FolkWorld Live Review 2/2002 von Ruth-Maria Kosow
Originalveröffentlichung in den LAG Folk News

TFF Rudolstadt, photo by The Mollis Folksommer 2001: Workshopwochende für Folkmusiker
Rubrik "Folkszene von innen" mit einem Bericht aus Rudolstadt

Von 2. bis 6. Juli 2001 fand zum Auftakt des Tanz&Folkfestes in Rudolstadt eine Workshopwoche für FolkMusik statt.
Zitat aus dem Ausschreibungstext: "Der Standard bei der musikalischen Ausbildung in Deutschland ist die klassische Musik. Solche klassisch ausgebildeten Musiker beherrschen in der Regel ihr Instrument bestens. Dennoch ist es eher selten, dass sie spontane Einfälle auf ihrem Instrument verwirklichen oder gar versuchen, eigene Musik zu machen. Es scheint so, als ob gerade unsere normalen Lehrmethoden beim Erlernen eines Instruments ein freies, improvisatorisches Spiel verhindern. Der Respekt vor den geschriebenen Noten steht gegen jede Spontaneität. Vollkommen anders verhält es sich in der FolkMusik. Ähnlich wie im Jazz lebt diese Musik von Vitalität, Spaß und einem Sich-Ausleben in der Musik".

Als studierte Geigerin - auch gerne "Klassikfuzzi" genannt - hatte ich bislang nur nebenbei Kontakt zur Folkmusikszene. Dieses Pilotprojekt war also ein willkommener Anlass, diesen Zustand zu ändern. Meine Aufmerksamkeit wurde geweckt durch das Faltblatt in meiner Musikschule. Meine letzte Zurückhaltung verflog, als ich auf dem Musikschulkongress in Leipzig mit Jo Meyer, dem Organisator des Workshops, ins Gespräch kam.

Schon am ersten Tag zeigte sich, dass dieser Workshop nicht nur eine wunderbare Idee war, sondern auch das "Drumherum", also Organisation, Unterbringung und Dozententeam, aus dem Pilotprojekt eine gelungene Sache machen würden.

Jo Meyer, organisator des Workshops, photo by The MollisDie geplante Zielgruppe, Musikschullehrer und fortgeschrittene Schüler, war einerseits zurückhaltend, andererseits lag der Termin zu kurz vor den Ferien. Somit waren unter den Teilnehmern nicht nur Musikpädagogen, sondern auch viele Hobbymusiker. Da auch die Nachwuchspreisträger des deutschen Folkpreises mit den Instrumenten Geige, Dudelsack und Bandoneon vertreten waren, gab es viele Kombinationsmöglichkeiten zum gemeinsamen Musizieren. Die Teilnahme am FOLKSOMMER war ihr Preis. Die Unterkunft, die Fröbelschule in Keilhau, 7 km von Rudolstadt entfernt, lag mitten in einer wunderbaren Wanderlandschaft und bot damit einen entspannenden Ausgleich zu den anspruchsvollen Unterrichtsstunden.

Gleich nach dem Frühstück wurden wir vom Rhythmusdozenten Markus Zell gefordert. Rhythmischer TÜV - Rhythmustraining für alle FOLKSOMMER Teilnehmer in der Turnhalle. Nach diesem Spaß waren alle wach. Anschließend erhielten wir Unterricht bei den Dozenten, eingeteilt nach Instrumenten. Alle Instrumente, die nicht im Programm standen, aber unter den Teilnehmern vorhanden waren, also Bandoneon, Dudelsack und Kontrabass, wurden im Rhythmuskurs integriert.

Bei Harald Haugaard, dem dänischen Geiger, lernten alle Teilnehmer des Geigenkurses täglich neue Melodien nach Gehör. Erst wenn alle die Melodie intus hatten, wurden die Noten verteilt. Musik lernen nach Gehör ist eine übliche Praxis in der Folkmusik und eröffnet interessante neue Sicht- und Herangehensweisen. Aber damit nicht genug: Dazu kamen die zweiten Stimmen sowie Vorschläge, wie man auf der Basis der Harmonien diese Melodien begleiten kann. Viele von uns hätten sich mehr Improvisationstraining und noch mehr Arbeit in kleinen Ensembles gewünscht, allein schon, um dem unterschiedlichen Niveau gerecht zu werden. Dennoch hatten fast alle das Gefühl, für sich viel gelernt zu haben. Somit war es kein Workshop für "Insider", sondern ein guter Start für Folkmusik-Neueinsteiger.

Spannend waren auch die abendlichen Vorträge von Jiri Plocek, dem Mandolinendozenten aus der Tschechischen Republik, und Harald Haugaard. Jiri Plocek zeigte uns am ersten Abend die verschiedenen Stile der Folkmusik in Mähren einschließlich des geschichtlichen Hintergrundes. Dazu brachte er nicht nur eine ethnographische Karte mit, sondern auch noch passende Musikbeispiele und kleine Anekdoten. Harald Haugaard informierte uns über die gegenwärtige Entwicklung der Folkmusik in Dänemark. Als Leiter des Fachbereichs Folkmusik an der Musikakademie in Odense spielt er darin selbst eine große Rolle.

Harald Haugaard, photo by The MollisSehr viel Spaß machte auch der Tanzabend mit der Tanzmeisterin Sigi Doberenz. Dazu hatten wir am Nachmittag in kleinen Ensembles verschiedene Tänze geprobt. Zu Beginn lernten wir die Tanzschritte von Polka, Schottisch und Walzer in verschiedenen Formationen mit fachkundiger musikalischer Begleitung von unseren Dozenten. Als der Tanzunterricht vorbei war und wir nur noch wiederholen wollten, kamen die kleinen Ensembles zur Geltung; wir spielten uns gegenseitig zum Tanz auf.

Insgesamt war also der Workshop sehr umfassend und abwechslungsreich. Den Höhepunkt bildete natürlich für alle der Auftritt auf dem Tanz&Folkfest am Freitag, gleichzeitig der Abschluss des Workshops. Das Tanz&Folkfest Rudolstadt ist eins der größten Folk- und Weltmusikfestivals in Europa und zieht jeden Sommer über 70.000 (!) Besucher in dieses malerische Thüringer Städtchen. Nach der beschaulichen Ruhe von Keilhau stürzten wir uns also in den Trubel des Festivals. Im Rahmen des Eröffnungskonzert auf der Marktbühne brachten wir unser kurzes Tuttiprogramm (alle Instrumente gemeinsam) auf die Bühne. Abends ließen wir unter großer Anteilnahme des Festivalpublikums den Workshop in der gemütlichen Atmosphäre des Handwerkerhofes ausklingen. Zur Aufführung kam noch einmal unser gesamtes FOLKSOMMER Repertoire in wechselnden Besetzungen.

FOLKSOMMER 2002
Für alle, die jetzt noch Zweifel haben, ob dieser Workshop das Richtige ist, kann ich nur meine besten Empfehlungen aussprechen. Da Jo Meyer auch nach dem Workshop immer ein offenes Ohr für Anregungen hatte, bleiben beim nächsten Mal bestimmt keine Wünsche offen. Das Programm für den FOLKSOMMER 2002 ist schon in Arbeit, und so soll es aussehen:

Violinenkurs - Harald Haugaard (Dänemark) - Owe Ronström (Schweden) - Gabi Meyer (Deutschland)
Saxophonkurs - Hans Mydtskov (Dänemark)
Akkordeonkurs - Alan Bern (USA)
Rhythmuskurs - Markus Zell (Deutschland)
Rahmenprogramm - Tanz: Sigi Doberenz (Deutschland) - Vorträge: Prof. Manfred Bartmann (Institut für Musikwissenschaften Uni Salzburg)

Also, bei Interesse schon mal den Termin vormerken: 1. bis 5. Juli 2002. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr!

Photo Credit: All photos by The Mollis
(1) TFF Rudolstadt, (2) Jo Meyer, Organisator der Workshops, (3) Harald Haugaard


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 2/2002

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