FolkWorld #71 03/2020
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Across the Western Ocean

Chronist der Emotionen

Der in Deutschland geborene Musiker Thomm Jutz ist in den Vereinigten Staaten heimisch geworden und befasst sich viel mit amerikanischer Geschichte. So verkörpert auch sein neues Album To Live In Two Worlds erneut seine Faszination für die Historie, obwohl er selbst zugibt: »Ich bin kein Historiker, sondern ein Chronist der Emotionen.«

Thomm Jutz

Thomm Jutz: To Live In Two Worlds

Artist Video Thomm Jutz
@ FROG


www.thommjutz.com

Im zarten Alter von neun Jahren entdeckte Thomm Jutz Country-Musik im Soldaten-Sender AFM (American Forces Network). Der Klang der Musik faszinierte ihn: »Ungefähr zwei Jahre später sah ich Bobby Bare in Country Time mit Freddy Quinn - und das wars. Sein Auftritt sprach mich instinktiv und unbewusst an. Von diesem Zeitpunkt an lernte ich alles über Country-Musik und ihre Ursprünge.«

Thomm Jutz fand Gefallen an Eric Clapton, JJ Cale, Doc Watson, Ricky Skaggs und The Band. Davon ausgehend zog es ihn zu den klassischen Bluesmen wie Muddy Waters, John Hurt und Robert Johnson, als auch den texanischen Singer-Songwritern wie Townes Van Zandt und Guy Clark. Ein weiterer, nur kleiner Schritt zurück führte zur Mississippi Jug Band, Charlie Poole, Jimmie Rodgers, den Skillet Lickers, Norman Blake und all der »alten Musik der Appalachen - von Leuten, die in keinster Weise berühmt waren.«

Unter anderem spielte Thomm Jutz eine Menge Konzerte und nahm einige Platten mit dem texanischen Songwriter Richard Dobson auf, der sich in der Schweiz niedergelassen hatte. Umgekehrt zog es ihn selbst über den Großen Teich: »Ich wollte immer der Musik näher kommen, die ich liebte. Ich hatte immer ein Gefühl von Fernweh und wollte nach Amerika ziehen.«

Schließlich zog er das große Los in Form einer Green Card. Er siedelte in die Vereinigten Staaten über und ließ sich in Nashville nieder. Ausgerechnet in der "Music City"? Dem Klischee per se?

»Auf den ersten Blick mag es so aussehen, und wenn man hierher kommt und nur zu den üblichen Touristenorten geht, kann man auch mit diesem Eindruck wieder weggehen. Aber es gibt immer noch großartige Live-Musik überall, es gibt Unmengen großartiger Songs, die hier geschrieben werden. Das Niveau der musikalischen Kompetenz in der Studioszene ist unübertroffen.«

Thomm Jutz & Peter Cooper

Eric Brace, Peter Cooper, Thomm Jutz: Riverland


Artist Video facebook.com/
ericbraceandpetercooper

Rückblickend auf 15 Jahre in den USA sinniert Thomm Jutz: »Es gibt einige künstlerische Höhepunkte - wie die Arbeit mit Mac Wiseman, Platz 1 in den Bluegrass-Charts, TV und Film oder Auftritte in der Grand Ol’ Opry ... Aber der leise Erfolg, einen guten Song geschrieben zu haben, oder etwas zu spielen, das dich zufriedenstellt, ist genauso wichtig und immer noch ein unglaubliches Gefühl; ein Gefühl, von dem ich nie genug haben kann. Einzig allein ein Teil der kreativen Szene in Nashville zu sein, ist ein beständiges High.«

Das aktuelle Album "To Live In Two Worlds" enthält 28 Songs in klassischem und nostalgischem Bluegrass-Stil. Die eine Hälfte enthält einzig Gesang und Gitarre, die andere eine vollumfängliche Backing-Band. Sein großes Thema ist die amerikanische Geschichte:

»"To Live In Two Worlds" steht für meine Faszination für Geschichte, musikalisch als auch anderweit. Ich lebe im Hier und Jetzt, aber in meinem Kopf lebe ich oft ein Jahrhundert früher. Ich bin von dieser Zeit, der Musik, der Art zu sprechen und ganz allgemein dem Geist jener Zeit der großen Veränderung fasziniert. Der Titel bezieht sich auch auf die Tatsache, dass ich in Europa geboren wurde, aber jetzt ein amerikanischer Staatsbürger bin, der viel über die amerikanische Geschichte schreibt, die offensichtlich eng mit der Geschichte der schottisch-irischen, englischen und deutschen Einwanderer zusammenhängt.«

Thomm Jutz würde sich aber niemals als Wissenschaftler beschreiben, er bleibt ein Künstler: »Ich bin kein Historiker, sondern ein Chronist der Emotionen. Wenn Menschen schwere Zeiten oder Perioden großer Konflikte durchmachen, so verhärten sich ihre Sichtweisen oder sie ändern sie… politisch, religiös und sozial. Wir können heute in den USA und in Mitteleuropa etwas Ähnliches sehen, und ich denke, über diese Dinge lohnt es sich zu schreiben.«

Seit seiner Emigration vor andereinhalb Jahrzehnten hat Thomm Jutz des öfteren wieder Europa besucht. Er war mit David Olney, Mary Gauthier und Nanci Griffith unterwegs, in jüngerer Zeit als Trio mit seinen Kumpels Eric Brace und Peter Cooper. In dieser Konstellation wird er im Herbst 2020 auch wieder in Deutschland und in den Niederlanden zu erleben sein. Die Tourdaten finden sich in naher Zukunft auf seiner Website. Ich kann einen Konzertbesuch uneingeschränkt empfehlen!



Photo Credits: (1)-(2) Thomm Jutz (unknown/website).


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