FolkWorld #66 07/2018

CD & DVD Rezensionen

"Manni‘s Kleine Welt"
Eigenverlag

www.manniskleinewelt.com

Die Erstscheibe von Manfred Kupp, eingespielt als Low Budget Produktion,. Fast alle Lieder auf deM Album sind aus Manni‘s Feder, im moselfränkischen Dialekt, dem Dialekt des Hunsrücks. Stilistisch sitzen die Lieder zwischen Folk-Rock, Blues-Rock und Pop. Einige Stücke sind eingängiger als andere, zwei sind eher Lärm in meinen Ohren, aber alles in allem ein erfreuliches Werk in einer der deutschen Mundarten.
© Michael Moll


Phønix featuring SangKa "Groovy Guzheng"
GO' Danish Folk Music, 2017

Zafir "Klang i natten"
GO' Danish Folk Music, 2017

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www.phonixfolk.dk

Die dänische Folkband Phønix[39] ist bekannt für ihre tanzbare, funkige Interpretation traditioneller dänischer - und bisweilen darüber hinausblickende skandinavische - Musik. Derzeit besteht das Ensemble aus Sängerin Karen Mose Nørgaard, Bassklarinettistin Anja Præst Mikkelsen, Akkordeonist Jesper Vinther Petersen und Perkussionist Jesper Falch. Diese Instrumentierung für sich allein ist schon etwas exotisch. 2014 spielte Phønix nun zur Eröffnung des Dänischen Kulturinstituts in Peking mit der chinesischen Guzheng-Interpretin Sangka zusammen, einer noch jungen, aber bereits etablierten Musikerin, die z.B. zur Eröffnungsmusik der Olympischen Spiele 2008 beitragen durfte. Die Guzheng ist eine Art Kreuzung aus Harfe und Zither aus der klassischen chinesischen Musik mit einem ausgesprochen ätherischen Klang. So unterschiedlich das musikalische Verständnis auch ist, so andersartig die Kulturen, haben sie doch einen gemeinsamen Nenner gefunden und das Trennende überwunden. Das resultierende Klangbild ist eigentümlich und selbstverständlich zugleich. In einem Wort: wunderschön! Das gemeinsame Repertoire von Phønix und SangKa ist eine Mischung aus dänischen Volksliedern (wie z.B. "De to ravne", im Anglo-Amerikanischen Raum als "Twa Corbies" bekannt), traditionellen chinesischen Melodien ("LiuYang River") als auch neuen Kompositionen und Improvisationen (Jespers "American Chinese" und "Groovy Guzheng Waltz").

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www.anjapraest.dk
www.anettegoel.dk
www.benjaminbarfod.com
Anja Præst ist ein Hansdampf in allen Gassen, zumindest in einigen Seitenstraßen. Abgesehen von ihrem Engagement bei Phønix hat sie vor fünf Jahren ein Album mit ihrem eigenen Trio eingespielt.[53] Nun hat sie sich mit der klassischen Harfenistin Anette Gøl und dem Perkussionisten Benjamin Barfod (im speziellen das der Steelpan ähnliche Hang) für das gemeinsame Album "Klang i natten" zusammengetan. Benannt nach dem Edelstein, der Kreativität symbolisieren soll, bewegt sich das Trio im musikalischen Niemandsland zwischen Folk, Weltmusik, Jazz und Klassik - ohne sich auf ein bestimmtes Genre festlegen zu lassen. (Passenderweise imitiert Anettes Harfe bei "Når Kirsebærtræerne Blomstrer" die chinesische Guzheng.) Auf der einen Seite frei und spielerisch, auf der anderen Seite lyrisch-meditativ erfordert die kleine dänische Nachtmusik volle Konzentration beim geneigten Zuhörer. Oh ja, es handelt sich wirklich um ein kleines Juwel; und das aus einem Land, aus dem man vielleicht nur Bernstein erwartet hätte.
© Walkin' T:-)M

Chris Kramer & Beatbox'n'Blues "Way Back Home"
Blow 'Till Midnight Records, 2018

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www.chris-kramer.de

Den Terminus Hansdampf in allen Gassen habe ich gerade erst bemüht, aber mir kommt einfach kein besserer in den Sinn, um den folgenden Künstler zu titulieren. Der Ruhrpottler Chris Kramer, auch als Crazy Chris und Mr. Harp bekannt, ist einer der umtriebigsten Blues-Barden in deutschen Landen. Vor geraumer Zeit schrieb Kramer nun ein kindgerechtes Musical, in der "Die kleine Mundharmonika"[57] durch die Musikgeschichte reist und dabei auch auf einen Beatboxer trifft. Um die Geschichte auch klanglich umsetzen zu können, suchte und fand er den zweifachen deutschen Beatbox-Meister Kevin O Neal. Stromgitarrist Sean Athens (man stelle sich eine jugendliche Inkarnation von Joe Bonamassa vor) komplementierte das Trio: Chris Kramer & Beatbox'n'Blues! Nach dem Motto "Jeder mag den Blues, die meisten wissen es nur nicht" lautet ihre Mission, den Blues ins hier und heute zu transportieren, den Jungen zu zeigen, wo die Wurzeln des Hip-Hop liegen, und den Alten neue Beats näherzubringen. Bei der International Blues Challenge in Memphis schaffte es das Trio zur Überraschung aller bis ins Halbfinale. Spätestens die anschließende Tour durch Mississippi, Tennessee und Alabama hat das Trio zu einer eingespielten und sich gegenseitig ergänzenden Formation zusammengeschweisst, die angekommen ist. "Way Back Home" bietet das breitest-mögliche musikalische Spektrum - von purem Blues über Boogie, Funk und Rock bis zu modernstem Hip-Hop. Das einzige Coverstück in Kramers englisch-sprachigem Angebot ist der "Lawyer Clark Blues" von Sleepy John Estes (1904-1977), der völlig verarmt 1962 im Zuge des Folk-Revivals wiederentdeckt worden war. Beatbox'n'Blues hatte ihren ersten Amerika-Auftritt auf dem Sleepy John Estes Festival in Brownsville, Tennessee, und ist dabei auch mit dem Werk des Sängers und Gitarristen in Berührung gekommen. Gegen Ende folgen noch reine Instrumentaltitel und deutschsprachige Stücke wie "Erst hatt' ich kein Glück, dann kam noch Pech dazu ..."
© Walkin' T:-)M


Rosie MacKenzie "Atlantic"
Eigenverlag, 2016

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www.rosiemackenzie.com

Die kanadische Geigerin Rosie MacKenzie ist seit ihren Teenage-Tagen als Mitglied der Cottars bekannt.[42] Dies ist nun ihr Solo-Debüt. Nachdem sie die Cottars verlassen hatte, arbeitete Rosie auf Segelbooten und überquerte dabei zweimal komplett den Atlantik. Während dieser Zeit wurde sie vom weiten Meer inspiriert und sie komponierte eine Vielzahl von Melodien im traditionell-keltischen Stil, genauer gesagt in der Cape-Breton-Variation desselben. Die Titel der Stücke sprechen Bände: "Sailing over Greenwich", "The Almost Trip to Skye", ... Zusammen mit Musikern wie Matt Griffin (Gitarre, Bouzouki, Bass), Niamh Varian-Barry (Geige, Viola) oder Pauline Scanlon (Harmoniegesang) hat Rosie eine Auswahl davon im west-irischen Dingle auf eine Silberscheibe gebannt. Sie präsentiert sich damit nicht nur als eine exzellente und hingebungsvolle Fiddlerin, sondern auch als begabte Komponistin neuer Jigs, Reels und Walzer. Zwei der Stücke sind bezaubernde Gesangsbeiträge; Rosie hat eine klare, wohlklingende Stimme, die ein warmes Gefühl in luftigem Americana-Country-Gewand verbreitet. Insgesamt bietet "Atlantic" also Nährstoff für eine längere Fernreise, von mir aus auch komplett über den Ozean.
© Walkin' T:-)M


Lúnasa "Cas"
Eigenverlag, 2018

English CD Review

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www.lunasa.ie

Dieser Tage besteht die irische Formation Lúnasa[55] aus Fiddler Seán Smyth und Kontrabassist Trevor Hutchinson (die einzigen Musiker der ersten Stunde), Flötist Kevin Crawford, Piper Cillian Vallely und Gitarrist Ed Boyd. Unterstützung findet das Quintett hier zudem bei Geiger Colin Farrell und Gitarrist Patrick Doocey. Aber es ist nicht das Line-Up, das Lúnasa im zwanzigsten Jahr sich neu erfinden lässt, nein, Lúnasa singt! Genau gesagt haben die Jungs nicht ihr klösterliches Schweigegelöbnis gebrochen, sondern sich gesangs-freudige Gäste an den Tisch eingeladen: Bluegrass-Mandolinist Tim O'Brien ("The Water Is Wise"), BBC-Radio-2-Folk-Erstplazierter Daoirí Farrell ("Paddy's Green Shamrock Shore"),[39] Blues-Gitarrist Eric Bibb (der traditionelle amerikanische Gospel "My Lord What A Morning"), Singer-Songwriter Mary Chapin Carpenter ("The Irish Girl") und Natalie Merchant (die napoleonische Anti-Kriegs-Ballade "The Bonny Light Horseman"). Lúnasas einfallsreiche Zwischenspiele sind eine wahre Freude. Sind die Lieder eher lässig, brennt Lúnasa aber auch wieder ein instrumentales Feuerwerk ab, wie wir es von den neun vorhergehenden Alben und ihren Konzerten gewohnt sind. Beginnend mit Kevin Crawfords "Bob's Hole in One", fortgesetzt mit Kompositionen von Colin Farrell ("Headford Junction ") als auch Patricks Bruder, Fiddler David Doocey ("Night in Nanchang").[59] Lúnasa kann aber auch einen Gang zurückschalten; Duhks-Fiddlerin Tania Elizabeth hat mit "The Dregs Of Birch" einen anmutigen Slow-Reel beigesteuert; "Sinead Máire's" besteht aus beschaulichen Jigs aus der Feder des Brüderpaars Cillian und Niall Vallely. Letzteres nun in Lúnasas voluminösem Arrangement anstatt der sparsamen Instrumentierung auf Cillians Solo-Album "Raven’s Rock".[61] "Cas" bedeutet so viel wie unerwartete Wendung oder Richtungsänderung. Den Titel sollte man aber nicht allzu überbewerten; die Frolics und Shuffles der irischen Top-Gruppe werden auch in absehbarer Zukunft ihren Wiedererkennungswert beibehalten.
© Walkin' T:-)M


Steph Geremia

stephgeremia.com

Steph Geremia "Up She Flew"
Blackbox Music, 2018

English CD Review

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Die gebürtige New Yorker Flötistin Steph Geremia hat ihr neues Zuhause im westirischen Galway gefunden und ist zurzeit vor allem mit der Alan Kelly Gang unterwegs, zu deren Alben "Small Towns & Famous Nights" und "The Last Bell" sie beigetragen hat.[46][56] Es ist nun schon ein gutes Jahrzehnt seit ihrem Solo-Debüt "The Open Road" her.[40] Das Nachfolgewerk "Up She Flew" offenbart erneut ihr großes Interesse an der Flötentradition von North Connaught, d.h. den Counties Sligo, Roscommon und Leitrim. Der Titel des Reel-Sets "James Murray's #2 / Kevin Henry's / Hughie Travers'" sollte Eingeweihten eigentlich alles sagen. Die einzige Eigenkomposition hingegen ist zwar "Benbulben's Shadow" betitelt, scheint aber melodisch eher jenseits des irischen Tellerrandes angesiedelt zu sein. Da schaut Steph sowieso öfters drüber: zum einen spielt sie Saxofon, das bei Joe Liddys "Moon Man Jig" keineswegs unpassend klingt, zum anderen singt sie genau in der Mitte des Albums die Emigrantenklage "Path Across the Ocean", das vermutlich auf ein altes schottisches Gedicht zurückgeht. Ihr Talent ist aber ohne Frage das exzellente Flötenspiel, das sie traumwandlerisch beherrscht. Eingeweihten brauche ich jetzt nur den Namen Peter Horan zurufen, mit dem Steph viele Jahre lang regelmäßig musiziert hat. Dabei wird sie unterstützt von erstklassigen Musikern wie Aaron Jones (Bouzouki), Seamie O’Dowd (Gitarre), Michael Rooney (Harfe) und natürlich Alan Kelly (Piano-Akkordeon).
P.S.: Alle 34 Melodien von "Up She Flew" sind zudem in einem Notenbuch erhältlich, komplett mit Verzierungen, Variationen sowie Informationen über die mit den speziellen Versionen verbundenen Musikern und Regionen.
© Walkin' T:-)M


Adam Wendler "Never Go Unknown"
Greywood Records, 2018

www.adamwendlermusic.com

Der gebürtige Kanadier Adam Wendler hat ein Faible für die deutsche Hauptstadt. Er versuchte es hier mehrere Monate als Straßenmusiker. In Berlin veröffentlichte er jetzt auch sein Album “Never Go Unknown” auf dem er eine ganze Reihe melodischer Indiepopsongs eingespielt hat. Songs, die leicht und locker aus dem Tonträger flutschen und ihre gute Laune auf den Hörer übertragen. Inspiration für Adams Lieder ist seine Unruhe, die ihn immer wieder auf Reisen schickt. Er tourte monatelang durch Deutschland und Kanada, gewann ein paar Newcomer-Wettbewerbe - vor allem in Berlin.
© Karsten Rube


Blues Blosn "da Weg"
BSC-Music, 2017

www.bluesblosn.de

Mitreißender Rhythm & Blues mit bayrischen Texten ist auf der Platte “da Weg” der bayrischen Partykapelle Blues Blosn zu hören. Wenn die Damen und Herren, die wohl auf der Bühne immer recht zahlreich erscheinen, Live so knallig sind, wie auf dem Album - und das kann man wohl annehmen, dann bleibt während eines Abends bei zünftigem Soul und Blues wohl kaum ein Hemd trocken.
© Karsten Rube


Cathrin Finch & Seckou Keita “Soar”
ARC Music, 2018

English CD Review

www.catrinfinchandseckoukeita.com

Zwei Harfen aus unterschiedlichen Teilen der Welt in Einklang zu bringen, das ist der Anspruch der beiden Musiker Catrin Finch aus Wales und Seckou Keita aus Senegal. Während Catrin Finch in Europa als klassische Harfenistin gefeiert wird, ist Seckou Keita einer der besten Koraspieler der Welt. Das Album “Soar” beeindruckt mit dem permanenten Wechsel von europäischen und westafrikanischen Klangmustern, mit harmonischen Übergängen und gelungenen Kombinationen aus Klassik und Weltmusik.
© Karsten Rube


Gurvan Liard "Dounia"
Coop Breizh, 2015

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www,gurvanliard.com

Gurvan Liard versteht die Drehleier als Musikinstrument der Moderne. Sein Debütalbum beweist diese Einstellung. Musik, die zeitlos wirkt, dabei auf gegenwärtige Klanggewohnheiten nicht verzichtet. Mit elektronischen Mitteln, traditionellen Spielweisen und experimentellen Elementen schafft der Bretone einen Klangteppich, der mittelalterlich und modern gleichermaßen anmutet. Ein Album, das spirituell wie emotional inspirierend ist.
© Karsten Rube


Kengo Saito "Japanistan"
Lonkaga, 2016

www.kengosaito-music.com

Kengo Saito entführt den Hörer auf seiner CD “Japanistan” in die fernöstliche Klangwelt zwischen Afghanistan und Japan. Der japanische Multiinstrumentalist hat sich vielen musikalischen Stilistiken des asiatischen Raumes genähert. Nun verbindet er sie zu einem einmaligen Klanggemälde. Mit afghanischer Rubab und indischer Sitar spielt er eigene Kompositionen, greift auf traditionelle Stücke zurück und zitiert bekannte, auch im japanischen Pop beheimatete Melodien. Eine gelungene Einladung, musikalisch der Seidenstraße zu folgen.
© Karsten Rube


Megan Nash “Seeker”
Acronym Records, 2018

www.megannash.ca

Megan Nash fühlt sich am wohlsten mit der Bezeichnung, einfach nur eine Songwriterin zu sein. Stilistisch will sie sich nicht festlegen, da sie sich keiner musikalischen Richtung verschließen will. Was sie auf ihrem Album “Seeker” abliefert, ist allerfeinste Rootsmusic. Langsame Balladen finden darauf ihren Platz, wie Ambient-Rock. Die Songs interpretiert sie mit Energie und einer grandiosen Stimme, die sie ganz nach Stimmung mal zart, mal kratzig, mal voller Kraft einsetzt. Das Album ist von der ersten Sekunde an fesselnd.
© Karsten Rube


Bad Temper Joe "Ain't Worth A Damn"
Timezone, 2018

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www.badtemperjoe.com

Nur wenige Bluesmusiker sind willens und in der Lage den Blues auf eine althergebrachte, authentische Weise vorzutragen. So viele Spielarten und Crossoveranstrengungen lassen auch den Blues in vielen Farben glänzen. Trotzdem ist es immer wieder einmal schön, sich auf Authentizität zu besinnen. Bad Temper Joe gehört seit nunmehr vier Jahren zur Creme der deutschen Bluesszene. Die Nationalität hat er musikalisch längst vernachlässigt. Wer ihn live erleben konnte, weiß dass die Shows die Stimmung von Mangrovensümpfen, feuchten Abenden in Graslandschaften, dem Geruch von Rauch und dem Insektensummen über einem Baumwollfeld erzeugen. Wer ihn live noch nicht erleben konnte, kann dies nun via CD-Recording nachholen. “Ain’t Worth a Damn” heißt das Album, das der charismatische Bluessänger und -gitarrist im belgischen Gent im November letzten Jahres aufgenommen hat. Solo, Akustik, keine langen Ansagen, kein Schmus. Nur unverfälschter Blues. Einmalig.
© Karsten Rube


Compagnia Sacco di Ceriana “Tabulae”
Felmay, 2016

www.compagniasacco.it

Polyphoner Gesang ist in den Ländern rund um das Mittelmeer eine häufig anzutreffende Kunstform des traditionellen oder religiösen Gesangs. In Italien finden sich in verschiedenen Regionen polyphone Ensembles. Die Compagnia Sacco di Ceriana aus Ligurien besteht bereits seit 90 Jahren. “Tabulae” ist ein Album der Compagnia, auf dem die traditionellen Riten der Karwoche auf gesanglich sehr eindrückliche Weise wiedergegeben werden. Die Compagnia, die sich im Laufe der Jahre immer wieder verjüngt hat, besteht derzeit aus sieben stimmkräftigen Männern, die alle Facetten des polyphonen Gesangs mit großer Leidenschaft - und im Falle der Musik für die Karwoche auch mit ebensolcher Leidensfähigkeit vorzutragen in der Lage sind.
© Karsten Rube


Dago Schelin & Band "Rosas Heft"
O-Tone Music, 2016

www.dagoschelin.com

Wie das so ist, mit der Aus- und Einwanderung und den kulturellen Wurzeln und dem, was übrig bleibt, wenn Integration kulturelle Anpassung einfordert, sehen wir gerade in der Gegenwart. Die moderne Völkerwanderung lässt kulturelle Gegensätze aufeinanderprallen. An manchen Orten entstehen gewittrige Entladungen, an anderen finden sich sanft und harmonisch Verbindungen zusammen, die die unterschiedlichen Kulturen gleichberechtigt und beidseitig beleben. Aus- und eingewandert wurde immer. So findet man in Brasilien heute noch Gemeinden, deren Einwohner deutschen Ursprungs sind. Dago Schelin ist ein Brasilianer mit deutschen Wurzeln. Seine Vorfahren haben sich in Südamerika angesiedelt, die Kultur des Landes inhaliert und die eigene nicht vergessen. Der Musiker Schelin, der brasilianisch aufwuchs, kam vor einigen Jahren nach Deutschland, wiedererlernte die Sprache seiner Vorfahren und stellte Zusammenhänge her, wo es bisher keine gab. Herausgekommen ist ein Album, auf dem man beide Seiten des Atlantiks in einer gemeinsamen Farbmischung erkennt. Bossa Nova trifft sich mit der deutschen Volksmusik. Lieder, wie wir sie hier aus ernstzunehmenden klassischen Liederbüchern kennen und leider allmählich aus den Ohren verlieren, verbindet Dago Schelin mit der lockeren hüftschwingenden Bossa Nova Brasiliens. Das wirkt auf den ersten Blick befremdlich, aber nur, wenn man die deutsche Leitkultur als eine dunkle Übermutter ohne Humor versteht. Obwohl ich dem Werk anfänglich ebenfalls skeptisch gegenüber stand, musste ich im Laufe des Albums feststellen, dass die CD beschwingt und den Volksliedern nicht weh tut. Arrangiert ist die Musik auf “Rosas Heft” ohnehin leicht und tanzbar. Der Titel des Albums ist eine Respektbekundung an Dago Scheins Urgroßmutter, in deren alten Tagebüchern und Aufzeichnungen in Brasilien er auf die Texte der alten Volkslieder stieß. Das Album zeigt eins deutlich: Wer keine Angst vor fremden Kulturen hat, versetzt sich in die Lage, mit neuen Sichtweisen, die eigenen Traditionen wieder zu beleben. Mir sind beim Hören der Bossa Nova CD von Dago Schelin ein paar alte deutsche Volkslieder ins Gedächtnis gekommen, die ich fast schon vergessen hatte.
© Karsten Rube


Dimitris Mystakidis “Esperanto”
Fishbowl, 2015

www.dimitrismystakidis.gr

Wie der Titel “Esperanto” der vorliegenden CD von Griechenlands herausragenden Gitarristen Dimitris Mystankidis verrät, handelt es sich bei seiner Musik nicht um puristische oder stilreine Musik aus Griechenland. Der Musiker versucht vielmehr verschiedene Einflüsse in den Rembetiko, den griechischen Blues einzuflechten. 16 Rembetiko-Kompositionen aus den 40er bis 60er Jahren hat Mystankidis dafür neu arrangiert. Der melodramatische Klang des Rembetiko geht bei seinen Arrangements erstaunlicherweise auch dann nicht verloren, wenn er Zutaten, wie Samba und Gipsy-Swing hinzugibt. Sehr unterhaltsam ist das Album, wobei das Gitarrenspiel des Künstlers ebenso hervorsticht, wie die Stimmen der verschiedenen Sängerinnen und Sänger.
© Karsten Rube


Dinovski-Schuberth "Improvokation"
Alessa Records (Jazz & Arts), 2015

www.dinovski-schuberth.com

Zwei junge Musiker aus Österreich haben sich zum Duo Dinovski-Schuberth zusammengetan und revolutionieren das Hörempfinden in der aktuellen Akkordeonmusik. Ihr Debüt “Improvokation” lässt bereits im Namen anklingen, worauf sich der Hörer einlassen kann. Improvisationen und provokantes Spiel mit Klischees sind darauf zu hören, sensible Zitate bekannter Stile und blanke musikalische Gewaltanwendung finden sich ebenso zwischen den Notenlinien. Tangoanspielungen vermengen sich mit Balkanklängen, slawische Weisen treffen auf Jazzimprovisationen. Manchmal klingt es wie ein Duell zwischen nordost- und südosteuropäischem Akkordeonverständnis. Doch meist verbinden sich die Melodien zu einem gemeinsamen Klanggeschöpf. Das alles passiert in schnellen Wechseln und wird nie langweilig.
© Karsten Rube


Dry Dudes “Memories”
Timezone, 2018

www.drydudes.de

Nach den träumerischen Wünschen, denen sich die beiden norddeutschen Musiker Erwin Holm und Patrick Schütte auf ihrem Debüt-Album “Fairytales” hingaben, ist es ein Jahr später bereits Zeit, sich mit “Memories” auf das Feld der Erinnerungen zu begeben. Teilweise noch in Blüte, anderenorts reif und an weiteren Stellen längst abgeerntet, erweist sich dieses Feld als ein lebendiges Stimmungsbarometer. Die Songs, nun schon um einiges weiterentwickelt, als im überaus gelungenen Debüt, erweisen sich als kraftvolle Ergebnisse eines sichtbaren Erfahrungsschatzes, der sich über das Jahr angesammelt hat. Ihre Songs über Liebe, Verlust, Hoffnung, Enttäuschung verpackt in dynamischen Poprock sind dabei ebenso überzeugend, wie die nostalgischen Momente, die ebenfalls Platz auf diesem zweiten Album gefunden haben. Ihre Qualitäten als reines Akustikduo ergänzen sie jetzt durch ein paar Gastmusiker. Mehr Band als Duo, bestätigen die Dry Dudes mit ihrem Album “Memories” die Hoffnung auf viel versprechenden, gleichermaßen gefühlsbetonten wie intelligenten Pop, wie man diese bereits nach ihrem Debüt hegte.
© Karsten Rube


Duo Emilia Lajunen & Suvi Oskala "Piilokisa"
Nordic-Notes, 2018

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www.facebook.com/...

Das Duo Emilia Lajunen und Suvi Oskala spielt seit fünf Jahren auf alten fünfsaitigen Geigen Volkslieder aus der finnischen Tradition. Diese Geigen besitzen eine tiefer gestimmte c-Saite und bringen damit zusätzlich eine Tonlage der Bratsche mit. Die beiden Musikerinnen haben kürzlich ihr zweites Album unter dem Namen “Piilokisa” veröffentlicht. Der “versteckte Scherz”, wie man das Album übersetzen könnte, ist ihnen gelungen. Zunächst klingen die beiden Fiddle-Akrobaten nicht wie ein Duo, sondern werden gern akustisch schnell als Streichergruppe wahrgenommen. Und dann klingen ihre Lieder, wie betagte finnische Volkslieder, die schon seit Alters her mit der Fiddle vorgetragen werden. Die manchmal sehr zerbrechlich wirkenden Kompositionen auf dieser CD, stammen aber von renommierten Musikern aus Skandinavien, wie Mikael Marin von der schwedischen Gruppe Väsen und Johanna Juhola, die derzeit aufregendste Akkordeonvirtuosin Finnlands. Es sind vor allem Tänze, wie die Polska und der Galoppi - ein Landtanz der in den 1830er Jahren für eine kurze Zeit vor allem in Paris, London, Wien und Berlin angesagt war. Die Dynamik, die aus der Musik der beiden Künstlerinnen erwächst, ist umso erstaunlicher, als das sie einerseits aus traditionellen Melodien stammt, andererseits aber auch eine unbestreitbare Modernität besitzen. Hier erlebt man die Gegenwart aus den Werten der Vergangenheit heraus.
© Karsten Rube


Emel "Ensenity"
Partisan Records, 2018

www.emelmathlouthi.com

Eine kurze Phase des Frühlings lies Hoffnung keimen, dass sich in den arabischen Ländern die Idee von Respekt und Toleranz zu neuer und beständiger Blüte erhebt. Eine Hoffnung, auf die man leider auch im Rest der Welt immer häufiger vergeblich setzt. In Tunesien nannte man diese Phase die Jasmin-Revolution. Und jede Revolution hat ihre Stimme. Die tunesische Sängerin Emel Mathlouthi wird wegen ihres Engagements während und nach der Erhebung gegen den Diktator Zine el-Abidine Ben Ali als Stimme der Jasmin-Revolution bezeichnet. Kompromisslos, wie ihre Botschaften, ist auch ihre Musik. Die EP “Ensenity” ist die Weiterführung ihres zweiten Albums “Ensen”, was so viel wie “Mensch” bedeutet. Neun Songs hat sie neu aufgemischt, verändert interpretiert, als Remix aufgearbeitet. Die Interpretation ist ihr Ausdrucksmittel. Selten gibt sie einen Song auf der Bühne so wieder, wie beim letzten Auftritt. Sie ist eher eine improvisierende Darbieterin, als eine Wiederholungskünstlerin. Ihre stimmliche Ausdrucksstärke erhebt sich über elektronische Verfremdungen, tunesischem Folk, Trip-Hop, Oriental und bewegt sich weit außerhalb gängiger musikalischer Regeln. Es ist nicht nötig, ihre blumige Sprache zu verstehen. Die Stärke ihres Gesangs, die Wucht ihrer Songs machen ihre immer noch gärende revolutionäre Wut deutlich genug.
© Karsten Rube


Ferd "Music without borders"
Grappa Musikkforlag, 2018

Karis Røynild & Mari Omberg "Den Sture Stuten"
Etnisk Musikklubb, 2018

Im Süden Norwegens zieht sich das Setesdal, ein fruchtbares Flusstal durch die steinigen Höhen der Landschaft. In den abgeschiedenen Tälern des Landes haben sich über Jahrhunderte kleine kulturelle Biotope gebildet. Die Volksmusik, die sich hier entwickelte, war Anlass einer Gruppe von Künstlern, ein Projekt zu starten, dass sich von der herkömmlichen Weise, Folklore zu zelebrieren wesentlich unterscheidet. Über drei Jahre besuchten sie Musiker aus aller Welt, um deren eigene Interpretation der Lieder aus der kleinen skandinavischen Region zu ergründen. “Musik without Borders” liefert nun das Ergebnis. 52 Musiker aus 18 Ländern der Erde haben sich mit einzelnen norwegischen Volksliedern befasst und sie weltmusikalisch interpretiert. Neben Annbjørg Lien und Bjørn Ole Rasch aus Norwegen, finden sich Künstler aus Syrien, Irland, Armenien, China, Thailand, dem Iran und Tibet auf der Liste. Viele Songs besitzen den stillen, ruhigen Charme der nördlichen Länder und werden dabei mit der exotischen Würze des Orients und des Fernen Ostens bereichert. Ferds musikalische Weltwanderung ist ein inspirierender Blick dorthin, wo kulturelle Unbeschwertheit das Leben bereichert.

Wer den Vergleich sucht, der findet die traditionelle Musik des Setedals und der Region Åseral im Süden Norwegens auf der CD “Den Store Stuten” von Kari Rønlid & Mari Ormberg. Auf diesem Album wird sich in 32 Stücken ausschließlich der historischen Überlieferung der Folklore der Region gewidmet. Kari Røynild singt und Mari Ormberg spielt dazu auf der Hardangerfiddle, die in dieser Gegend des Landes eine große Rolle spielt.
© Karsten Rube


Firo "Arv og Slav"
Etnisk Musikklubb, 2017

www.firofolk.weebly.com

Die Folkloregruppe Firo hat ihren musikalischen Liederschatz in ihrer norwegischen Heimatprovinz rund um das Gudbrandsdalen gehoben. Dieses knapp 300 Kilometer lange Tal zieht sich gefüllt mit zahlreichen Seen durch den Osten des Landes bis hinunter nach Lillehammer. Ein Gebiet, das eng mit der Literatur und Geschichte Norwegens verflochten ist. Peer Gynt ist hier angesiedelt. Musikalisch beherbergt es eine Vielzahl alter Melodien, von denen einige auf dem Debütalbum Firos Eingang gefunden haben. Die Lieder sind in ihrer Art wunderbar altmodisch arrangiert. Obwohl manche der Kompositionen kaum vierzig Jahre auf den Buckel haben, klingen sie alle, als hätte man diese Weisen bereits im 19. Jahrhundert bei der täglichen Arbeit gesungen oder sich dabei zu kleinen Feierlichkeiten im Kreistanz amüsiert. Das Album ist ein kleiner Hausschatz der norwegischen Folklore.
© Karsten Rube


Loxandra "in Transition"
Dalit Music, 2017

Article: Loxandra

www.loxandra.gr

Gelebte Folklore schaut heute immer auch über die eigenen Grenzen hinweg. Das Ensemble Loxandra aus Griechenland hat sich schon mit ihrem Namen ein ganzes Stück aus dem eigenen Kulturkreis herausgewagt. “Loxandra” ist der Titel eines Buches. Die Hauptheldin des Romans lebte in Konstantinopel, jener Metropole, die Occident und Orient verband. Das Album “In Transition” verbindet, wie die Romanfigur griechische und türkische Kultur, bezieht dabei die Musik des Balkans sowie der sephardischen Juden mit ein und lässt auch jazzige Interpretionen zu. Es ist genau das kulturelle Konglomerat, vor dem sich konservative Politiker heute so fürchten, das Loxandra liebevoll und variationsreich zelebriert. Ein Album voller überraschender Momente.
© Karsten Rube



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