FolkWorld #68 03/2019
© Detlef Stachetzki / Folk Club Bonn

Folk Club 42

Liebgewordene Tradition



Folk Club Bonn @ FROG

folk-club-bonn.blogspot.com

Folk Club Bonn

Am 1. März 2019 gibt es den 100. Abend des Folk Clubs Bonn (der erste Abend war am 5. Februar 2010). Das Organisationsteam arbeitet an einem besonderen Programm, um das Jubiläum angemessen zu begehen

Folk Club Nr. 97 im Dezember 2018 – Special Guest aus Schottland und viele Züge

Simon Kempston

Artist Video Simon Kempston @ FROG

www.simonkempston.co.uk

Inzwischen ist es eine liebgewordene Tradition: Im Dezember bekommet der Folk Club Besuch aus Edinburgh. Simon Kempston, der rastlose schottische Poet an der Gitarre erweist dem Folk Club die Ehre.

Wir dürfen dann ungefähr das erste Publikum sein, das die Lieder seiner jeweils neuen CD zu hören bekommt, die alljährlich kurz vor Dezember das Licht der Welt erblickt. Simon, der dem Folk Club schon vor längerem mit dem Prädikat „Best Folk Club outside Scotland“ adelte, setzte diesmal noch einen drauf. Unser Folk Club sei einfach der Beste, sagte er, und das nicht nur außerhalb seiner schottischen Heimat. So viel Lob muss man erst einmal verdauen. Aber wer sich Simons Gig-Liste einmal anschaut, der weiß, dass der Mann sich solche Aussagen durchaus leisten kann. Man hat den Eindruck, dass er in seiner nun schon über zehnjährigen Tournee-Karriere so gut wie alle kleinen und kleineren Spielstätten in Europa aufgesucht hat.

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Eines der Geheimnisse des Folk Clubs ist der Verzicht auf jegliche Art von elektrischer Verstärkung. Die Unmittelbarkeit des Musikerlebnisses verzaubert die Zuhörer, das reflektiert auf die Musiker, und die wiederum spiegeln den Zauber verstärkt zu den Zuhörern. Die Resonanz aus der Zuhörerschaft ist offenbar ein Faszinosum für die Musiker. Anders ist der Zulauf kaum zu erklären, den der Folk Club von Musikern aller Art hat. Auch im kommenden Jahr machen wieder einige Künstler auch aus dem Ausland Station bei uns, denen es bei ihrem früheren Besuch hier gut gefallen hat, darunter sind Daria Kulesh aus England (Folk Club im April), die vorigen Mai bei uns eine umjubelte Vorstellung gab und Juhana Iivonen aus Finnland (Folk Club im November), der im Februar 2018 erstmals im Folk Club zu Gast war. Auch Simon Kempston hat den Folk Club im kommenden Dezember schon wieder fest im Blick. Macht euch zumindest für diese Abende schon einmal ein Kreuzchen in die Kalender. Das gilt nur für diejenigen (ganz offensichtlich wenigen), die nicht ohnehin jeden ersten Freitag im Monat dick mit dem Vermerk „Folk Club“ markiert haben.

Es ist das Los der besonderen Gäste des Abends im Folk Club, dass sie als letzte vor der Pause drankommen und meist viele andere Akteure vor ihnen ihre Lieder spielen dürfen. Aber ein Profi wie Simon Kempston kennt das bereits und hat offenbar nichts dagegen einzuwenden.

Wenn er die Bühne betritt, spürt jeder, dass es etwas Besonderes zu erleben gibt. Wir haben seine Entwicklung hier über die Jahre verfolgen können und sind beeindruckt. Dieses Jahr präsentierte er fast ausschließlich seine Lieder von der neuen CD „Broken Before“, die einen tiefen Einblick in sein Seelenleben erlauben. Wie der Titel der CD andeutet, handeln die meisten Lieder des neuen Albums von Beschwernissen des Lebens, unerfüllter und unerwiderter Liebe und darüber, wie Menschen damit fertig werden oder auch manchmal daran zugrunde gehen. Lieder Grau in Grau meint ihr? Mitnichten! Mit feinfühliger Poesie, zarten Melodien, vorgetragen mit perfekt beherrschter Gitarrenbegleitung (in DADGAD-Stimmung) und klarer und volltönender Stimme umkleidet Simon seine Geschichten, die unsereiner sicherlich mehrmals hören oder auch lesen muss, um sie in sich aufzunehmen. Wer hierzulande versteht schon beispielsweise folgende Zeilen beim ersten Mal (englische Muttersprachler mögen diesen Part bitte gnädig überspringen):

„I can be relentless, a temper furious. Boredom can cause me to stray. But if can battle bedlam, stave off loss, perhaps we’ll find our way“.

John Hurd

www.3songsbonn.com

Dies ist der Schluss des Liedes „Run With You, Darling“, mit dem Simon sein Set eröffnete. Damit wird Zuversicht für eine gemeinsame Zukunft mit der Liebsten ausgedrückt. Die Sache hat aber auch ihre Tücken. „Your Breaking Heart“ ist das Bekenntnis zu einer gescheiterten Liebesbeziehung und eine Klage über die Unfähigkeit, sie ohne Blessuren zu beenden. Und auch „Love Her Still“ besingt eine vergangene Liebe, die noch nicht ganz erloschen aber unerreichbar geworden ist.

„Mit „Broken Before“ setzt Simon ein musikalisches Denkmal für einen Boxer, den er in Glasgow getroffen hat. Natürlich, wie könnte es auch anders sein, ist der Boxer kein Siegertyp, sondern einer, der viel Male Niederlagen einstecken musste. „He Remembers You“ greift wieder das Thema von ungleich verteilter Hingabe in einer Liebesbeziehung auf. Die Leichtigkeit der Melodie steht dabei aber in krassem Gegensatz zum beschriebenen Thema. Dass das Lied „I Would Not Take This Chance Again“ die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl als Hintergrund hat, muss man auch erst gesagt bekommen. Das Lied entstand bei einer Reise in die Ukraine und illustriert die zerrissenen Gefühle eines Menschen, der in der Gegend des Unglücks lebt. Auch die zwiespältige Situation in der rheinischen Tagebauregion hat Simon zu einem Lied inspiriert: „Time Now to Go“ lautet der Titel. Auch in diesem Fall ist es ein Betroffener, der aus der Gegend fortziehen muss, dem Simon mit seinem Lied eine Stimme verleiht. „Mohammad’s Story“ skizziert die gefahrvolle und von rasenden Ängsten begleitete Flucht aus dem Kriegsgebiet und die totale Erschöpfung bei der fast nicht mehr für möglich gehaltenen Ankunft im sicheren Land. „Who Took Ivan’s Soul?“ greift das alte Thema von einem Menschen auf, der für den Erfolg seine Seele an den Teufel verkauft. Trotz seiner Siege wird der Pariser Schachmeister nicht glücklich.

Für aufgehelltere Stimmung sorgte Simon mit den Instrumentalstücken „The Winter Chimes of Romainmôtier“ (Eindrücke eines Konzertauftritts in dem Schweizer Kloster im Kanton Waad) und „Onwards She Travels“ (ein Stück aus Simons Instrumental-CD von 2017). Insgesamt also keine leichte Kost, aber außerordentlich hörenswert und besonders genussvoll in der Live-Präsentation von Simon Kempston. Simon hat sich bereits für den 6. Dezember 2019 angemeldet. Wie schon eingangs gesagt, macht euch auch hierfür schon einmal ein dickes Kreuz in den Kalender. Der Nikolaus kann warten.

Am 1. März 2019 feiert der Folk Club mit seinem 100. Treffen ein Jubiläum. Den ersten Folk Club gab es am 5. Februar 2010, damals noch in der Gaststätte zum Schützenhaus in Graurheindorf. Aus Anlass des Jubiläums lädt der Folk Club alle interessierten Musiker in Dotty’s Sports Bar und Restaurant (ehemals Sträters Sports Bar) in Bonn-Dottendorf ein, sich mit jeweils einem Lied zu präsentieren. Wir hoffen auf regen Zuspruch und sind sicher, dass es einen äußerst abwechslungsreichen Abend gibt.



Photo Credits: (1) Folk Club Bonn, (2) Simon Kempston, (3) John Hurd (by Folk Club Bonn).


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