FolkWorld #48 07/2012
© Morten Alfred Høirup

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Ein gottbegnadeter Spielmann

Ein Interview mit dem dänischen Violinisten Henrik Jansberg.

Sie sind zu fünft auf der Bühne, das Licht legt sich weich und farbig über die Band und das Publikum lauscht gebannt. Die Konzentration wird nur von den Zurufen der Leute bei einer besonders vollendet ausgeführten musikalischen Finesse durchbrochen. Die Musik ist für die vielen Anwesenden auf dem Shetland Folk Festival neu und sie gefällt ihnen sehr.

Henrik Jansberg

Henrik Jansberg @ FolkWorld:
FW#30, #35, #39

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www.jansberg.com

Die dänische Jansberg Band ist anders, aber nicht zu anders. Die Instrumente – Geige, Gitarre, Mandoline, Schlagzeug und Kontrabass – sind diesem Publikum natürlich nicht fremd und die Musik zeigt durchaus wiedererkennbare Züge, die den shetländischen Traditionen gleichen, dem Publikum weht aber auch ein Hauch großer skandinavischer Nadelwälder, grüner Wiesen und tanzender Feenmädchen entgegen.

Der 35-jährige Komponist und Musiker Henrik Jansberg führt an der Geige. Unvermittelt springen er und die Band von einer alten dänischen Polka zu einer seiner eigenen schnellen Melodien. Das Publikum begrüßt den Wechsel mit spontanen Begeisterungsrufen. Von nun an reißt das dänische Quintett das ganze Haus mit.

AM ANFANG WAR DIE GEIGE UND DER TANZ

Ich besuche eine Wohnung auf Amager in Kopenhagen. Hier sitzt der Folkmusiker Henrik Jansberg mit seiner kranken Tochter Novo und wartet darauf, dass die Mutter des Mädchens nach Hause kommt, so dass er losgehen kann. Die Geige liegt einsatzbereit in ihrem Kasten auf dem Boden. Gestern ist er mit der Band aufgetreten, heute soll er solo zum Tanz aufspielen. Novo geht zu ihrem Vater, sie wirkt etwas benommen - sie hat Fieber.

Henrik Jansberg wohnt in Kopenhagen, kommt aber aus Juelsminde in Mittjüttland. Seine Eltern sind aktive Volkstänzer gewesen, er selbst spielt seit seinem siebten Lebensjahr Geige

„Meine Eltern tanzten Volkstanz und ich erinnere mich, wie ich den örtlichen Spielmann beobachtete, als er für die Tanzenden spielte. Es sah lustig aus und er schien wirklich Spaß zu haben. Ich erzählte meinem Vater, dass ich gerne Geige spielen wolle. Also besorgte mein Vater mir eine und ich fing damit an, an der Seite des Spielmanns Grundtöne zu spielen. Ich glaube, ich habe ein halbes Jahr lang Grundtöne gespielt, bis er mich dazu aufforderte, meine Finger auf die Saiten zu setzen und die Melodien mitzuspielen. Er fand ein paar einfache Melodien für mich und so fing ich an Geige zu spielen.“

Später wurde Henrik Mitglied eines Jugendensembles, das mit Volkstanz und Musik große Teile Europas bereiste und ihm wertvolle Erfahrung brachte. Danach wurde er am Musikkonservatorium in Odense (The Carl Nielsen Academy of Music Odense) in der Sparte Folkmusik aufgenommen und dort als Musiklehrer und Musiker ausgebildet. Hier stellte er die Jansberg Band zusammen, fing mit dem Komponieren an und nahm sein erstes Album auf, für das er 2004 den Danish Music Award Folk für „Das Folk Debütalbum des Jahres” entgegennahm.

DAS LEBEN ALS FOLKMUSIKER

2012 hat Henrik zwei preisgekrönte Soloalben auf dem Markt, arbeitet an seiner eigenen Musik in der Jansberg Band und und spielt eine Mischung aus traditioneller Musik und Neukompositionen in einem Duo, das er zusammen mit seinem langjährigen Freund und Kollegen Rasmus Zeeberg bildet.

Henrik Jansberg Band

Henrik ist mit seiner Musik durch Japan, die USA, Kanada und große Teile Europas gereist und einer der bekanntesten und meistrespektierten dänischen Folkmusiker seiner Generation. Doch nicht nur die dänischen Clubs und Festivals locken Henrik, auch der Unterricht nimmt einen großen Platz in seinem Herzen ein:

„Folkmusiker zu sein, besteht für mich aus mehreren Dingen. Natürlich ist es wichtig, ein Instrument zu spielen und in die Tradition einzutauchen, es ist für mich aber auch sehr wichtig, Unterricht zu geben. Ich unterrichte viele Jugendliche – ich denke um die 20 – jede Woche in einer kleinen Musikschule und lehre sie natürlich alle Grundlagen des Spielens auf dem Instrument. Ich versuche aber auch, sie für die Tradition zu begeistern, und fordere sie dazu auf, rauszugehen und unterschiedliche Musik zu hören, genau wie ich sie zu meinen eigenen Konzerten einlade. Ich veranstalte auch Konzerte, wo sie ihre Sachen präsentieren können, und lade sie dazu ein, mit mir zum Tanz aufzuspielen – ich versuche, sie in all die Dinge einzubeziehen, die bei mir gefunkt haben, als ich mit dem Spielen anfing.”

„Und dann ist für mich natürlich wichtig, rauszukommen und vor Publikum zu spielen – die ganze internationale Festivalszene, der ich angehöre, ist mir wichtig, denn hier triffst du gute Freunde und Kollegen. Vor einigen Jahren haben einige meiner Bandmitglieder und ich den shetländischen Fiddler Kevin Henderson bei Celtic Connections in Glasgow getroffen. Das führte zu einer spannenden Zusammenarbeit, in der wir viele shetländische und dänische Stücke gefunden haben, die gut zusammen funktionierten. Als wir später ein Konzert auf dem Festival gaben, beschrieb einer der Journalisten auch, wie natürlich und unmittelbar die Musik von der Bühne kam, und dass wir uns nicht neu erfinden mussten, sondern einfach nur spielen und kommunizieren. Das war ein großartiges Erlebnis.”

DIE MUSIK UND DIE AMBITIONEN

Derzeit arbeitet Henrik an zwei unterschiedlichen Alben, eins mit der Jansberg Band, in der die Musik ausschließlich von Henrik geschrieben ist, und eins mit dem Gitarristen Rasmus Zeeberg mit einer Mischung aus traditionellen Arrangements und neu komponierter Musik.

Henrik Jansberg: Omnivor

„Als Musiker strebe ich natürlich an, so gut wie möglich zu spielen, aber genauso wichtig ist es sicherlich, die Lehrtätigkeit fortzusetzen und meine musikalischen Erfahrungen weiterzugeben. Es gehört zu der Tradition, der ich angehöre. Es gehört dazu, ein traditioneller Spielmann zu sein. Hier gibst du meines Erachtens das Beste der Tradition weiter. Und dann ist es für mich auch wichtig, weiterhin die Geige schultern und um die Welt reisen zu können, meine Musik zu spielen und Freunde und Kollegen zu treffen.”

„Ich könnte mir auch gut vorstellen, eine Menge Musikerinnen und Musiker, die ich in Dänemark getroffen habe, zu einem spontanen Konzert einzuladen. Das machen wir in Dänemark nicht so häufig wie beispielsweise in Schottland oder Kanada, es ist aber eine großartige Art sich zu treffen und auszutauschen. Wenn die Musik auf diese Weise beginnt, ist es auch für das Publikum ein ganz besonderes Erlebnis, wenn es beobachten kann, wie das Ganze sich entwickelt, wenn man vorher nicht intensiv geübt hat. Diese Art von Musik begegnet uns in Dänemark nicht so oft, ich würde es aber lieben, so ein Treffen mit zu veranstalten. Vielleicht sollte ich es einfach tun?!”

Henrik Jansberg ist ein einzigartiger dänischer Musiker mit vielen unterschiedlichen Zugängen zu seiner Tradition. Er unterrichtet viele junge Menschen, nimmt mit seinem neuen Duo auf, tourt mit seiner treuen Band, gibt Konzerte mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland und spielt solo zu traditionellem dänischen Volkstanz auf. Jedes Projekt ist ihm gleich wichtig, genauso wie er sich in der Gewerkschaft engagiert und auf organisatorischer Ebene in der dänischen Musikszene aktiv ist.

Aber die Dame des Hauses ist nun heimgekehrt und Novo mit den großen glasigen Augen hat in die Arme ihrer Mutter gefunden. Nun ist es für Henrik an der Zeit, die Geige zu schultern und sich in die dänische Hauptstadt zu begeben, um im örtlichen Volkstanzverein zum Tanz zu spielen. Kommt und tanzt mit!

Deutsche Übersetzung: Katrine Hoop


Photo Credits: (1)-(3) Henrik Jansberg (from website).


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