FolkWorld #67 11/2018
© Karsten Rube

Der freundliche Patenonkel des politischen Liedes

Bruce Cockburn

Artist Video Bruce Cockburn @ FROG

www.brucecockburn.com

Bruce Cockburn im Frannz-Club Berlin am 3. November 2018.

Wenn der kanadische Songwriter Bruce Cockburn die Bühne betritt, sieht es meist aus, als habe man erst zehn Minuten vorher im Publikum ausgelost, dass er den Abend gestalten darf. Als wäre er ein Gast, wie jeder andere auch. Frei von den Allüren eines Stars betritt der 73jährige Kanadier ein wenig beschämt die Bühne des Frannz-Club am 3. November 2018, grüßt lächelnd und greift zur Gitarre.

Bruce Cockburn ist so etwas, wie der freundliche Patenonkel des politischen Liedes. Immer engagiert und mahnend sind die Songs, die er seit gut fünfzig Jahren schreibt und mal mit Band aber meistens solo zur Gitarre interpretiert. Gewalt, Hunger, Unterdrückung, Umweltverschmutzung, aber auch die Beobachtungen am Rande seiner vielen Reisen thematisierte er auf zahllosen Alben. Daneben hört man immer ein paar Huldigungen an die Schönheit des Lebens. Während Dylan zum Superstar wurde, Billy Bragg zum Aufrührer, blieb Cockburn ein Sänger.

Das Publikum kennt ihn und auch er, nach vielen Besuchen in Deutschland, erkennt es wieder, ein gewachsenes, gereiftes Publikum, treu seit Jahrzehnten. Doch da stehen auch junge Leute vor dem Sänger. Ein bestenfalls dreißigjähriger Mann, dem man optisch schnell das Prädikat Nerd verpassen möchte, singt textsicher alle seiner Lieder mit. Die alten, wie die neuen. Und er ist nicht der Einzige. Ein Großvater, weißhaarig wie der Sänger selbst, sitzt auf einem Barhocker, den man ihn vor die Bühne gestellt hat. Neben sich seinen Enkel platziert. Dahinter der Vater des Kindes. Cockburn hat es geschafft, mehrere Generationen mit Songs zu begeistern, die nie ihre Aktualität verloren haben.

Bruce Cockburn: Bone to Bone

Wenn es um das Abholzen der Regenwälder geht, ist sein “If a Tree fall” heute, nach der Wahl des neuen brasilianischen Präsidenten und dessen ominösen Ankündigungen, den Umweltschutz in seinem Land auszudünnen, so aktuell wie nie zuvor. Und wenn Cockburn vom Flüchtlingsleid in Mittelamerika singt, dann braucht man nur Trumps hysterisches Jaulen, die Grenzen vor Einwanderern mit Waffengewalt zu schützen, zu hören – ein Jaulen, das auch hierzulande bereits aufheulte - um zu wissen, dass er kaum mehr neue Lieder benötigt, um alte und wiederkehrende Probleme auf den Punkt zu bringen.

So ist sein Konzert im Frannz zwar durchaus eine Präsentation seines 2017er Albums “Bone to Bone”, das erste Studioalbum seit sechs Jahren, doch den überwiegenden Teil bestreitet der Sänger mit seinen bekannteren Songs, die hier beinahe jeder mitsingen kann. “After the Rain”, “Rocket Launcher”, “Waiting for a Miracle”, “Peggys Kitchen Wall”. All die Songs, die einen als junger Mensch animierten, die Welt etwas aufmerksamer zu betrachten und bei denen man sich auch ein bisschen elitär fühlte, weil man die Musik von Bruce Cockburn fast für sich hatte. Wer hatte schon Platten des Kanadiers im Schrank?

Jetzt absolviert der leise Mahner mit dem zurückhaltenden Lächeln im hohen Alter noch einmal eine umfangreiche Tour. Eine Tour mit dem Besten aus fünfzig Jahren klarer politischer Haltung und einem Gitarrenspiel, das seines Gleichen sucht. Das Konzert im Frannz war ein Konzert unter Freunden, fast familiär. Der angenehme Teil der Verwandtschaft. Danke, Bruce. Es war mir eine Ehre.


Photo Credits: (1)-(2) Bruce Cockburn (unknown/website).


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