Sopranblockflöten (ein- oder zweistimmig) verantwortlich, darunter
die traditionellen Lieder "Die Affen rasen durch den Wald" und "Von den blauen Bergen kommen wir"
oder Pierre Kartners "Das Lied der Schlümpfe" und Astrid Lindgrens "Michel aus Lönneberga".
Die beiliegenden CD bietet eine Hörversion, sowie Mitspielversionen in langsamem Übungstempo und im Originaltempo.
Barbara Ertl, Vorhang auf! Band 2 - Spielstücke für Sopranblockflöte und Klavier.
Holzschuh VHR 3626,
2012, ISBN 978-3-940069-94-8, 31 S, €11,80.
Barbara Ertl, Vorhang auf! Band 2 - Spielstücke für Altblockflöte und Klavier.
Holzschuh VHR 3626,
2012, ISBN 978-3-940069-96-2, 31 S, €11,80.
Barbara Ertl, Lieblingslieder für eine oder zwei Sopranblockflöten.
Holzschuh,
2012, ISBN 978-3-940069-99-3, 31 S, €14,80 (inkl. CD).
Das World Music Songbook für Gesang, Gitarre und Klavier
enthält mehr als hundert beliebte Folksongs von
Neufundland bis Kap Horn, von den "Blue Bells of Scotland" bis zur australischen
"Ballad of Ned Kelly", einschließlich zeitloser Klassiker wie "Kumbayah" aus dem Kongo,
"Guantanamera" aus Kuba, das mexikanische "La Cucaracha", von den französischen und irischen
Beiträgen mal ganz zu schweigen. Es sind allerdings nicht immer die üblichen Verdächtigen.
So gibt es auch einige ungewöhnliche Versionen, z.B. "Three Ravens" - die Raben, die den
erschlagenen Ritter auffressen, sind besser bekannt als die schottischen "Twa Corbies" -
zu der Melodie von "Derry Down Down", was sich wiederum in der Child-Sammlung unter der
Nr. 26 findet.
World Music Songbook - More Than 100 Folk Songs from Countries Across the Globe.
Hal Leonard HL 00311411,
2011, ISBN 978-1-4234-2580-9, 248 S, US-$19.99.
Warum kann mein lieber Roma-Freund Victor, mit seiner Gitarre sehr angenehm spielend und singend,
nicht in der Straßenbahn mitfahren? fragt der Vorsitzende des Steirischen Volksliedwerkes.
Dann bräuchte ich mir das ganze Handy- und sonstige -Geschwätz nicht so deutlich anhören!
Nette Idee! Um Wegstrecken zu verkürzen hat das Volksliedwerk in ihrer
Liederbuchreihe [47]
85 alte und neue Lieder nicht nur aus der Steiermark
oder die Kärntnerhymne "Wann du durchgehst durchs Tal" verlegt
[47].
Da ist Eichendorffs "Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt",
die Volkslieder auf Schusters Rappen "Im Frühtau zu Berge" und "Das Wandern ist des Müllers Lust",
man fährt "Hoch auf dem gelben Wagen". Es finden sich Fahrtenlieder der Wandervogel-Bewegung
"Aus grauer Städte Mauern", "Wenn die bunten Fahnen wehen", "Wir lieben die Stürme",
Udo Lindenbergs "Sonderzug nach Pankow", Reinhard Meys "Über den Wolken", und mit
"Major Tom" geht es in den Weltraum. Fehlen dürfen natürlich nicht die Bretter,
die die Welt bedeuten, nämlich Wolfgang Ambros Wintersporthymne "Schifoan".
Die Lieder sind vorwiegend zweistimmig gesetzt, mit Begleitakkorden versehen und die
quengelnde Kinderfrage Wie lange dauert's denn noch? sollte der Vergangenheit angehören.
Lieder für unterwegs.
Steirisches Volksliedwerk,
2012, ISBN 3-902516-26-7, 167 S, €8,50.
Neben der Rockmusik ging Michael Rhein noch einer anderen Passion nach: der Mittelaltermusik.
In Extremo (lat. zu guter letzt oder in Vollendung) beginnt zunächst als Trio (mit Conny Fuchs)[36] und arrangiert überlieferte Stücke wie "Totus Floreo" aus der Anthologie "Carmina Burana" (11. bis 13. Jahrhundert) oder die norwegische Ballade "Villeman og Magnhild".
Im Frühjahr 1996 wird eine Akustik-CD aufgenommen sowie zusätzlich eine Maxi-CD mit einer verrockten Version des okzitanischen Kinderliedes "Ai Vis Lo Lop".
Eine Zeit lang spielt In Extremo tagsüber puristische Mittelaltermusik auf den Historischen Märkten und abends Rockshows mit lauten Stromgitarren in den Clubs. Erst im Sommer 2002 wird das allerletzte reine Mittelalterkonzert gegeben: Ausschweifender Rockzirkus, so lautete von nun an die generelle Devise ...
Bassist Kay Lutter sagt im Rückblick: Wir schrieben damals kaum eigene Texte oder Melodien, sondern waren eine Art mittelalterliche Coverband. Wir reihten verschiedene Teile fast wahllos aneinander ...
Überdrüssig von der steten Wiederholung der gängigen Gassenhauer wollen In Extremo stärker auf Eigenkompositionen setzen. Das siebte Studioalbum des Septetts "7" von 2003 stellt gleichermaßen den bisherige Zenit ihres Schaffens und den Scheideweg zwischen Arrangements überkommener Texte (z.B. "Ave Maria") und eigenen Liedern ("Küss mich") dar. Mit den Alben "Sängerkrieg" (2008) und "Sterneneisen" (2011) stürmen die mittelalterlichen Rüpel schließlich Platz 1 der Verkaufs-Charts.
Die Bandbiographie Wir werden niemals knien erzählt den abenteuerlichen Werdegang einer Band, die es aus eigener Kraft geschafft hat und nicht hoch-gehypt worden ist. Die Mitglieder von In Extremo haben jede Menge erlebt und haben viele spannende Dinge zu erzählen.
Interessant ist insbesondere das erste Drittel der Lektüre, danach flacht es etwas zu einer Abfolge Platte zu Platte, Konzert zu Konzert und Gelage zu Gelage ab und erinnert eher an ein Fanzine.
Der mit In Extremo eng befreundete Autor Wolf-Rüdiger Mühlmann macht aus seinem Herzen keine Mördergrube und eindeutig klar, wer unsere Helden und wer die Schmeissfliegen und Schwätzer sind. Dumm nur, dass die Protagonisten selbst auch nicht immer so vorteilhaft und sympathisch herüberkommen.
Und während ich die teilweise pubertäre Schreibe nicht vermissen würde, hätte ich doch - das größte Manko der Geschichte einer unnormalen Band - ganz gern ein paar Fotos aus der Bandgeschichte zu Gesicht bekommen. (Dazu kann man natürlich zu Kay Lutters großformatigem Band "Spielmannsfluch" aus dem Jahre 2003 greifen.)
Im Gegensatz dazu ist die Grand Voyage ein Tourbericht ganz anderer Art - bunt und bilderreich, aber die Erlebnisse des Quartetts Quadro Nuevo sind nicht weniger abenteuerlich und bizarr. Unterwegs zwischen Ajaccio und Antakya, auf dem Wendelstein und Wyk auf Föhr wird durchaus mal eine Sehenswürdigkeit besichtigt oder die Natur erkundet. Auch wenn man manchmal bei der Lektüre denken könnte, es geht doch nur von A nach B.
Die Vier von Quadro Nuevo erzählen mit viel Humor und Augenzwinkern von ihren Reisen und Erlebnissen. Anekdoten stehen neben philosophischen Betrachtungen, dazu wird die Bandhistorie und die Bandgründung beleuchtet, aus der 1996 verbunden mit der Improvisationskunst des Jazz und alpenländischer Spielfreude ein bunter Stilmix aus Tangos, französischen Valse Musettes, dem alten Swing "Bei mir bist du scheen", der südamerikanischen Ballade "Gracias a la Vida", Bossa Novas und kaum mehr gespielten italienischen Canzoni wie "Luna Rossa" erwuchs.
Bereits das Debütalbum kletterte in die Weltmusik-Charts und erhielt den Deutschen Jazz Award. In den folgenden Jahren wurde der reise-müde Akkordeonist Heinz-Ludger Jeromin durch Andreas Hinterseher[38] und der durch einen Verkehrsunfall querschnittsgelähmte Flamenco-Gitarrist Robert Wolf durch die Harfenistin Evelyn Huber[42] (Schwägerin des Hackbrettspielers Rudi Zapf)[48] ersetzt.
Wie soll das funktionieren, die gefällige Harfe statt des knackig männlichen Gitarrenspiels von Robert? Ein himmlisches Instrument für unsere teuflischen Tangos? Es funktioniert offenbar sehr gut. Quadro Nuevo bespielt weiterhin Deutschland, Europa und die ganze Welt, was seinen vorläufigen Höhepunkt in dem großartigen Reise-Album "Grand Voyage" gefunden hat: jedes Lied in einem anderen Land aufgenommen und die Stimmung von den jeweiligen Orten inspiriert.
Nun aber etwas ganz anderes! Zu Beginn der neunziger Jahre war Johnny Cash eine lebende Legende, ein Mythos, eine Ikone. Man erinnere sich: Sun Records, Folsom Prison, San Quentin ... Cash war jedoch eine angeschlagene Legende, eine Ikone vergangener Zeiten, spielte ein Konzert nach dem anderen mit seiner altmodischen Country-Show, verkaufte aber kaum noch eine Platte.
Es war beinahe so, als würde er dafür bestraft werden, nicht schnell genug gelebt und jung gestorben zu sein. Tat er das, was er immer getan hatte, wurde er als alter Hut abgetan, versuchte er, sich an die neuen Zeiten anzupassen, klang er unecht und gekünstelt.
Man braucht jedoch nur eine Chance, Cash bekam sie und nutzte sie. Was war geschehen? Die kurze Antwort ist der Name eines Mannes: Rick Rubin. Die ausführlichere Erklärung liegt in den 250 Seiten von Graeme Thomsons Auferstehung des Johnny Cash.
Der Hip-Hop- und Metal-Produzent Rick Rubin war auf der Suche nach einem etablierten Künstler, um mit ihm zu arbeiten, und war - so unwahrscheinlich es auch klingt - von Cash angetan. Rubin fand die Zauberformel in der Einfachheit, nur Cash und seine Martin-Gitarre, und einer cleveren Auswahl von Songs, die ein junges Publikum ansprach, aber gleichzeitig einen Querschnitt durch Cashs Leben und Kunst bot: Tod und Verlust, Liebe und Sex, Religion und Erlösung.
Und so wurde 1994 das erste "American Recordings"-Album veröffentlicht, mit der Cash - wieder einmal - der Countrymusiker für Leute, die keine Countrymusik mögen, wurde.
Graeme Thomson erzählt detailliert die Geschichte von Cashs Renaissance und gibt ganz nebenbei auch einen Überblick über Cashs vorausgehende Karriere. Ein Künstler, der nicht nur bis ins hohe Alter überlebt, sondern gewissermaßen den krönenden Abschluss geliefert hat. Wer kann das von sich behaupten?
Photo Credits:
(1ff) Book Covers;
In Extremo,
Quadro Nuevo
(from website/author/publishers).