Zu Beginn des Jahrtausends begründeten 11 in Dresden lebende Musiker die Banda Communale und überfluteten die Elbmetropole in den folgenden Jahren mit ausgelassener und stürmischer Klezmer-Blasmusik. Wenige Jahre später begab es sich, dass selbsternannte Wutbürger und Patrioten gegen eine andere Überflutung, nämlich die durch Muslime, Flüchtlinge und anderes Gesockse, auf die Straße gingen.
Die Banda Communale war mittendrin dabei ... bzw. dagegen. Wer die mediale Berichterstattung damals verfolgt hat, musste den Eindruck gewinnen, dass die Stadt völlig polarisiert war. Es genügte der Banda folgerichtig bald nicht mehr, einfach nur Anti zu sein und auf den Demos zu spielen, sondern wollte etwas Positives dagegensetzen. Also wurden Willkommenskonzerte in den Flüchtlingslagern gespielt.
Man lernte Musiker aus den unterschiedlichsten Ländern kennen, irgendwie hat man sich verabredet, miteinander gejammt und neue Mitglieder wurden in die Gemeinschaft aufgenommen. Die Dresdner Elf wuchs zu einem 20köpfigen Ensemble an und aus der Banda Communale wurde die Banda Internationale.
Das Ergebnis war nicht eben künstlerisch filigran und ausgereift, aber ein kreatives Chaos, das den Musikern nicht nur viel Spaß brachte, sondern auch den für jeden Menschen unabdingbaren Stolz entwickeln ließ, eine gute Arbeit abgeliefert zu haben. Die Art von Stolz, wohlgemerkt, die in Gegensatz zu Hochmut und Arroganz steht und nicht zu Hass und Ablehnung führt.
Man könnte es auch mit dem Demo-Motto "Herz statt Hetze" auf den Punkt bringen. Oder mit der Ansage eines Moderators: "Neue Sounds, neue Melodien, neue Gesichter, ... vor allem neue Freunde."
Barbara Lubich und Michael Sommermeyer haben die Banda 18 Monate mit der Kamera begleitet: jung und alt tanzt im Asylheim, im Proberaum und im Tourbus wird diskutiert, zuguterletzt werden die Festivalbühnen erobert. Der Dokumentarfilm Wann wird es endlich wieder Sommer? zeigt Begegnungen und erzählt Geschichten.
Am Ende des anderthalbstündigen Films wünscht man sich, dass Dresden und Sachsen – und unzählige andere Orte in Ost und West – allzeit dieses menschliche Gesicht zeigen würden!
Ein Mitglied der Banda ist Ezé Wendtoin aus dem westafrikanischen Burkina Faso. Er selbst ist nicht gelüchtet, sondern hat sich einst in die Sprache der Dichter und Denker verliebt und an der TU Dresden ein Germanistikstudium absolviert. Beim Heimatsound-Festival 2016 in Oberammergau sang er solo als letzte Zugabe den alten Rudi-Carrell-Hit "Wann wird es endlich wieder Sommer?", der sich der Melodie von Steve Goodmans "City of New Orleans" bedient[69] und dem Film den Titel geliefert hat.
Da tropft die Ironie nur so aus den alten Zeilen: Es war wie in Afrika ... Wir brauchten früher keine große Reise, wir wurden braun auf Borkum und auf Sylt ... Doch heute sind die Braunen nur noch Weiße ...
Inzwischen lebt Ezé zwischen den Kulturen, und so heißt sein Debütalbum auch programmatisch Inzwischen Dazwischen. Seine Musik ist eine bunte Mischung aus Folk-Songs und Chansons zu afrikanischen und lateinamerikanischen Rhythmen. Die Botschaft ist Zurückweisung jeder Art von Vorurteilen und Diskriminierung, aber stets mit Witz, Frohsinn und Good Vibrations.
"Das Land das die Fremden nicht beschützt geht bald unter. Sey ein Freund der Fremden und Reisenden, denn sie sind als Mittel eines guten Rufs zu betrachten; sey gastfrey, schätze die Vorüberziehenden, hüte dich ungerecht gegen sie zu seyn." So schrieb einst Ezés Idol Johann Wolfgang von Goethe anno 1819 im "West-Östlichen Diwan". Wir sollten zusehen, dass der Dichterfürst kein einsamer Rufer in der Wüste bleibt.
Photo Credits:
(1)-(2) "Wann wird es endlich wieder Sommer?",
(3)-(4) Banda Internationale,
(5)-(6) Ezé Wendtoin (unknown/website).
