FolkWorld Ausgabe 34 11/2007; Photo Report


A Decade of Folk A Decade of Folk

A Decade of Folk

TFF.Rudolstadt



Rudolstadt 2005

Die Vergangenheit ist schuld daran, daß das vermutlich größte deutsche Folk- und Weltmusikfestival bis 2002 den hausbackenen Namen "Tanz&FolkFest" trug. Wollte man doch nach der Wende die Rudolstädter Traditionalisten-Front, jene, die über lange Jahre mit dem DDR-Tanzfest verbunden waren, nicht vor den Kopf stoßen. Also hieß es 1991: ein Festival mit neuem Konzept - ja, eines mit völlig neuem Namen - jein.

Heidecksburg 2002
www.tff-rudolstadt.de

Rudolstadt 2006
Rudolstadt 2005
Rudolstadt 2004
Rudol 2003
2002a
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2001b
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1999a
1999b

Rudolstadt - Stadt der Tanzfeste

Alles begann 1955. Die sozialistische Lebensfreude in der DDR nahm mit dem Rückgang der Lebensmittelkarten zu und sollte ein eigenes Podium bekommen. Gesucht wurde eine Stadt ohne nennenswerte Kriegsschäden, die dem Frohsinn eine adäquate Kulisse bieten könnte. In die engere Wahl kamen nur drei, schließlich verlor Wernigerode, und Rudolstadt gewann.

Jubiläumskonzert 2001
Liederjan & Bierfiedler (2001)

Das "1. Fest des deutschen Volkstanzes" beschwor - auch von ostdeutscher Seite - die deutsche Einheit und somit die Einheit der deutschen Kultur. Der amerikanischen Unkultur wie Hot, Jazz oder Boogie Woogie wollte man etwas Bodenständiges entgegensetzen. Was auch die Intention westdeutscher Volkstänzer traf, die in den ersten Jahren zahlreich anreisten.

Haugaard & Høirup 2002
Haugaard & Høirup (2002)

Bald aber fühlten sie sich von der fortschreitenden Ideologisierung des DDR-Laientanzschaffens abgestoßen. Auch Heimat- und Trachtengruppen müssen parteilich arbeiten, tönte die Parole der Volkskunstdemagogen und zielte darauf, den Tanzspaß dem Ernst der Großen Sache zu opfern. 1960 - noch vor dem Mauerbau - zog eine innerdeutsche Eiszeit ein, und die BBUs, die bösen Bonner Ultras, waren fortan unerwünscht.

Marktplatz Rudolstadt

1992
Schwerpunkte: Magie nach Strich und Faden, Musik, Tanz und Lieder amerikanischer Indianer, 20 Jahre Albion Band & 25 Jahre Fairport Convention, WDR-Folk-Festival goes East, Premiere des Deutschen Nachwuchs-Folkpreises; Magisches Instrument: Geige; Deutscher Nachwuchsfolkpreis: Baba Jam Band, Hagelschlag & Elfenreigen, Noks.
1993
Länderschwerpunkt: Finnland; Themenschwerpunkt: Musik der Sinti & Roma; Magisches Instrument: Drehleier; Deutscher Folkförderpreis: Hölderlin Express, Nûrê / Tango Fuego, Bremer Straßenmusikohrkäster.
1994
EBU Folk Music Festival; Magisches Instrument: Perkussion; Deutscher Folkförderpreis: Johannes & Andreas Uhlmann, Werner Vonberg, Thalassa.
1995
Länderschwerpunkt: Südafrika; Magisches Instrument: Mandoline; Deutscher Folkförderpreis: Grenzgänger, Suzanna & Dzelem, Trio Modal.
1996
Länderschwerpunkt: Ungarn; Magisches Instrument: Hackbrett; Deutscher Folkförderpreis: O.Felix, Hora Colora, Passepartout.
1997
Länderschwerpunkt: Indien; Magisches Instrument: Saxophon; Deutscher Folkförderpreis: Schlüsselbund, Aquabella, Schnaftl Ufftschik.
1998
Länderschwerpunkt: Portugal; Magisches Instrument: Banjo; Deutscher Folkförderpreis: Kerberbrothers Alpenfusion, Micha Dümpelmann, Rolling Drones.
1999
Länderspecial als Kulturstädtereigen; Magisches Instrument: Mundharmonika; Deutscher Folkförderpreis: Robert Zollitsch, Naßler & Schneider, Das Blaue Einhorn.
2000
Länderschwerpunkt: England; Magisches Instrument: Stimme; Deutscher Folkförderpreis: Schandmaul, Jan Degenhardt, Sneppedalen.
2001
Länderschwerpunkt: Kleine Antillen; 25-jähriges Bühnenjubiläum Folkländer / Bierfiedler & Liederjan; Focus Regional: Bayern; Magisches Instrument: Klarinette; Deutscher Folkförderpreis: Toni Gelling, Iki Dünya, Ecco Meineke.
2002
Länderschwerpunkt: Polen; Focus Regional: Ruhrpott; Magisches Instrument: Kniefiedel; Tanz des Jahres: Mazurka. Deutscher Folkpreis: Daniel Kempin & Dimitry Reznik, Di Grine Kuzine, Törnmeister.
2003
Länderschwerpunkt: Kanada; Focus Regional: Berlin; Magisches Instrument: Marimba; Tanz des Jahres: Salsa; Deutscher Folk- & Weltmusikpreis 'Ruth': Wenzel, Urna, Mohammed Reza Mortazavi, TRIKONT / Achim Bergmann.
2004
Länderschwerpunkt: Griechenland; Magisches Instrument: Zither; Tanz des Jahres: Reigen- oder Kettentänze; Deutscher Folk- & Weltmusikpreis 'Ruth': Hiss, Wu Wei, Yalla Babo Express Orchestra, Zoriya.
2005
Länderschwerpunkt: Brasilien; Symposium zum 100. Geburtstag von Wolfgang Steinitz; Magisches Instrument: E-Gitarre; Tanz des Jahres: Polka; Deutscher Weltmusikpreis 'Ruth': Biermösl Blosn, Rabih Abou-Khalil, Malbrook, Nomad Soundsystem, Tango Crash, Dr. Jan Reichow.
2006
Länderschwerpunkt: Frankreich; Magisches Instrument: Dudelsack; Tanz-Schwerpunkt: Tango; Deutscher Weltmusikpreis 'Ruth': Konstantin Wecker / Bagdad-Kabul-Projekt, Rüdiger Oppermann & Karawane; Die Ohrbooten; Duo Bögeholz & Mosalini, Dr. Hartmut Franz.
2007
Länderschwerpunkt: USA; Magisches Instrument: Keyboards; Tanzschwerpunkt: Polonaise; Deutscher Weltmusikpreis 'Ruth': Etta Scollo, Achim Reichel, Charlie Mariano, Mike Kamp.


www.tff-rudolstadt.de

Ambrozijn 2003
Ambrozijn (2003)

Die Selbsteinmauerung der DDR ließ das leidlich gewachsene Festival auf ein Fest des Liedes und Tanzes auf Kreisebene verkümmern. Statt Polkas und Rheinländern kamen nun Tanzgebilde wie "Die Fahne von Kriwoj-Rog", "Polytechnischer Unterricht" oder "Kampf der Jugend gegen die NATO-Wehrpflicht" auf die Bühne. Der Name des Festes variierte fortan in schier unerschöpflichen Adaptionen: Treffen der Laien-Bühnentänzerbewegung, Folklorefest der Lebensfreude, Internationale Leistungsschau der Amateur-Bühnentanzschaffenden oder Fest der sozialistischen Völkerfamilie.

Triakel 2002
Triakel (2002)

Wie sich im Namen andeutet, wanderte der gen Westen versperrte Blick ersatzsuchend nach Osten. Gruppen aus den Bruderländern (UdSSR, Polen, CSSR, Ungarn, Rumänien etc.) brachten erstmals Ende der 60er den ersehnten Hauch Internationalismus an die Saale - und zugleich Frust und Zerknirschung über die hiesigen Ensembles. Denn die Slawen waren temperamentvollere Tänzer, hatten buntere Kostüme und furiosere Choreographien. Mit einem Wort: Sie sahnten regelmäßig ab und verärgerten sogar die SED-Prominenz, die ihrerseits versuchte, die einheimischen Ensembles per Parteiauftrag konkurrenzfähig zu machen.

Hiss 2004
Hiss (2004)

1973 öffnete sich Berlin für die 10. Weltfestspiele der Jugend und Studenten. Im Vorfeld kam so etwas wie Freude am sozialistischen Aufbau auf. Das Tanzfest wuchs zum sozialistischen Event. Stars aus Funk und Fernsehen traten auf, DDR-Rockbands gastierten, und beim 13. Tanzfest 1981 lösten die Leipziger Folkländer (die den kostümierten Budenzauber eigentlich ablehnten) mit ihrer Mitmach-Tanzgruppe Kreuz & Square eine geradezu epidemische Tanzwut aus, deren Nachwehen beim TFF noch heute zu besichtigen sind.

Halvorsen & Bruvoll 2003
Bruvoll & Halvorsen (2003)

Während das Tanzfest die 80er Jahre im Dämmerzustand verbrachte, machte sich - fast unbemerkt - die Folkszene warm. Auf zwei Pferdewagen fuhren 1984 drei Dutzend Musiker, Tänzer und Kunsthandwerker über die umliegenden Dörfer, zelteten, zechten und musizierten in den Gasthöfen. Einige der Teilnehmer sitzen heute in der TFF.Leitung. Die "Rudolstädter Folkloretour" kann mit einigem Fug als Keimzelle des TFF gelten. Was gut werden will, braucht Vorlauf.

Bilwesz 2006
Bilwesz (2006)

Das Tanzfest alten Typus fand nur alle zwei Jahre statt. Das letzte fiel auf den Sommer 1989 - während just in Ungarn die Grenze fiel. Kein ganzes Jahr später diskutierte der neue Stadtrat über für und wider der Fortsetzung des Festivals. Schließlich war es ein ideologiebeladenes Relikt aus verteufelten DDR-Tagen. Ließ sich das so ohne weiteres umetikettieren? Und würde es, neugewandet, ein neues Publikum finden? Wer nicht fragt, kriegt keine Antwort. Wer wagt, hat immerhin Aussicht zu gewinnen.

Bill Jones 2004 Susana Seivane 2000 Kapela ze wsi Warzsawa 2000
Bill Jones (2004), Susana Seivane (2000), Warsaw Village Band (2000)

1991 - Das erste Tanzfest neuen Typs

Premiere am ersten Juli-Wochenende. Nur 7 Monate zuvor hatten die meisten Mitglieder des Festivalteams den Namen Rudolstadt überhaupt erstmals gehört. Um dann in einem überaus hektischen Halbjahr ein Festival zu zimmern, das gleich von Null auf Eins springen, sich als überfälliger deutscher Gegenpart zu Falun, St. Chartier, Dranouter oder Tønder etablieren wollte.

Cass Meurig 2005 Malbrook 2005
Cass Meurig (2005)                                      Malbrook (2005)

Jeder hatte alles gemacht, von einer klaren Kompetenzverteilung konnte in diesem ebenso bunten wie idealistischen Haufen von Folk-Enthusiasten aus Ost und West keine Rede sein. Aber das war nicht der einzige Grund zur Nervosität: Würde die Bevölkerung den Wandel vom alten Tanzfest zum TFF mittragen? Würden Westfolkies auch zu einem Festival im Osten fahren?

Dziuks Küche 2007 Rainald Grebe 2007
Dziuks Küche (2007)                                      Rainald Grebe (2007)

In der Zeit der Vorbereitung unseres Tanz&FolkFestes hat es viele Diskussionen darüber gegeben, ob es richtig sei, in der gegenwärtigen schwierigen Situation, in der sich unsere Stadt und die neuen Bundesländer befinden, eine Entscheidung für ein Volksfest zu treffen, schrieb der Erste Bürger der Stadt, Dr. Hartmut Franz, im Vorwort zum Programmheft 1991, und fügte hinzu: Wir glauben, richtig entschieden zu haben: Die Tradition der Rudolstädter Tanzfeste soll erhalten bleiben.

Geoff Berner 2007 Majorstuen 2007
Geoff Berner (2007)                                      Majorstuen (2007)

Publikum wie Presse stimmten Franz einhellig zu: Mit dem Fazit Ein gelungeneres Festival dieser Art gab es bislang in Deutschland noch nicht bestätigte das Freie Wort zudem den ehrgeizigen Anspruch der Festivalmacher, DAS Folkfest im Herzen Deutschlands etablieren zu wollen. Ein Mammutaufgebot von 90 Gruppen und Solisten aus 22 Ländern sorgten für ein Festival, das in dieser musikalischen Breite einmalig in Deutschland (LVZ) war und das sich viele lange schon so gewünscht und vorgestellt hatten (OTZ).

Alamaailman Vasarat 2007 Alamaailman Vasarat 2007
Alamaailman Vasarat (2007)

Was das Festival im 32.000-Seelen-Städtchen an der Saale so einzigartig machte, war die gelungene Mischung aus Musik unterschiedlicher Couleur und vor allem die Atmosphäre: Drei Tage lang dominierte unangestrengte Gelassenheit die Straßen, wie sie in den alten Bundesländern längst zur Rarität gehört. (Badische Zeitung)

Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung der Homepage des TFF.Rudolstadt entnommen.

Deutschlands größtes Folk-Roots-Weltmusik-Festival findet jährlich am ersten (vollständigen) Wochenende im Juli statt und dauert drei Tage. Vom 4.–6. Juli 2008 geht es zum 18. Mal über die mehr als 20 Bühnen. Neben Musikern aus aller Welt gibt es diverse Programmspecials: den Länderschwerpunkt Israel, die Konzerte rund um das "magische Instrument" die Rahmen-Trommeln, den Focus regional "Sachsen", und den Tanz des Jahres: Rock´n´Roll. Weitere Höhepunkte sind die Verleihung des Deutschen Weltmusikpreises "RUTH", das TFF.Kinderfest, das Instrumentenbauzentrum, die saalgärten-After-Hour, diverse Workshops, Diskussionen und Ausstellungen sowie ein umfangreiches Straßenmusikprogramm in den Altstadtgassen.

Photo Credits: (1) Rudolstadt, (5) Marktplatz, (6) Ambrozijn, (8) Hiss, (9) Bruvoll & Halvorsen, (10) Bilwesz, (11) Bill Jones, (14) Cass Meurig, (15) Malbrook, (16) Dziuks Küche, (17) Rainald Grebe, (18) Geoff Berner, (19) Majorstuen, (20)-(21) Alamaailman Vasarat (by Walkin' Tom); (2) Heidecksburg, (3) Liederjan/Bierfiedler, (4) Haugaard & Høirup, (7) Triakel, (12) Susana Seivane, (13) Warsaw Village Band (by The Mollis).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 11/2007

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