FolkWorld Ausgabe 42 07/2010

FolkWorld CD Kritiken

Gráda "Natural Angle"
Label:
Compass Records; 7 4528 2; 2010
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Rezension in dieser FW-Ausgabe
Die irische Band Gráda (FW#23, #30, #33, #35) besteht dieser Tage aus den Gründungsmitgliedern Nicola Joyce (Gesang, Bodhran), Gerry Paul (Gitarre), Andrew Lanking (Kontrabass), sowie zwei Neuzugängen aus dem Städtchen Foxford im County Mayo: Flötist und Akkordeonist Stephen Doherty, der Alan Doherty (#41), und Fiddler und Konzertina-Spieler David Doocey, der Colin Farrell (#40) ersetzt hat. Das aktuelle Album wurde unter der Regie von Old-Time- und Bluegrass-Mandolinist Tim O'Brien, den die Gruppe auf dem dänischen Tønder-Festival kennen gelernt hat, in Nashville aufgenommen. Gráda hat zum ersten mal live im Studio aufgenommen anstatt Teile zusammenzufügen. Das bringt eine neue Spontanität und Frische ins Spiel. Die Chemie stimmt jedenfalls. "Natural Angle" beginnt mit dem bekannten, traditionellen "Templehouse Reel", gefolgt von einer Eigenkomposition, "Moy Cottage". Sogleich folgt das erste Lied, die Tim O'Brien-Komposition "John Riley" vom "The Crossing"-Album (#11), das über Shantalla u.a. längst in die irische Szene Eingang gefunden hat und den wunderbaren Refrain besitzt: Adventure calls and some men run and this is their sad story, some get drunk on demon rum and some get drunk on glory. Es folgt ein weiteres Lied, diesmal eine Eigenkomposition, sowie ein weiteres Instrumentalset bestehend aus dem traditionellen "Butterfly Reel" (nein, nicht der bekannte Slip-Jig) und Davids Schöpfung "Farewell to Sandy". Ich will nur noch ein paar Höhepunkte erwähnen: der traditionelle irische Song "Butcher Boy", der "New Plymouth Reel" aus der Feder des ehemaligen Grada-Fiddlers Colin Farrell, wie auch zwei weitere Melodien aus seiner Feder als Hinterlassenschaft, das traditionelle amerikanische "Pretty Polly". Es lässt sich eben nicht abstreiten, dass die Band in Nashville aufnimmt. Dazu passt auch ein Song von Blueslegende Mississipi John Hurt, sowie ein Country-Song aus der Feder und mit dem Gesang von Gerry Paul (nicht zu vergessen Gastbeiträge von Tim O'Brien, sowie Banjonistin Alison Brown). Das funktioniert auch live, wie ich mich selbst überzeugen konnte (#42).
www.gradamusic.com
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Kíla "Soisín"
Label: Kíla Records; KRCD014; 2010
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Die alten Iren, bzw. die Vorgänger der Kelten, die musikalisch versierten Tuatha dé Dannan, teilten ihre Musik in drei Kategorien ein: auf der einen Seite gab es suantraí und goltraí, Schlaf- und Klagemusik, auf der anderen gentraí, fidele Partymusik. Dementsprechend war "Gambler's Ballet", das letzte reguläre Studioalbum von
Kíla aus dem Jahre 2007, mit Kíla's Version irischer Tanzmusik dem gentraí-Konzept verhaftet (FW#34). Das aktuelle Album "Soisín" nun ist Kílas suantraí, oder deren yin zum yang. Dazu passt auch, dass das Titelstück "Soisín" von einer junge Dublinerin inspiriert wurde, die in einem japanischen Zenkloster bereits nach drei Jahren als Bodhisattva (Erleuchtungswesen) angesehen wurde. Sänger Ronan Ó Snodaigh (#33) muss dieses Mal eine Auszeit nehmen. Die zehn instrumentalen Melodien, alle komponiert von den Bandmitgliedern, vor allem Flötist Colm Ó Snodaigh (#35), haben einen pulsierenden Beat, sind aber eher gemächlich. Sie mäandern vor sich hin, Schichten werde auf Schichten getürmt. Die Atmosphere ist wichtiger als die einzelne Melodie, und könnte in manchen Kinofilm passen. Oder war die Arbeit an dem Soundtrack zu "The Secret of Kells" (#41) sogar die Inspiration?
www.kila.ie
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Jeremy Kittel "Chasing Sparks"
Label:
Compass Records; 7 4531 2; 2010
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Rezension in dieser FW-Ausgabe
Der in Michigan geborene Jeremy Kittel ist erst Mitte zwanzig, aber bereits ein preisträchtiger Geiger und Fiddler: US National Scottish Fiddle Championship, Detroit Music Awards for Outstanding Folk Artist, usw. Er spielt klassisch, Jazz (mit dem Turtle Island Quartet) und eben keltisch. Anders als zu erwarten ist "Chasing Sparks" kein Fusion-Album, sondern gerader Folk. Also zumindest, wenn man vergisst, dass die Melodien in ungewöhnlichen Tonarten sind und die Melodiestrukturen zuweilen in wilde Arrangements und Improvisationen ausbrechen. Sein Geigenspiel hat unzweifelhaft klassische Anleihen, doch kann er dies unvermittelt abstellen und den irischen Fiddler geben. Die Melodien sind Keltisch oder dementsprechend inspiriert, manchmal nur als Startpunkt, Dazu trägt auch die Unterstützung von Musikern wie Nickel-Creek-Mandolinist Chris Thile und Cellistin Natalie Haas (FW#31) bei.
"Chasing Sparks" beginnt mit zwei eigenen Reels, dazwischen Tola Custy's "Up Downey", einem erstaunlich sehr häufig eingespielten Tune (zuletzt z.B. von Rallion -> #41). Das Geigenspiel ist geradeheraus, die Begleitung funky und jazzig. Das Tempo ändert sich, der Jig "Rolling Waves" beginnt gemütlich, die Spannung baut sich auf, bis sie sich wieder in einer Eigenkomposition Jeremys auflöst. Titel 3 ist wieder eine Komposition von Jeremy, nun das obligatorische Slow-Air, fast skandinavisch klingend Dann geht es emotional wieder von vorne los: das siebenminütige "The Chase", der Titel sagt es, ist eine wilde Jagd, fast ein descriptive piece und das in 7/8-Rhythmus. Man sollte die Augen schließen und der Phantasie freien Lauf lassen. Zwei traditionelle Melodien sollen noch erwähnt werden: noch nie wurde der "May Morning Dew" so bedächtig interpretiert und jede einzelne Note seziert. Ich glaube, der "Beare Island Reel" - hier eine Live-Aufnahme vom Januar 2009 - ist nicht trad, sondern stammt von Finbar Dwyer; Kevin Burke, der in Oregon lebt, hat ihn durch seine Aufnahme bekannt gemacht. Kompositionen von Hanneke Cassel (#42) und Rodney Miller (#27) vervollständigen Jeremys Opus Magnum. Ein gelungenes Album von einem bemerkenswerten jungen Mann.
www.jeremykittel.com
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Laura & The Comrats "Creating Memories"
Label:
Lindo Rec.; lindo 009; 2010
Die aus Niederösterreich stammende Sängerin Laura Rafetseder hat die Ode an Wien verfasst. Nein, keine Ode, Oden reimen sich nicht und sind rückwärtsgewand. Auch kein Loblied, aber man findet sich mit ihr mit allen Schattenseiten der Donaumetropole ab. "Vienna at My Feet" ist eine Songperle, die nicht nur Wien zu ihren Füßen legt: Tonight I feel as if I were the rocks on which this city was built ... Die Kameratten, zu denen in der Vergangenheit auch einmal der Gitarrist Erich 'Esch' Schacherl (#41) gehörte, sowie Gastmusiker Stoney Steiner (#36) zelebrieren einen ruhigen, sparsam instrumentierten Folkpop. Lauras Gesang ist wehmütig, sie sagt, ihre Lieder seien ein Versuch, das Durcheinander im Leben auf die Reihe zu kriegen. Sie liebt aber auch eingängige Melodien und ist fasziniert vom Gegensatz von Schmerz und Glück, der sich nicht nur durch die Popmusik zieht. Und so werden Erinnerungen mit einem leicht irren Optimismus geriert. Es ist ein Herbst, der auf den Frühling hofft und positive Schwingungen aussendet, eine Scheibe, die zusammen mit einem bißchen Sonne und einem Achterl Wein (in einem Heurigen oder sonstwo auf der Welt) glücklich machen kann ...
www.comrats.at.tf
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Ray Cooper "Tales of Love War & Death by Hanging"
Label:
Westpark Music; WP 87188; 2010
Oysterband "The Oxford Girl and Other Stories"
Label:
Westpark Music; WP 871908; 2010
Erst unlängst hat Oysterband-Frontmann John Jones sein Solo-Album "Rising Road" vorgelegt (FW#41), nun folgt Bassist Ray 'Chopper' Cooper auf dem Fuße. Er pendelt zwischen Großbritannien und Schweden und die Geschichten von Liebe ("In Your Sweet Arms"), Krieg ("Border Widow's Lament") und dem Tod durch den Strick ("McPherson's Rant") vereinigen britische und nordische Folktraditionen, u.a. durch den norwegischen Geiger Patrik Andersson. Die Produktion ist, aufgenommen in einer schwedischen Blockhütte, ruppig und geradeheraus, vielleicht seinen Punkwurzeln geschuldet, und klingt bisweilen nach Lagerfeuer-Romantik und Schrammelmusik (Chopper bevorzugt hier die Akustkgitarre, nicht seine Hauptinstrumente Cello und Bass). Für meinen Geschmack sind die Aufnahmen etwas zu hallig geraten. Dennoch sind sie ausdrucksvoll und voller Leidenschaft, und meiner bescheidenen Meinung nach hat Chopper die Solo-Scheibe von John Jones ins Abseits gestellt. (Mancher Schiedsrichter wird dies vielleicht nicht erkennen.) So darf er denn auch triumphierend singen: Now the dark days are over, believe me, the dark days are gone...
Chopper interpretiert auch den schottischen Folk-Hit "Ye Jacobites By Name". Wir finden diese Melodie auch auf dem aktuellen Album der Oysterband wieder, diesmal mit dem Text der White-Gospel-Hymne "What Wondrous Love Is This?".
Die Oysters (FW#8, #10, #24, #26) feiern ihr 30jähriges Bestehen mit einem Album back to the roots, d.h. weder ein Best-of-Album, noch eine systematische Retrospektive, sondern sie haben einfach die Stromgitarre ausgestöpselt und 14 Lieder neu arrangiert und eingespielt. Die Aufnahmen sind so einfach wie möglich gehalten, schlicht Gesang und Harmonien und akustische Instrumente. Das Tempo ist überwiegend ruhig, die Songs hymnisch ("By Northern Light", "Blood-Red Roses", "Angels of the River"). Mit "When I'm Up I Can't Get Down" wird das Tempo dann mal angezogen, aber nicht ganz so frenetisch wie auf dem semi-elektrischen Original, dafür mit Kanon und Händeklatschen. Popstücke wie "The Soul’s Electric" wurden einer Diät unterzogen und folkifiziert. Der Album-Titel suggeriert schon traditionelle Stücke, wie sie die Oysters gerade in ihrer Anfangszeit gespielt haben: "Lakes of Cool Flynn" ist ein Stück irischen Ursprungs, "False Knight on the Road" die bekannte Child-Ballade #3. Nur "The Oxford Girl" ist kein Traditional, sondern nur im Geiste eines Folk-Songs geschrieben worden. Das Album findet sein Ende mit "Put out the Lights", einem meiner Lieblingssongs, aber es ist das gesamte Album, das fasziniert und in den Bann schlägt.
www.myspace.com/raycooperchopper, www.oysterband.co.uk
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Rua MacMillan "Tyro"
Label:
Greentrax; CDTRAX346; 2010
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Tyro - lateinisch für Novize oder Anfänger. Das gilt nur eingeschränkt für Rua MacMillan, bekannt als Fiddler der Paul McKenna Band (FW#41, #41, #42). Der aus Nairn in den schottischen Highlands stammende Rua ist zwar noch jung an Jahren, aber erfahren wie ein alter Hase. Im vergangenen Jahr gewann er den prestige-trächtigen Titel des BBC Radio Scotland Young Traditional Musician of the Year, Teil des Preises ist dieses Soloalbum auf dem Greentrax-Label, das er mit seiner Band bestehend aus Tia Files (Gitarre, Bass) und Adam Brown (Bodhran), sowie Alasdair MacLeod (Schlagzeug), Lorne MacDougall (Pipes, Whistle) und Brian McNeill (Konzertina, Bouzouki) eingespielt hat. "Tyro" ist ein Mix aus Ruas Eigenkompositionen, anderen zeitgenössischen Komponisten und Traditionals aus Schottland und den schottischen Dependancen in Übersee. Den Anfang macht ein Set bestehend aus dem traditionellen Reel "Ewe With The Crooked Horn", dem Original "The Chancer" und Neil Ewarts wundervoll betitelten "Traditionally Incorrect". Damit ist eigentlich schon alles gesagt über die neun Medleys: vier Traditionals, 5 Eigenkompositionen, sowie 13 weitere Tunes aus den Händen der allerbesten Melodieschmieden. Ich erwähne hier nur Jerry Hollands "Malcolm's New Fiddle" (u.a. unlängst vom Melbourne Scottish Fiddle Club aufgenommen -> #41), Brian McNeills "Drive the Golden Spike", Donogh Hennessys "Goodbye Miss Goodavich" (von Lunasa auf "Otherworld" eingespielt -> #12). "Bidh Clann Ulaidh" ist ursprünglich ein gälisches Lied, mit eben dieser Instrumentalinterpretation hat er die BBC Radio Scotland Jury beeindruckt. Ruas "Glasgow - City of Music" feiert die Stadt und wird gewiss noch seinen Weg machen. Rua jedenfalls geht seinen Weg - und großteils abseits ausgetretener Pfade.
www.myspace.com/ruamacmillan
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Alambic "Rue du Sablier"
Label: Eigenverlag; CP24527; 2009
Alambic (FW#29) ist ein Quintett aus dem ostfranzösischen Besançon. "Rue du Sablier" beginnt mit einer von Flötist Julien Coupey verfassten Schottisch, die sehr irisch klingt. Also so irisch wie die modernen Gruppen wie Lunasa, also keine falsch verstandene Tradition. Gemäß dem Bandnamen, dem Destillierhelm, werden Stoffe durch Erhitzen getrennt und neu zusammengesetzt. Das nach der Abkühlung entstandene Destillat macht meistens die Herzen froh. Das Set endet mit einer fröhlichen, sehr rhythmischen Polka. Auch die übrigen Stücke, inspiriert von den Folk-Traditionen der Bretagne, der Auvergne und Zentralfrankreichs sind alles Bandkompositionen, neben Coupey von Geiger Jean-Pierre Aufort und Gitarrist Rémy Masse. Bouzoukispieler Lionel Tessier und Kontrabassist Vladimir Torres liefern das rhythmische Rückgrat. Die nächsten beiden Melodien nennen sich Mazurkas, sind allerdings eher ruhige Vertreter ihrer Art. Das Bandrepertoire ist Bal-Folk, scheint mir aber mit seinen komplexen Arrangements eher für Zuhörer geeignet zu sein. Eine Studioproduktion kann natürlich täuschen und die Band live die Tanzsau durchs Dorf treiben. Das Timing ist jedenfalls immer auf den Punkt, wie verspielt und angejazzt sich Alambic auch immer gibt. Die nachfolgende schnelle Valse musette und die später noch folgenden Reels mit netten Bassläufen und eingeworfenen Stromgitarren-Licks (der letzte der drei Reels ist "Mind the Gap" betitelt, einer von drei in der letzten Zeit verfassten Melodien mit diesem Titel, vgl. #26, #31), sowie ein mitreissender Cercle circassien, sind wahrscheinlich die Höhepunkte in der Straße der Sanduhren.
www.alambic.info
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Kasír "Chilling on a Sunday"
Label:
GO Folk; GO0810; 2010
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Rezension in dieser FW-Ausgabe
Mit ihrem Debütalbum musste die junge, dänische Band Kasír sich noch beweisen, dass sie reel Irish sind (FW#34), auf dem Nachfolgewerk nehmen sie es gelassener: Chilling on a Sunday. Was kann man Sonntags auch in einem lutherischen Land wie Dänemark anderes machen, in Ireland könnte man zumindest nach der Kirche den Pub aufsuchen. Dieses Trio bestehend aus Oisín Walsh (Bodhran), Rune Cygan Barslund (Akkordeon, Whistle) und Aske Fuglsang Ruhe (Gitarre, Gesang) lässt zumindest die Puppen tanzen: Rune dominiert abwechselnd mit Akkordeon und Whistle, sein Stil ist klar und ausdrucksvoll, die Gitarrenbegleitung ist einfallsreich, die Perkussion zurückhaltend. Dazu kommen Gastmusiker wie Geiger Andreas Tophøj (#38) und Kontrabassist Nicolaj Wamberg (Pørtners Komplot -> #42).
Das erste Tune-Set enthält zwei mir bislang unbekannte Melodien aus der Feder der schottischen Musiker Aidan O'Rourke (#39) und Kevin Henderson (#34), gefolgt von einem "Ridee", das Mike McGoldrick (#14) aufgenommen hat. Solas-Gitarrist Eamon McElholms ist für "Broad Walk" (#29) verantwortlich. Es folgt ein Song von Aske, "Haunted Bones", musikalisch ein Ritt von Dänemark bis Osteuropa, dass zwei Slow-Airs von Aske und Rune enthält. Dann geht's weiter mit Tanzmusik: mehr McGoldrick, Sylvain Barous "Funky Spider" (#32), Padraig Rynnes "Bye A While" (#32), Oisin McAuleys "Rumours of a Dart" (#33). Die Eigenkompositionen beinhalten einen Reel, der Runes polnischem Ur-Großvater gewidmet ist; ein weiter Song von Aske ist ein Rocksong in akustischen Rahmen, gewiss nicht keltisch, aber auch nicht völlig aus dem Kontext gerückt.
www.kasir.dk
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Juan Lorenzo "Flamenco de Concierto"
Label:
Felmay; fy 3013; 2010
Juan Lorenzo ist ein in Italien lebender Flamenco-Gitarrist spanischer Herkunft. Er hat in Sevilla studiert und ist seit zwanzig Jahren musikalisch unterwegs, als Sologitarrist, im Duo mit dem Gitarristen Flavio Sala, aber auch in Zusammenarbeit mit den Gypsy Kings und Jethro Tull. Sein aktuelles Album ist der Flamencomusik auf der Solo-Gitarre für ein Konzertpublikum gewidmet, oder wie der Spanier sagt: guitarra flamenca de concierto. Der Verlust der traditionellen Wurzeln im Tanz wird wettgemacht durch den Reichtum aus Jazz und Klassik (und die Eroberung von dessem Publikum). Juan stellt verschiedenen Flamencotypen vor - von Solea bis Fandango, darunter das bekannte "Impetu", eine Bulerias (die rhythmischste und bekannteste Flamenco-Form) von Mario Escudero. Außer zwei Stücken sind es allerdings allesamt Kompositionen von Juan. Sein Gitarrenspiel wird von Cajon und Händeklatschen unterstützt. Das Booklet dieser insgesamt sehr hörenswerten Produktion enthält einige wenige Informationen in englischer, italienischer und spanischer Sprache.
www.juanlorenzo.it
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Téada "Ceol & Cuimhne"
Label:
Gael Linn; CEFCD 195; 2010
Téada (FW#23, #29, #32), im vergangenen Jahr Best Young Traditional Act bei den Ireland's Music Awards (#41), ist eine in deutschen Gefilden noch mehr oder weniger unbekannte Band. Das ist eigentlich schade, denn kaum jemand in der traditionellen Irish-Music-Szene verbindet jugendliche Frische und Unbekümmertheit so sehr mit Authentizität und mit einem - ganz wertfrei gesehen - gewissen Purismus. Mastermind ist der Fiddler Oisín Mac Diarmada (#18, #23), dazu kommen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Akkordeonist Paul Finn, Flötist Damien Stensonl, Gitarrist Seán McElwain und Bodhránist Tristan Rosenstock, sowie Gäste wie die Harfenistin Gráinne Hambly (#40), Uilleann Piper Tommy Martin und Sean-nós-Stepptänzer Brian Cunningham.
"Ceol & Cuimhne", Musik und Erinnerung, enthält traditionelle Reels wie "Miss Cassidy's"; "All Around the Room" oder "Ballintra Lass", die allesamt bekannten Quellen und Sammlungen entnommen worden sind, von denen mir aber keine weiteren Aufnahmen bekannt sind. Versuchen wir uns einmal zu erinnern: den Jig "Bog of Allen" habe ich schon mal von Fiddler Michael J. Cashlin und Flötist Tom Doyle auf einer Schallplatte aus den zwanziger Jahren gehört. "Eanch Dhuin" taucht gelegentlich bei Pipe-Bands auf (#42). Wenn ich mich recht erinnere, wird "Bill the Weaver" von der Gruppe Beginish als Slide gespielt. Soviel nur zum zweiten Set von "Ceol & Cuimhne". Wie man hört und liest, vermeidet Téada ausgetretene Pfade. Ich erwähne hier nur noch den traditionellen "Poitin March", ein heiterer Marsch, klar, geht es doch um den Schwarzgebrannten. Etwas schneller gespielt, ergäbe er eine gute Polka, und in der Tat folgt darauf die "Devlin's Polka", einen der in Irland heimischen gewordenen, böhmischen Tänze. Die meisten Melodien sind traditionell, einige wenige Kompositionen stammen von Klassikern wie Ed Reavy, Paddy O'Brien und Paddy Fahy. Gespielt wird dies geradeheraus ohne Tricks und Gimmicks. Eben einfach traditionell und gut.
www.teada.com
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Gasslspieler Trio "Lieder und Tänze I"
Label: Eigenverlag; 2010
Das niederösterreichische Gasslspieler Trio ist eine Formation bestehend aus dem Ballycotton-Perkussionisten Harald Binder (FW#41), dem Dudelsack- und Akordeonspieler Matthias Ihrybauer und dem Sänger und Gitarristen Andreas Neumeister. (Zur erweiterten, mittelalterlich aufspielenden Besetzung gehören noch Ballycotton-Geigerin Christina Gaismeier sowie Lauten- und Drehleier-Spieler Stefan Reisenzahn. Letzterer hat nicht nur die Gasslspieler begründet, sondern versorgt sie auch mit seinen selbstgefertigten Instrumenten.) Als Trio haben sie sich dem deutschsprachigen Volkslied verschrieben. Da sie aus dem Raum St. Pölten stammen, ist der Beginn logischerweise "Die Bauern von St. Pölten", die eine Bauernhochzeit im 17. Jahrhundert zum Inhalt hat. Zupfgeigenhansel hat das Lied auf ihrer ersten Volkslieder-Platte aufgenommen (1976). Die anderen Lieder sind auch, vielleicht sogar eher, nördlich der Donau bekannt: "Die Brombeeren" ist bekannt von Deitsch (#31, #41), und natürlich auch von den Zupfis (Volkslieder II, 1977). Das von Felicitas Kuckuck 1914 ergänzte Volkslied "Die Brücke über den Main" wird in einer schönen folkigen Version gespielt, im Gegensatz etwa zu der aufgepoppten, aber leicht überspannten Variante von Schöneweile (#32). "Die dunkle Wolk" ist eindringlich, aber folkig-schön und eindringlich, im Gegensatz zu der depressiv-eindringlichen Version von Bobo (#33). Letztes Lied ist "Mein Michl", der Abgesang auf den Hurra-Patriotismus von 1919; traditionell trifft aber nur für den Text zu, die Melodie stammt von den Zupfis Thomas Friz (#39) und Erich Schmeckenbecher (#41). Andreas singt mit angenehmer Stimme. Dank der einfachen, aber lauschigen Arrangements klingen die Lieder überhaupt nicht abgedroschen, sondern erklingen in neuer Frische. Außerdem gibt es noch drei Instrumentalstücke zum Tanzen: der selbstverfasste Ihrybauer und aus traditioneller Feder die "Schleunige Bouree" und den "Italienischen Schottisch".
www.gasslspieler.at
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"Drehleier spielen lernen" [DVD Video]
Label: Eigenverlag; 2010
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Rezension in dieser FW-Ausgabe
Als
Ina Lemm das Drehleierspiel erlernen wollte, gab es keine Lektüre, die alle Fragen beantworten konnte, und keine konnte zeigen, was man tun sollte. Also musste sie es sich autodidaktisch beibringen. Aus dieser Erfahrung ist die Lehr-DVD entstanden und künftige Generationen sollten es einfacher haben. In einfachen Videobildern im romantischen Ambiente des Schlosses Veldenz aus dem 12. Jahrhundert gefilmt, macht mir Ina Lemm zunächst einmal klar, dass die Drehleier kein Instrument für Ruhelose oder Menschen mit zwei linken Händen ist. Kapitel 1 der DVD ist kurz der Geschichte des Instruments gewidmet. Drehleierbauer Kurt Reichmann erläutert die mittelalterlichen Ursprünge und gibt einen Abriss über die Renaissance bis zur Schäfermusik des 18. Jahrhunderts. Es wird auf die Teile der Drehleier als auch die Stimmung eingegangen (hier: Deutsche Stimmung in G). In Kapitel 2 geht es medias in res und die Grundlagen wie Stimmen, Wattieren der Saiten, die Benutzung von Kolophonium und die Einstellung der Schnarre werden demonstriert. Kapitel 3 ist eine Spielschule: Melodiespiel, Fingersätze, Techniken der linken Hand. Der Schnarrtechnik zur rhythmischen Untermalung ist ein eigenes, viertes Kapitel gewidmet. Die Spielbeispiele sind einfachen bis mittleren Schwierigkeitsgrades, teilweise zweistimmig gesetzt und vorgeführt: "Danza de Caminho", "Fuggerin-Tanz", "Moriskentanz, "Eriesee-Walzer". Das Bonusmaterial beinhaltet Tipps zum Kauf und Dinge, die man unbedingt vermeiden sollte. Die leicht verständliche DVD ist sowohl mit deutscher als auch englischer Tonspur erhältlich, ein pdf-Dokument enthält zusätzliches Material.
www.drehleier-musik.de, www.hurdy-gurdy-music.com
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The Outside Track "Curious Things Given Wings"
Label: Lorimer Records; LORRCD02; 2010
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Rezension in dieser FW-Ausgabe
The Outside Track (FW#34, #38) haben sich einst nach dem ersten Lied benannt, das sie gespielt haben. Es wurde nie aufgenommen und ist längst aus dem Repertoire verschwunden. Die lose Formation von der Universität Limerick wurde zusammengeschweisst und hat sich eine klarere Identität verpasst. Dazu musste es die üblichen Line-up-Veränderungen geben: Mairi Rankin aus Cape Breton hat die englische Fiddlerin Tricia Clarke ersetzt, der irische Gitarrist Cillian O'Dalaigh Alan Jordan. Geblieben sind die aus der Olympiastadt Vancouver stammende Flötistin und Sängerin Norah Rendell, die schottische Akkordeonistin Fiona Black, sowie die schottische Harfenistin Ailie Robertson.
Norah Rendell ist das gesangliche Aushängeschild: "Curious Things Given Wings" startet mit dem traditionellen Lied "Turkish Revery", der mir bislang noch nicht begegnet ist. Schade, wer hat uns den solange vorenthalten? Das Booklet sagt, Norah habe es von Daithi Sproule (#36) gelernt, der es wiederum von einer Burl-Ives-LP seiner Mutter habe. Es folgt das instrumentale "Le Voyage" aus der Feder des französisch-kanadischen Akkordeonisten Eric St-Pierre, sowie das traditionelle, nordamerikanische "Silvy Silvy". Das nächste Tune-Set führt endlich auf vertrautes Gebiet, Frankie Gavins Jig "Doberman's Wallet". Ich will hier nicht alle Tracks durchkauen, die meisten Melodien sind eher unbekannt. Ausnahmen von der Regel sind Jerry Hollands "Malcolm's New Fiddle", gerade auch von Rua MacMillan aufgenommen (siehe oben), und John Faulkners "Joe Tom's Reel", das auch auf der neuen Lunasa-CD zu finden ist (#42). Abgerundet wird dies von einigen wenigen Originalkompositionen. Die "Jubilee Polka" wurde nach der Celtic Ladies Jubilee Tour (#38) geschrieben; und es wurde Zeit, dass endlich mal jemand einen Tune für "Crusty the Clown" verfasst. Die Auswahl der Instrumentalstücke und der hier nicht weiter diskutierten Lieder ist äußerst interessant. Die Arrangements sind einfallsreich und die Ausführung makellos. Keltische Musik - voller Energie und Virtuosität.
www.theoutsidetrack.com
Walkin' T:-)M


Solas "The Turning Tide"
Label:
Compass Records; 7 4530 2; 2010
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Rezension in dieser FW-Ausgabe
Ich nehme es gleich vorweg: Solas (FW#32, #37) hat es wieder mal geschafft und allen Kritikern eine lange Nase gezeigt. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass die Magie der Anfangszeit längst durch Professionalität ersetzt wurde. Auch nicht dadurch, dass die Sängerin Máiréad Phelan auf ihrem zweiten Solas-Album im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Deirdre Scanlan meint, eher Hauchen denn Singen zu müssen. Die Hälfte der dutzend Titel von "The Turning Tide" sind Lieder: Richard Thompsons "The Ditching Boy", Josh Ritters "A Girl in the War", Springsteens "Ghost of Tom Joad" und Karine Polwarts "Sorry" deuten auf zunehmende politische und soziale Aufmerksamkeit (ohne mit dem großen Zeigefinger zu deuten). Einzig das traditionellen "Sailor's Life" und das gälische "Sadhbh ni Bhruineallaigh" (vgl. Anne Wylie -> #37) sind direkt dem irisch-britischen Folk-Katalog entnommen. Leider werden uns die Texte vorenthalten, sowie überhaupt ein Booklet.
Das melodiöse Trio bestehend aus Seamus Egan (Banjo, Flöte), Mick McAuley (Akkordeon) und Winnie Horan (Geige) und unterstützt von Gitarrist Eamon McElholm gibt die andere CD-Hälfte vor. Von den sechs Instrumental-Titeln bestehen fünf nur aus einer einzigen Melodie, die ausgeklügelte Arrangements lassen das aber leicht überhören. Seamus Egan hat "Hugo's Big Reel" verfasst, wobei ich fast sagen würde, gut zusammengeklaut, denn hat man das nicht schon mal gehört? Winifred Horan steuert einen sehr schönen Walzer bei. Es gibt also nur einen einzigen Set aus mehreren Tunes, der aus Eamon McElholms "Crows of Killimer" und dem traditionellen "Boys of Malin" besteht. Wie auf den vergangenen Alben wird das Quintett von Bass und Perkussion unterstützt (worauf ich gut verzichten könnte), sowie dieses Mal von der Harfenistin Catriona McKay (#39).
www.solasmusic.com
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Annbjørg Lien & Bjørn Ole Rasch "Come Home"
Label:
Heilo; HCD 7244; 2009
Die Geschichte geht ungefähr so: anno 1998 trat die norwegische Band Bukkene Bruse (FW#30) auf der Womex in Stockholm auf. Im Publikum saß (der 2006 verstorbene) Halvard Kvåle, der anschließend zu Bjørn Ole Rasch sagte, er solle endlich seinen Synthesizer auf den Müll schmeißen und sich ein vernünftiges Harmonium anschaffen. Damit sich Bjørn Ole gar nicht erst rausreden kann, besorgt Halvard ihm gleich am nächsten Tag ein Instrument. Der Rest ist Geschichte. Auf "Come Home" widmet sich Bjørn Ole nun zusammen mit seiner Bukkene-Bruse-Kollegin Annbjørg Lien (#13, #29, #36) dem Zusammenspiel von Harmonium und Annbjørgs Streichinstrumenten: Geige, Hardangerfiedel und Nyckelharpa. "Come Home" beginnt mit einer Eigenkomposiion, einer von insgesamt sieben Stücke von Bjørn Ole und Annbjørg, von denen "The Old Car" und "Januar" bereits auf älteren CDs erschienen sind. Der Titel "Funk Trunk" weist schon darauf hin, dass sich beide nicht scheuen, in neue Gebiete vorzustoßen und das Alte mit dem Neuen, die Tradition mit der Moderne zu verschmelzen. Beide bleiben aber nahe der Heimat: das traditionelle "Kjempe Jo" (Jo, der Riese) wird die Fans von Annbjørgs eher traditionellem Geigenspiel erfreuen, genauso wie die noch später folgenden zwei Melodien von Hans W. Brimi (#6) "Tusshallingen" (Der Kobold-Halling) und "Tusseliten" (Der kleine Kobold), sowie das einzige andere traditionelle Stück auf der Scheibe, das amerikanische Old-Time-Stück "The Buckin' Mule", erlernt von Bruce Molsky (#32). Track #3 ist wahrscheinlich die größte Überraschung: Annbjørg singt das traditionelle Lied "Kom Heim", das auch den Albumtitel geliefert hat. Es bleibt das einzige Lied auf diesem gleichzeitig expressiven und doch zurückhaltenden und intimen Album.
www.annbjorglien.com, www.bjornolerasch.com
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Chasing Gravity "Autumn in the Platinum Desert"
Label: Own label; GRAV001; 2008
Chasing Gravity ist eine Rockband, die 2003 im australischen Brisbane unter dem Namen Elephant Mojo gegründet wurde. Nach einigen Singles und EPs wurde das Debütalbum "Autumn in the Platinum Desert" erst 2008 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt war man längst nach Melbourne abgewandert und nannte sich Chasing Gravity. Auf ihrer EP "Cool in America" aus dem Jahre 2006 beklagte sich die Band, dass die australische Kultur nur eine Imitation der amerikanischen sei. Man könnte sich nun fragen, was an der Musik von Chasing Gravity denn nun so originell und australisch sei, wenn die Jungs um Sänger Peter Thornley nicht so ein ausgezeichnetes Album vorgelegt hätten, so dass ich weder kleinlich sein noch kleinreden will. Melodischer und energetischer Gitarren-Rock mit der Eindringlichkeit von Pearl Jam, vielleicht ein wenig fröhlicher, aber das mag täuschen. Titel wie "Schitzofrantic" sprechen da eine andere Sprache, und wer will schon seinen Herbst in einer Platinwüste verbringen. Anspieltipp: Track #2 "Bright Lights", eine veritable Rockhymne.
www.myspace.com/chasinggravity
Walkin' T:-)M


Diknu Schneeberger Trio "The Spirit of Django"
Label:
City Park Records/Jive Music; Cipa-3027-2; 2010
Das Foto hinten auf dem Cover zeigt das Diknu Schneeberger Trio bei einem Auftritt im Stamm-Cafe in Stammersdorf. Das weckt nette Erinnerungen, leider soll es das Jazz-Beisl am Stadtrand von Wien nicht mehr geben. So manche Wiener Jazzgröße trat hier zum Jazzbrunch auf, so auch der blutjunge Gypsy-Gitarrist Diknu Schneeberger, Jahrgang 1990, aber ein Ausnahmetalent, der eine virtuose Technik mit innigstem musikalischen Gefühl verbindet. Unglaublicherweise hat er erst vor sechs Jahren eine Gitarre von seinem Vater geschenkt bekommen und begonnen, Jazzgitarre zu lernen. 2006 gründet Diknu als Lead-Gitarrist zusammen mit Martin Spitzer an der Rhythmusgitarre und seinem Vater Joschi Schneeberger am Kontrabass das Diknu Schneeberger Trio, um Gipsy-Swing und Sinti-Jazz im Geiste Django Reinhardts zu spielen (FW#41, #41). Die Jazzlegende wäre am 23. Januar 2010 hundert Jahre alt geworden, passend dazu erscheint die zweite CD des Trios: "The Spirit Of Django". Von den 14 Titeln stammen 5 Kompositionen direkt von Django, weitere von Gitarristen wie Lulu Reinhardt, Tchan Tchou Vidal und Häns'che Weiss. Die CD beginnt allerdings mit einer Eigenkomposition Diknus, "First Love", einer gefühlvollen, spanisch angehauchten Liebeserklärung, und man fragt sich unwillkürlich, ob da eine junge Dame oder nicht doch eine alte Gitarre gemeint ist. Hier und da ein Blues verbreitet "The Spirit of Django" - spieltechnisch auf dem höchstem Niveau, von Originalsolos zu eigenen Improvisationen wechselnd - aber vor allem gute Laune. Eine perfekte Untermalung für laue Sommerabende.
www.diknuschneeberger.com
Walkin' T:-)M


Folkstone "Damnati ad metalla"
Label:
Fuel Records; FUEL 520; 2010
"Damnati ad metalla" ist das zweite Album der acht Mittelalter-Rocker aus dem norditalienischen Bergamo, die sich den etwas unglücklichen Namen Folkstone gegeben haben. Unglücklich deshalb, weil die 2005 gegründete Formation zum einen selbstverfasste Lieder auf Italienisch singt und zum anderen überhaupt nicht folkig ist, sondern harten Mittelalter-Metal spielen. Die Band lässt sich klanglich mit den deutschen In Extremo (FW#39) vergleichen: verschiedene Sackpfeifen (wie das charakteristische lokale Instrument namens baghèt), die bretonische Bombarde und die keltische Harfe treten in Wettstreit mit harten Stromgitarren-Riffs, polterndem Schlagzeug und den rauhen Gesang des Signore Lorenzo. Das Ganze ist eingängig, auf recht hohem Niveau und durchaus abwechslungsreich: Mit "Vanita di vanita" covert das Oketett ein Stück aus der Feder von Angelo Branduardi (#41), die Melodie kommt einem bekannt vor. Auf dem Opener "Ol bal di oss" und dem ebenfalls instrumentalen "Luppulus In Fabula" sind nur Dudelsack und Schlagwerk zu hören, das das Album abschließende "Rocce Nere" wird accapella mit einem Chor gesungen.
www.folkstone.it
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Gráinne Murphy "Short Stories"
Label: Own label; GRA010; 2010
Siehe auch die englischsprachige
Rezension in dieser FW-Ausgabe
Gráinne Murphy aus Boston, Massachusetts, hat irische Musik schon in ihrer Muttermilch verabreicht bekommen. (Es gäbe da Gechichten zu erzählen, aber die sind nicht kurz genug, um hier Platz zu finden.) Ihre erste Geige erhielt sie im Alter von vier Jahren und heute ist sie eine immer noch junge, aber höchst talentierte Fiddlerin in der irischen Tradition. Die 13 Titel ihres Debütalbums "Short Stories" beginnen mit einem lebhaften und außergewöhnlichen Reel, "Tree Gap", den Gráinne zusammen mit dem Akkordeonisten John Redmond komponiert hat. Anschließend folgt Charlie Lennons "Mountain Dew" (#34). Ihr Fiddlespiel wird unterstützt von Alan Murrays Guitarre und Anna Collitons Bodhran. Das zweite Medley besteht aus drei bekannten Slip-Jigs aus der O'Neill-Sammlung, die aber nicht alle in der originalen Tonart gespielt werden. Isaac Alderson greift dabei mit der Flöte ein. Weitere Musiker sind Donal Clancy (Gitarre, Bouzouki), Marta Cook (Harfe) und eben John Redmond (Akkordeon).
Die mehr oder weniger bekannten Melodien sind lebhaft, werden aber mit zivilisierter Geschwindigkeit gespielt. Interessant fand ich folgendes Medley: Gavin Marwicks Jig "Sky City", gefolgt von "Blow My Chanter", einer Komposition des verstorbenen schottischen Pipers Gordon Duncan (#31), und Sebastien Parents "Douce Amelia" (La Volee d'Castors -> #26). Auch Gráinne hat einen Jig geschrieben, "Misbegotten Grandchild", der alles andere als scheußlich ist. Sie spielt zudem eine Donegal-Version des populären Reels "Farewell to Erin/Ireland", den sie in Folge in einen Jig verwandelt ("Farewell to Carolina"). Das ist nicht nur mal ein interessanter Rhythmuswechsel, es funktioniert, weil der Reel hier eher ein feierlicher Abschied ist (wie es zu erwarten wäre) und nicht in dem Affenzahn gespielt wird, wie man es sonst kennt. (Irland muss schon ein trostloses Pflaster sein, wenn man es so hastig hinter sich lässt ...) Richtig ruhig wird es bei Gráinne aber auch nicht, der Slow-Reel "Through the Woods" ist das Besinnlichste, was wir da vorgetragen bekommen.
www.grainnemurphy.com
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Brandan "Manu Scriptum"
Label: UAM/Rockwerk; 2010
Brandan ist der irische Heilige des 5./6. Jahrhunderts, der den Atlantik in einem Segelboot überquert haben will. Er hat seinen Namen nicht einer Irish-Folk-Band verpasst (auch wenn der Großteil dieser Leipziger Musiker zweifelsohne von dieser Musikrichtung herstammt), sondern Brandan beschäftigt sich mit den literarischen Hinterlassenschaften des Mittelalters, des gesamt-europäischen versteht sich. Sängerin Juliane Weinelt, Studentin mittelalterlicher Literatur in Leipzig und Dublin, hat sich in den Archiven umgetan: "Manu Scriptum" startet mit "Como Poden Per Sas Culpas", einem Text und einer Melodie aus der spanischen Liedersammlung "Cantigas de Santa Maria" Alfonsos X. aus dem 13. Jahrhundert, dem später noch zwei weitere Titel - nicht aus den Cantigas, aber demselben Sprach- und Zeitraum - folgen sollen. Dies ist im übrigen neben einem Stück aus der Feder Hildegards von Bingen ("O Eterne Deus") die einzige originale Melodie aus dem Mittelalter, die restliche Musik hat die Band komponiert, was man kaum bemerkt hätte. Zunächst geht es aber erstmal nach Irland weiter mit einem altirischen Text aus dem 9. Jhd., auch hier gibt es später noch ein weiteres Stück. Es folgen Vertonungen von mittelalterlichen Texten aus dem angelsächsischem Britannien (Beowulf-Epos), Island, Frankreich, aber auch dem deutschem Sprachraum (Nibelungenlied, Eneas-Roman). Das Booklet enthält die meisten Texten und teilweise Übersetzungen. Das Klangbild ist erfrischend anders, der Band geht es um musikalische Qualität und nicht die große Show zu machen. Es beginnt zunächt ganz harmlos mit Flöten und Geigen, aber später schleicht sich ein jazziges Saxophon herein und Siegfried wird von seiner Liebesqual zu den Klängen der Sitar erlöst. Brandan vermeidet viele Klischees und wird damit selten langweilig.
Mittelalter einmal anders, nicht vergangenheits- sondern zukunftsorientiert. Es fällt mir jetzt schon leicht zu prophezeien, dass dies eine der stärksten Veröffentlichungen des Jahres 2010 aus deutschen Landen sein wird.
www.brandan-band.de
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Wiener Tschuschenkapelle "Haus am Wasser"
Label: Tschuschenton; 004; 2010
In zwanzig Jahren und mit einem guten dutzend Alben ist es der Wiener Tschuschenkapelle um Slavko Ninić gelungen, Wien und dem Erdkreis die ungeraden Takte und die slawische Seele näherzubringen (FW#6, #21, #28, #35, #40, #41). Die Tschuschen haben Tanzmusik gemacht und wein-selige Lieder gesungen, die dem Wienerlied näher stehen als dem trendigen Balkanbeat. Das Klangbild war immer eingängig, durchaus kommerziell, vielleicht sogar Mainstream, aber nicht so seicht und platt wie ein Goran Bregovic beim Eurochanson. Die Besetzung der Kapelle hat sich des öfteren geändert, zur Zeit wirken neben Slavkos Gesang und Gitarrenspiel Mitke Šarlandžiev (Akkordeon), Maria Petrova (Schlagzeug), Jovan Torbica (Kontrabass) und Hidan Mamudov (Klarinette) mit. Das neue Tschuschen-Opus beginnt mit einem flotten "Kolo", dem Arik Brauers vor vier Jahrzehnten verfasstes "Wie a Hund" folgt, dessen Text auch den Albumtitel geliefert hat: Kommt das Geld als wie a Wasser, wird die Welt auf einmal so rund, kauf ich mir a Haus am Wasser und bin lustig ohne Grund. Gesungen von Slavko und dem österreichischen Akkordeonisten Otto Lechner (#32) kann man dies auch als Augenzwinkern Richtung der Gastgebermetropole an der schönen blauen Donau interpretieren. Nach der bekannten Roma-Hymne "Opa cupa" folgen weitere das Herz zereissende Melodien und Texte vom Balkan, aus Osteuropa und dem östlichen Mittelmeerraum.
Auch wenn das Haus am Wasser gebaut ist, das der Wiener Tschuschenkapelle hat feste Mauern und Fundamente, die länger stehen werden als Hinterholz 8. An den schönen Ausblick auf das Wasser gar nicht erst zu denken.
www.tschuschenkapelle.at
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Jeff & Vida "Selma Chalk"
Label: Rosebank Records; 2009
Selma Chalk ist eine Verunreinigung, die man in den fruchtbarsten und ertragreichsten Böden des amerikanischen Südens findet, und irgendwie ist das auch eine hervorragende Metapher für das, was uns Jeff Burke und Vida Wakeman auf ihrem aktuellen Album darbieten. Das Trio hat sich 1997 in New York City kennengelernt, eine Kalifornierin, die in Deutschland aufgewachsen ist, und ein Junge aus New Jersey. Schon bald verließ man die Metropole, um nach New Orleans zu ziehen, dass man nach dem Hurricane Katrina mit Nashville vertauschte. All das hat seine Spuren in ihrer Musik hinterlassen: Folkmusik, Cajun, Blues, Rock, Alt-Country. Dennoch ist traditioneller Bluegrass die Basis ihres Sounds. Die 13 Titel auf "Selma Chalk" sind zur Gänze von Vida; originelle Texte, die eher dem Singer-Songwriter-Genre entstammen. Stilistisch von Hardcore-Bluegrass bis zu folkigen und bluesigen Songs lassen sich möglicherweise auch unerbittliche Opponenten des high lonesome sound überzeugen. Vida besitzt eine einzigartige Stimme, die man nicht mit den überkommenen Bluegrass-Vocalisten vergleichen kann. Jeff steuert die bittersüßen Harmonien dazu bei, und natürlich sein virtuoses Mandolinenspiel. "Selma Chalk" ist aber kein Duo-Album, sondern bietet zum Sextett erweitert das charakteristische Bluegrass-Instrumentarium und mehr: Jake Schepps (Banjo), Justin Hoffenberg (Fiddle), Greg Schochet (Gitarre, Bouzouki), Will Downes (Bass).
Deutsche Bluegrass-Fans werden die Gelegenheit haben, das Duo live und in Farbe zu erleben, wenn im Dezember zum zweiten Mal das Bluegrass Jamboree über deutsche Bühnen geht.
www.jeffandvida.com
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Various Artists "5 Jahre Folk'n'Fusion"
Label:
Flowfish Records; FF 0017; 2009
Im Herbst 2005 wurde mehr oder weniger spontan von Musikern und Musikerinnen des Trillke Trios (FW#34) und Selamat Jalans (#32) ein Tanztag im Hildesheimer Wohn- und Kulturprojekt Trillke Gut veranstaltet. Die Resonanz war so gut, dass daraus unter dem Titel Folk'n'Fusion (FW#38) ein jährliches, dreitägiges Festival entstanden ist. Es treten lokale wie überregionale Künstler auf, die miteinander verbindet, dass sie nicht nur traditionelle Klänge mit aktuellen Musikstilen verbinden, sondern auch die Mauern zwischen den Kulturen einreissen. Neben den Konzerten gibt es Workshops, ein Kinderprogramm und Sessions und Tanz drei Tage und Nächte lang.
Der Sampler "5 Jahre Folk'n'Fusion" ist eine für Genrefans ausgezeichnete Kompilation mit 21 Stücken von 21 Bands, die in fünf Jahren auf dem Festival aufgetreten sind. Eine musikalische Reise geographisch von Westeuropa bis nach Indien, zeitlich von traditionellem Klezmer bis Jazz, Funk und Balkanbeat. Eine Warnung nur: es handelt sich nicht um Live-Aufnahmen von den Festivals, sondern um eine Zusammenstellung von vorhandenen Studioaufnahmen. Unter anderem sind dabei: Äl Jawala [#39], Indigo Masala [#36], A Glezele Vayn [#34] (mit ihrem wunderbaren Lied über den Klarinettenhass), Dr. Bajan [#33], Dikanda [#41], Nomad Soundsystem [#34], Iva Nova [#33], Geoff Berner [#41], um nur einige der auf diesem Sampler vertretenen Künstler zu nennen.
Das nächste Folk'n'Fusion Festival wird vom 29.-31. Oktober 2010 auf dem Hildesheimer Trillke-Gut stattfinden!
www.folknfusion.de
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Phønix "20"
Label:
GO Folk; GO0710; 2010
Die Zeit eilt wirklich in Windeseile voran. Gruppen, die wir immer noch als jugendlich empfinden, sind in Wirklichkeit schon eine halbe Ewigkeit am Start, während sich bereits eine neue Generation von Musikern auf den Weg macht. Eine dieser etablierten Bands, die dänische Gruppe Phønix (FW#39), begeht doch tatsächlich schon ihr zwanzigjähriges Jubiläum. Gegründet wurde die Band 1990 als traditionelle Tanzgruppe Folkemusikgruppen Fritterne. Nur wenige Jahre später entstand aus der Asche ein neuer Sound mit eigenen Kompositionen. Das sechste Album "Folk" (#35) räumte 2008 in unserem Nachbarland als bestes traditionelles Album und mit der besten Sängerin ab. Ja, nun gehörte auch Gesang dazu. Sängerin ist seit 2001 Karen Mose, und neben den Gründungsmitgliedern Jesper Vinther (Akordeon) und Anja Præst (Klarinette) gehört noch Perkussionist Jesper Falch zum heutigen Line-up. Erwähnen sollte man noch, dass auch Geiger Harald Haugaard (#40) und Kristine Heebøll (#38) einmal Phønix angehört haben. Phønix feiern das freudige Ereignis mit einem Greatest-Hits-Album. Gottseidank bedeutet etabliert nicht notwendigerweise langeweilig und lustlos. Das Quartett klingt immer noch frisch wie am ersten Tag. Die siebte Einspielung von Phønix ist ein guter Einstieg für all diejenigen, die bislang noch nichts von der Band gehört haben, für alte Phønix-Fans gibt es immerhin drei bislang noch nicht veröffentlichte Titel, einer aus dem Jahre 2000 (Gesang von Louise Høegh) und zwei aus dem vergangenen Jahr, sowie die Zuversicht, dass es die dänische Gruppe wohl noch eine Weile geben wird.
www.phonixfolk.dk
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Hubert von Goisern "Goisern Goes West - Hafenfest 09" [DVD Video]
Label:
Sony Music/Lawine; 88697673149; 2010; ca. 198 min
Goiserer nennt man im Volksmund in Bad Goisern seit dem 19. Jahrhundert hergestellte Wanderschuhe. Der Hof Kaiser Franz Josefs trug das Schuhwerk in die ganze Welt. Ein anderer Goiserer, der Goiserer Hubert (FW#39, #39), wandert auf einer musikalischen Mission um fast den ganzen Globus. Seine Fusion von Tradition und Moderne ist wie der Bergschuh viel geschmeidiger als die steife Tradition und hat ihm bei seinen Abenteuern bislang immer Trittsicherheit und Rutschfestigkeit garantiert.
Als Botschafter der Kulturhauptstadt Linz 2009 schiffte sich Hubert von Goisern mit seiner Bands und den Mädels von Ganes (#42) nach der Donaureise Richtung Osten (#37) von Oberösterreich Richtung Nordwesten ein. Vier halbstündige Filme begleiten die Mannschaft auf den Stationen Obermühl, Deggendorf, Offenbach, Mainz, Heilbronn, Rotterdam und Köln. Sie kämpfen mit Naturgewalten, Gesundheitsproblemen und denselben bürokratischen Problemen wie im Osten Europas. Bavaria oder Bulgaria, kein Unterschied. Konstantin Wecker (#37), Xavier Naddo (Söhne Mannheims), Klaus Doldinger, Marie Daulne (Zap Mama) und Wolfgang Niedecken (BAP -> #42) kommen an Bord, um mit Hubert zu jammen. Der Abschluss der Fahrt ist das Linzer Hafenfest vom 3.-5. Juli 2009 (#40), bei dem neben den genannten Künstlern auch Willi Resetarits (#40), Zdob si zdub (#36) und Haydamaky (#36) auftraten. Ergänzt wird die Dokumentation auf der DVD durch fünf ungekürzte Musiktitel.
www.hubertvongoisern.com
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Lyapis Trubetskoy "Agitpop"
Label:
Eastblok Music; EBM 019; 2010
Ja, auch aus Weissrussland kann vernünftige Musik kommen und nicht immer nur dieser Euro-vision-chanson-wahnsinn, und bei Lyapis Trubetskoy bleibt uns außerdem noch Gogol Bordellos (FW#36) Pidgin-English erspart. Ende der neunziger Jahre wurden die Lieder der belarussischen Rockband in Radio und TV hoch und runter gespielt. Frontmann Sergey Mikhalok erinnert sich noch mit Grausen daran: Wir wurden populär mit Parodien auf die Popkultur. Eines Tages merkte ich, dass unsere Gruppe gar nicht anders war als die Objekte unseres Spottes. In der Tat sind die Hits von damals noch immer Favoriten bei russischen Karaoke-Shows. Lyapis Trubetskoy beschlossen jedoch, wieder Musik zu machen, die sie selbst mögen: Texte, die emotional etwas auslösen, Satire, die Biss hat, Musik zwischen Ska und Punk, schweren Powerchords und heißen Bläsersätzen. Die Lieder der Kompilation "Agitpop" sind der Alben-Trilogie "Капитал" (Capital, 2007), "Manifest" (Manifesto, 2008) und "Культпросвет" (Kultprosvet, 2009) entnommen, um die Band im Westen bekanntzumachen. Ein Erfolg wäre zu wünschen. Die - gelinde gesagt - etwas seltsamen Texte (siehe: eastblok.de) bewegen sich zwischen den beiden Polen Ironie und Gesellschaftskritik: Gojko Mitic wurde besiegt, Modern Talking und Scooter. Die DDR-Indianer wurden zur Geisel des Computers. Der Rock’n’Roll wurde begraben, Manowar und Kreator. Die DDR-Indianer als Geisel von Terminator. Der weissrussischen Gruppe Wahlmanifest ist: ein Fass Wodka an jeder Ecke, ein kostenloser Joint für Frauen und Kinder. Im Rathaus werden Prostituierte wohnen, kostenloser Empfang rund um die Uhr. Die Armee entlassen wir, anstelle des 1. Kanals gibt es Boxen und Basketball ...
www.lyapis.com
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Anxo Lorenzo "Tirán"
Label:
Zouma Records; ZRCD061; 2010
Siehe auch die englischsprachige
Rezension in dieser FW-Ausgabe
Der aus dem spanischen Galizien stammende Dudelsackspieler Anxo Lorenzo ist seit Jahren Gastmusiker bei Ainslie bis Xarabal. Jetzt erst erscheint sein Debütalbum, benannt nach seinem Heimatort an der galizischen Atlantikküste. Anxo ist ein virtuoser Spieler der Gaita Galega, als auch einfühlsamer und expressiver Whistler. Wie andere galizische Piper fusioniert er die eigene keltische Tradition mit Einflüssen aus Jazz und Rock. Auch ein gewisser irisch-keltischer Einfluss ist zu bemerken (vgl. Carlos Nunez -> #38), was sicherlich nicht nur seinem Bandfiddler Eoghan Neff geschuldet ist (#27). Weitere Instrumente sind: Bouzouki, Kontrabass und diverse Perkussionsinstrumente. Das Album "Tirán" beinhaltet zwei Eigenkompositionen Anxos, eine davon inkorporiert den irischen "Calico Reel". Des weiteren hat sich Anxo u.a. Adam Sutherlands (Peatbog Faeries -> #40) "Road to Errogie" angenommmen, Diarmuid Moynihans "Ivory Lady", dem venezuelanischen Walzer "La Partida", galizischen Polkas, Milladoiros "A bruxa" (auch von Solas eingespielt auf einem ihrer älteren Alben) und den "Aires de Pontevedra", Galiziens bekannteste Melodie dank Aufnahmen von Carlos Nunez (#16), Lunasa (#21) und vielen anderen. Letzteres in einer indisch angehauchten Version. "Tirán" ist eben auch nur ein globales Dorf.
www.anxolorenzo.com
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Dàimh "Diversions"
Label:
Greentrax; CDTRAX343; 2010
Gabe McVarish "Eclection"
Label: Greentrax; CDTRAX348; 12 tracks; 57 min
Siehe auch die englischsprachige
Rezension in dieser FW-Ausgabe
Das Quintett Dàimh feiert musikalisch die Verwandtschaft (das bedeutet der gälische Bandname) zwischen Schottland und der schottischen Diaspora auf der anderen Seite des Atlantiks. Die 1998 gegründete Band aus Lochaber in den westlichen Highlands war ursprünglich für seine nach vorne gehende Instrumentalmusik bekannt: Pipes (Angus MacKenzie) und Fiddle (Gabe McVarish) werden von Saiten und Perkussion vorangetrieben (Colm O'Rua, Ross Martin und James Bremner). Seit dem letzten Album "Crossing Point" (FW#34) verfügen sie mit Calum Alex MacMillan von der Isle of Lewis über einen fesselnden Vokalisten mit samtweicher Stimme. Die elf Titel beinhalten allein sechs gälische Lieder, von denen ich zuvor noch nichts gehört habe (glaube ich zumindest): Allan Hendersons Liebeslied "An Caol Loch Eilt" ist das einzige nicht-traditionelle Stück, "Sporan Dhomhnaill" über Donalds leeren (Geld)Sack das einzige humoristische, aber nicht besonders optimistische Liedchen. Der Rest ist tragisch: in "Mo Mhaili Bheag Og" tötet ein junger Soldat sein Liebchen, auch in "'S Dubh Choisich mi'n Oidhche" und "Nan ceadaicheadh an tide dhomh" gibt es tote Frauen, und "He 'm eille 's na ho ro " ist über die Schlacht von Culloden. Für die des Gälischen unkundigen Hörer sind zwar weder Texte noch Übersetzungen zu finden, dafür aber Symbole, die den jeweiligen Gehalt des Liedes an Getränken, Liebe, Krieg und Tod feststellen. Nette Idee. Die Arrangements hingegen sind kurzweilig. So auch die übrigen fünf Instrumental-Sets: traditionelle und neuere Jigs und Reels und der gelegentliche Strathspey. Bei Niall Vallelys "Malfunction Junction" (#24) und Maurice Lennons "Stone of Destiny" (gerade erst von John McSherry eingespielt, siehe #42) helfen Niall and Caoimhin (Buille -> #34) mit Konzertina und Klavier aus. Weitere musikalische Gäste sind Capercaillies Donald Shaw (Tasten -> #36), Iain MacDonald (Flöte -> #24) und Norrie McIver (Gesang).
Dàimhs Geiger Gabe McVarish ist ein gebürtiger Nordkalifornier und gibt auf seinem Soloalbum "Eclection" Fiddlestyles beiderseits des Atlantiks zum Besten. Er spielt eben eklektisch, setzt, ohne die Traditionen zu verraten, Elemente neu zusammen. Nicht unschöpferisch, das Album ist über weite Teile aufregend. "Eclection" ist vor allem ein Solo-Album - trotz Unterstützung durch den Dàimh-Gitarristen Ross Martin und gelegentlicher Einwürfe auf einzelnen Tracks von Flötist Iain MacDonald, Bouzoukispieler Eamonn Doorley (#41), Uilleann-Piper Jarlath Henderson (#36), Akkordeonist Luke Daniels (#41), sowie Capercaillies Rhythmusgruppe Ewan MacPherson und Duncan Lyall, die teilweise auch Tunes beigesteuert haben. Der Auftakt beginnt mit einem vierteiligen Marsch "Braes of Castle Grant", den auch Rachel Hair auf ihrem Album "Hubcaps & Potholes" aufgenommen hat (#33), gefolgt von einem Strathspey und einem Reel. Des weiteren findet man Kompositionen von Liz Caroll, Rory Campbell, Niall Vallely, Charlie Lennon und Frankie Gavin, sowie ein Set bestehend aus drei Tommy Peoples Tunes: "Black Pat's Reel" (gerade erst auf dem WilloS'-Album eingespielt -> #42), die "Green Fields Of Glentown", sowie der mir bislang unbekannte "Beautiful Goretree". Gabe McVarish hat viel übrig für die Iren - vom schottisch beeinflussten Norden Donegal mit ihren Highlands (wie der "Donegal Highland", den Gabe von Mairead Ni Mhaonaigh hat, die ihn mit ihrer Band Altan auf dem "Island Angel"-Album verewigt hat) bis in den Süden Kerrys - und setzt sich damit vom Dàimh-Repertoire ab. Interessant ist auch ein Polka-Set bestehend aus "Daley's Polka", "Ta Dha Gabhairin Bhui Agam", eigentlich die Melodie zu einem irischen Kindersong (vgl. #32), und abschließend die bekannte "Johnny Leary's Polka". Abschließend und damit zurück in den Highlands gibt es ein dreiteiliges Tribut an den verstorbenen Bagpiper Gordon Duncan: der wunderbare "Sleeping Tune", sowie "Ash City" und "Pressed for Time", welches Flook als Whistle-Tune bekannt gemacht hat (#22). Ein furioses Finale.
www.daimh.net
Walkin' T:-)M


Mike Vass & Dave Wood "Wait What?"
Label:
Greentrax; CDTRAX349; 9 tracks; 51 min
Siehe auch die englischsprachige
Rezension in dieser FW-Ausgabe
Malinky-Fiddler Mike Vass und Guitarrist Dave Wood (FW#42) haben sich einmal aus der erfolgreichen Formation ausgeklinkt und ein paar andere Freunde eingeladen: Kontrabassist James Lindsay, Perkussionist Steve Fyvie und insbesondere Damien O'Kane mit seinem Tenor-Banjo (#33). Damien singt in der Mitte auch eine stilvolle Version der "Hills of Donegal", der Text is traditionell, die Melodie von Damien. Mikes Geigenspiel ist elegant, Daves Begleitung unaufdringlich. Es sind zwar nur neun Titel auf der CD zu finden, aber das kürzeste Set ist viereinhalb, das längste fast sieben Minuten lang (der Durchschnitt dürfte sich bei etwa sechs Minuten befinden). Das liegt nicht unbedingt an einer Vielzahl von Tunes pro Set, sondern die üblichen drei Durchgänge pro Tune reichen den beiden nicht immer. Sie sind sich auch nicht zu schade dafür, innerhalb eines Sets die Geschwindigkeit mal nach unten zu bremsen. Das findet man gelegentlich bei Folkrock-Bands, Trad-Bands steigen eher kontinuierlich das Tempo.
Es beginnt mit einem Set bestehend aus vier Tunes: zwei Originalkompositionen, dann die populäre "St Kilda Wedding" und John McCuskers "Billy's Jig". Der zweite Track beginnt mit Moynihans "Covering Ground" (#5) auf der Solo-Gitarre. Es folgen weitere Eigenkompositionen. Das Finale besteht aus zwei Scott-Skinner-Tunes (#25): "Forbes Morrison" und "The Bungalow". Der Letzte bekannter als der erste. Die meisten Tunes waren mir aber nicht bekannt, und hier hätte ich mir mehr Infos gewünscht. Wer ist z.B. dieser William MacDonald, von dem allein drei Tunes zu eine Set angeordnet sind?
Mike Vass und Dave Wood haben mit "Wait What?" das Rad nicht neu erfunden, aber immerhin eine kurzweilige Stunde abgeliefert. An die Qualität der Malinky-Alben kommen sie aber auch nicht heran.
www.mikevass.com
Alex Monaghan


Cuppatea "Echo"
Label: Intrepid Records; IN 4219; 2010
Nun haben wir die neueste Silberscheibe aus dem Hause Cuppatea auf den Tisch bekommen, und es wurde um ein Echo gebeten. Der Bandname lässt auf eine irische Formation schließen, gehört doch der Reel "Cup Of Tea" zu den Klassikern des Genres (siehe z.B. die denkwürdige Einspielung vom irischen Piper Martin Nolan -> FW#24). Aber daneben getippt, mit keltischer Instrumentalmusik hat dies gar nichts zu tun, mit irischem Liedgut auch nur am Rande. Cuppatea ist ein Duo aus dem westfälischen Münster, bestehend aus Sigrun Knoche (Gesang) und Joachim Hetscher (Gesang, Gitarre). Im Info heisst es, sie spielten Traditionals und Songwriter-Klassiker in deutscher und englischer Sprache. Zum Letzteren passt, dass beide hinter dem Münsteraner Woody Guthrie Festival stehen, das auch dieses Jahr wieder Ende Oktober stattfindet (www.muenster.org/wgf). Allein dies sichert den beiden einen Platz im Folk-Pantheon. Doch kommen wir hier zur neuen und vierten Scheibe des Duos: neben ein paar Amerikanismen findet sich vor allem deutsches Liedgut, zumeist in bester Woody-Guthrie-Manier aus der Feder von Joachim Hetscher. Aber auch die gute, alte "Ballade von der Hester Jonas" der Folkrocker Cochise (#40) wird aufgewärmt, dessen Frontmann Pit Budde ebenfalls in Münster lebt und mit der Gruppe Karibuni heutzutage Weltmusik für Kinder spielt (#42). Höhepunkt des Albums ist "Das Paket", Joachims Text zu einer traditionellen Melodie ("Erie Canal", dessen englisches Original u.a. ein Nachfahre holländischer Juden namens Springsteen bei Jam-Sessions zu Ehren eines Nachfahren deutscher Emigranten namens Säger aufgenommen hat): Da lag vor meiner Tür ein kleines feines Postpaket. Es war ein Konjunkturpaket von unserer Kanzlerin. Ganz viele große Scheine, ich las: Mein lieber Ackermann, du leidest Not, nun lass dir bitte helfen ... Ich hab' das Geld behalten, denn brauchen konnt' ich's schon... "Wie sollt' ich da nicht singen" ist besser bekannt als "How Can I Keep from Singing" von eben diesem Herrn Peter Säger (#35); "Von mir aus entlasst mich" ist die deutsche Übertragung eines Chumbawamba-Textes ("I Wish That They'd Sack Me"). Das Duo präsentiert sich sparsam instrumentiert nur mit Stimme und Akustik-Gitarre. Die Ausdrucksfähigkeit ist natürlich begrenzt, wenn man nicht gerade Tommy Emmanuel heisst oder Texte wie Bob Dylan schreibt. Wenn bei "Afghanistan" eine Stromgitarre oder bei "Amazing Grace" der Walkabout Clearwater Chorus dazukommt, freut man sich über die Abwechslung. Es gibt dem Klangbild eine etwas größere Fülle und eine Studioproduktion muss schließlich kein Liveauftritt sein. Das scheint mir eine Richtung zu sein, die Sigrun Knoche und Joachim Hetscher vielleicht einmal mehr in Betracht ziehen sollten.
www.cuppatea.de
Walkin' T:-)M


Cuppatea "Balance"
Label: Eigenverlag; 2008
Das aus Münster stammende Liedermacher Duo Cuppatea (irisch für a cup of tea) veröffentlichte ihr zweites Album "Balance" mit acht Eigenkompositionen, fünf Coverversionen und einem Volkslied. Sigrun Knoche (Altstimme, Flöten, Bass, Perkussion) und Joachim Hetscher (Baritonstimme, Gitarre) haben gemeinsam mit einigen Gastmusikern deutsche und englische Lieder aufgenommen.
Hetscher übersetzte und singt León Giecos Lied gegen die argentinische Militärdiktatur "Nur diese eine Bitte an Gott", begleitet nur von zwei Gitarren, Flöte und Cajon, während Knoche Laura Nyros "And when I die" zu Gitarre und Perkussion vorträgt. Sparsame Begleitung und gelinde gesagt gesangliche Schwächen kennzeichnen diese Covers. Es folgen eigene Lieder wie "The Scales" über das Abwiegen des Herzens Verstorbener im alten Ägypten, das traditionelle von einem mehrstimmigen Männerchor gesungene "Es, es, es und es" sowie Knoches sanfte Piano Ballade "More of you". Während Knoche in den tiefen Lagen recht sauber singt, klingt Hetschers Gesang nach Pfadfinderromantik mit Lagerfeuer und den dazu passenden Songs. Jackson Brownes "Lives in the Balance", Ewan McColls "The first Time" und weitere selbst komponierte Lieder ergänzen das Programm.
Für mich klingt das Ganze unprofessionell und langweilig. Weder gesanglich noch musikalisch gibt das Album mehr her als Lagerfeuerromantik.
www.cuppatea.de
Adolf 'gorhand' Goriup


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 07/2010

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