FolkWorld #45 07/2011
© Irish Folk Festival

Affairs of the Heart

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Die Iren sind Weltmeister, wenn es darum geht, die Herzen anderer Nationen für sich zu gewinnen. Einer der verschiedenen Tricks und Kniffe, das zu schaffen, ist Irish Folk. Die Musik der Grünen Insel ist ein Schlüssel, mit dem sich sogar verschlossene Herzen nach ein paar Takten wie von Zauberhand öffnen. Im 38. Jahr des Irish Folk Festivals ist es also durchaus mal drin, die Dinge beim Namen zu nennen und eine Tournee "Affairs of the Heart" zu betiteln.

Réalta - A New Bright Star

Réalta bedeutet auf Gälisch Stern und das gleichnamige Trio lässt diesen hell am irischen Firmament leuchten. Die Gitarristin und Sängerin Deirdre Galway singt mit einer lyrischen Stimme die Traditionals der sanfteren Art, die zum Träumen einladen. Begleitet wird sie von Conor Lamb und Aaron Hagan an den Flutes und Tin Whistles. Mit ihren auf Harmonie gespielten Koloraturen schmücken und umgarnen sie die Gesangsmelodie.

Aber das Dreigestirn kann auch anders. Plötzlich schnallen sich beide Jungs einen irischen Dudelsack – auch Uillean Pipes genannt – um und schon bläst im besten Sinne des Wortes ein ganz frischer Wind. Der irische Dudelsack ist ein wunderbares Instrument mit einem unverwechselbaren Klang. Kurz um: die Uillean Pipes sind die Königsklasse der Dudelsäcke.

Réalta

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Uillean Piper sind eher Einzelgänger, und wenn sich zwei zusammen tun, ist das außergewöhnlich. Wenn gleich ein Dutzend Rohrblätter miteinander im Gleichklang schwingen, dann kann nur noch eine Orgel dieses Klangerlebnis toppen. Dazu kommt noch die von Deirdre in offener Stimmung pulsierend gespielte Gitarre und schon hat man einen dichten Sound. Diesen kann sich Réalta wirklich patentieren lassen, denn so klingt sonst wirklich niemand. Das Dreigestirn demonstriert, wie man mit Pfiff und Köpfchen aus einem übersichtlichen Angebot an Zutaten ein neues Klangrezept kreieren kann. Réalta – ein Sound wie von einem anderen Stern.

The Outside Track - Tradition with New Wings

So innovativ wie das Quintett traditionelle Themen bearbeitet, verleiht es ihnen förmlich Flügel. Die Musiker pumpen die althergebrachten Melodien mit Energie, Frische und guter Laune auf, so dass diese den Zustand der Schwerelosigkeit erreichen und einfach abheben. Diese beflügelte Musik begeistert live nicht nur die Zuschauer sondern bringt auch gestandene Weltmusikjournalisten ins Schwärmen: "This is the best new group we have heard in quite a while. Stunning. This album is just the beginning. Wow!" meint Bill Mangerson, einer der Gründerväter von WOMAD und Folkworld pflichtet bei: "Their arrangements are imaginative and the playing is faultless. Celtic music - full of energy and virtuosity."

Die vier jungen Frauen und Cillian Ó Dálaigh an der Gitarre haben einen quasi transatlantischen bzw. pankeltischen Sound geschaffen, der eine Brücke über keltische Traditionen schlägt. Kein Wunder wenn die Mitglieder aus Irland, Schottland und sogar Kanada stammen. The OUTSIDE TRACK sind getreu ihrem Namen erfrischend anders. Sie wagen den Blick von außen nach innen. Es ist ein Blick aus der Perspektive der Weltmusik auf traditionelle Spielweisen. Dazu kommen eigene Kompositionen. Alle fünf sind begnadet virtuos und mit Fiddle (Mairi Rankin), Harfe (Ailie Robertson), Akkordeon (Fiona Black), Flöten (Norah Rendell) und Gitarre (Cilian Ó Dálaigh) ist die Band reichhaltig instrumentiert. Die Harfe steuert so richtig tiefe Töne bei, die einen Bassisten überflüssig machen. Stark bei Stimme ist die Gruppe auch. Die sonore Altstimme von Norah wird durch satt klingende Harmonien ihrer Kolleginnen umrahmt und akzentuiert.

The Outside Track

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Ja sogar Stepptanz hat die Band gemäß der Tradition aus Cape Breton integriert. Die dortigen Fiddler/innen haben es drauf, gleichzeitig zu steppen derweil sie auf ihrem Instrument wild aufspielen. Da staunt der Fachmann und wundert sich der Laie, wenn die Mairi fiddelnd eine heiße Sohle aufs Parkett legt.

Altan - Return of a Legend

Lang lang mussten die Fans warten, um Altan wieder beim Irish Folk Festival hören zu können. Um genau zu sein: mehr als 20 Jahre. Doch das Warten hat sich gelohnt, um einen Monat lang von den Alpen bis zur Nord- und Ostsee magische Momente mit dieser legendären Band erleben zu können. Altan ist ohne Übertreibung ein Denkmal irischer Kultur. Es gibt zum Beispiel nur fünf Bands, welche die irische Post mit einer eigenen Briefmarke geehrt hat. Altan ist eine davon. Die CDs des Quintetts haben mehrfach Gold und Platin erreicht und wurden mit Preisen und Auszeichnungen überschüttet. Die Gruppe wurde von der irischen Präsidentin mehrfach auf Auslandsreisen mitgenommen. Sie spielte zweimal im Weißen Haus und allen großen Sälen der Welt. Kaum ein Weltmusik Magazin, das nicht Altan auf das Cover gehievt hätte. 2010 feierte die Band aufwendig und orchestral das 25. Jubiläum mit einem Album und einer DVD, die man mit dem irischen Rundfunkorchester einspielte. Altan sind nicht nur eine der großen Weltmusik Gruppen Irlands sondern weltweit.

Doch was macht die Magie dieser Künstler aus? Es ist die Gänsehaut Stimme von Mairéad Ni Mhaonaigh, die uns in längst vergangene Zeiten und Welten versinken lässt. Sie ist wie ein Schmetterling, der lange in einem Kokon zu seiner aktuellen Schönheit herangereift ist und zu einem Höhenflug abhebt. Die anderen Altan Musiker umgarnen Mairéads Stimme mit seidenen Melodiefäden. Leicht, locker und elegant legen sich ihre fein gewebten Arrangements um die althergebrachten Melodien. Da vernetzt sich die perlende Bouzouki von Ciaran Curran mit der Gitarre vom Dáithí Sproule. Da verschmilzt das diatonische Akkordeon von Tim Edey mit der Fiddle und Whistle von Ciaran Tourish.

Eine andere magische Inspiration ist die herbe Natur von Donegal, der nördlichsten Grafschaft Irlands, der Heimat der Gruppe. Hier peitschen tosende Winde die rauen Berge und krachen wilde Wellen gegen zerklüftete Küsten. Die Gruppe weiß in den Donegal-Tunes schlummernde Naturgewalten zu entfesseln. In der Musik der Band hört man förmlich den Wind pfeifen und das Meer tosen. Das versetzt jedes Publikum in Wallung. Ganz typisch für Donegal sind die sich duellierenden Fiddles von Mairéad und Ciaran, die einen unnachahmlichen Swing und Drive haben. Unnachahmlich im besten Sinne des Wortes, denn es gibt wohl keine andere Gruppe, die sowohl technisch als auch von den tiefen „Roots“ Altan zu kopieren im Stande wäre. Altan sind einfach Altan und damit unnachahmlich.

Willie Daly - Ireland's Last Matchmaker

Das Irish Folk Festival ist ein Spiegelbild irischer Kultur und Bräuche und diese gehen durchaus über Musik, Gesang und Stepptanz hinaus. Zum ländlichen Irland gehört auch die fast verschwundene Kunst des Matchmakings. Willie Daly ist ein »Matchmaker«, wie die Iren einen traditionellen Heiratsvermittler nennen. Seit über fünfzig Jahren sprechen ihn die Dorfbewohner an, wenn sie einen Partner fürs Leben suchen - mit Erfolg: Hunderte Paare hat Willie Daly schon zusammengebracht, ganz in der Tradition von Vater und Großvater, die das uralte Wissen um die Liebe an ihn weitergegeben haben.

Willie wird dem Irish Folk Publikum den einen oder anderen Schwank aus seinem Leben erzählen und bei der Session mitsingen und steppen. Ein paar Freiwillige aus dem Publikum werden auch schnell gefunden sein und schon kann das Matchmaking los gehen…

Willie Daly hat 2010 ein in Irland viel beachtetes Buch über sein Leben, seine aussterbende Kunst und die Menschen, denen er begegnete, geschrieben. 2011 erscheint sein Buch in einer deutschen Übersetzung. Es ist ein Dokument der Zeitgeschichte über ein Land, wie es mal war, wie es jetzt ist und bald so nicht mehr geben wird.


Photo Credits: (1) Irish Folk Festival Logo, (2) Réalta, (3) The Outside Track, (4) Altan (by Magnetic Music).


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