FolkWorld #50 03/2013

CD & DVD Rezensionen

DieSteinbach "Stadt.land.lied"
2012

www.diesteinbach.at

Ich habe mir einige Zeit überlegt, ob diese CD eher eine CD für Kinder oder Erwachsene ist . Dabei spricht vieles in Richtung Kinder-CD - das ansprechende Cover-Bild einer bunten Kuh, und die Themen der Lieder - Fragen (z.b. warum ein Rhinozeros nicht fliegen kann), Regen, Wünsche vom Christkind etc. Aber letztendlich haben mich einige der öfters recht deftigen, zum Teil etwas pubertären Texte doch davon überzeugt, dass es besser bei den Erwachsenen-CDs aufgehoben ist (z.B. im Liede "Frogn" die Frage "fliegt der schwule Adler am Abend zu seim Horst?"). Die Texte sind alle von der Steinbach (Angelika Steinbach-Ditsch), in Österreichisch, was bedeutet dass ich sie nicht vollständig verstehen konnte.
Die Lieder haben eine attraktive Instrumentierung, mit Akkordeon, Klarinette, Geige, Bass, Gitarre, und stilistisch ist die CD im Bereich Folk mit Country/Bluegrass-Einflüssen anzusiedeln, mit zum Teil starken Einflüssen aus Pop, Jazz und osteuropäischer Musik.
© Michael Moll


Blackmore's Night "The Beginning" [2 CDs & DVDs]
UDR / EMI, 2012

www.blackmoresnight.com

Anno Domini 1997 stieg Gitarrist Ritchie Blackmore aus der Rockgruppe Rainbow aus und gründete mit seiner Ehefrau und Sängerin Candice Night Blackmore’s Night - einerseits um dem Rock'n'Roll-Business zu entfliehen und andererseits um seiner heimlichen Liebe Renaissance-Musik nachzugehen.
"The Beginning" ist eine Dokumentation der Anfangszeit und frühen Schaffensperiode von Blackmore’s Night, sprich in der violetten Samtbox finden sich die beiden ersten Blackmore‘s Night-Alben "Shadow Of The Moon" (1997)[5] und "Under A Violet Moon" (1999), die Zeit bevor das Duo Charts-Erfolge mit ihrer Musik erzielen konnte.[20][24][33][37][38][49] Der Erstling "Shadow of the Moon" besteht aus poppigen Renaissance-Stücken mit Folk-Anleihen. Die Eigenkompositionen von Blackmore - großteils gemächlicher Natur - basieren teilweise auf Kompositionen von Susato, Attaingnant und Tchaikowski, gepaart mit dem feenhaften Gesang von Candice Night. Stücke wie "Writing On The Wall", "Play Ministrel Play" oder "Wish you were here" werden bis heute gespielt. Bei dem instrumental ausgereifteren, aber musikalisch schwächeren "Under A Velvet Moon", inklusive dem Rainbow-Hit "Self Portrait", wird das Tempo angezogen, was den Konzerten gut getan hat.
Die beiden DVDs enthalten Videoaufnahmen, allesamt erstmals zu sehen, der Tourneen "Live in Germany 1997-1998" und der "Castle Tour 2000", angereichert um Wohnzimmerproben und Interviews mit Ritchie Blackmore und Candice Night. Bild und Ton (Englisch mit deutschen und englischen Untertiteln) sind nur von geringem technischen Niveau, bieten aber spannende und interessante Einblicke in die ersten Gehversuche einer der kommerziell erfolgreichsten Mittelalter- und Weltmusik-Gruppen der letzten zwanzig Jahre.
© Walkin' T:-)M


Planxties & Airs "Gallery"
Eigenverlag, 2012

www.planxties-airs.de

Ein Hörerlebnis der anderen Art: Die Instrumentierung besteht aus der Düsseldorfer Kantorin Ulrike von Weiß (Weimbs-Orgel der Christuskirche Brühl) und ihrem Ehemann Claus von Weiß (Whistles und Low Whistles), beide Mitglieder der English-Folk-Gruppe Morris Open und des Alte-Musik-Vokalensembles Trutz Nachtigall. Die Geschwindigkeit der Stücke ist ein Tuck gemächlicher und gemütlicher, um nicht zu sagen majestätischer, als gewöhnlich. Klingt erst einmal nicht außergewöhnlich, wenn man nicht weiss, dass die Auswahl aus keltischen Weisen besteht, den Planxties & Airs.[36] Darunter der bekannte Set-Dance "King of the Fairies", der muntere Jig "Lark in the Morning" und der trotz des Titels druckvolle Reel "Drowsey Maggie". Neun (von insgesamt 18) Kompositionen stammen von Claus von Weiß. Drei Stücke sind dem Gedenken an verstorbene Freunde gewidmet, entsprechend melancholisch bis finster ist die Stimmung des Albums. Keine feucht-fröhliche Pubstimmung, aber auch keine Totenwache - zumindest keine irische.
© Walkin' T:-)M


Zoë Conway & John McIntyre
"Go Mairir I Bhfad - Long Life To You"
Tara Music, 2012

English CD Review

www.zoeandjohn.com

Die irische Riverdance-Veteranin und Geigerin Zoë Conway [24] hat mit ihrem Ehemann, dem Gitarristen John McIntyre, das erste gemeinsame Duo-Album veröffentlicht. Die Besonderheit: Zoë hat ein Dutzend bekannte irische Musiker dazu verpflichtet, ihr ein neues Stück Musik für Geige & Gitarre zu schreiben. Zusammengekommen sind einerseits traditionelle Musikformen der irischen Musik wie Slow Airs, Jigs und Reels; die Beiträge von Tommy Peoples[38] oder Peadar Ó Riada[43] könnten auch Jahrhunderte alt sein. Die irisch-amerikanische Geigerin Liz Carroll spannt den Bogen bis zum Zerreissen,[39] andere überschreiten alle Grenzen: Máirtín O’Connors[39] "Trip to Gort" atmet südamerikanische Luft (geschuldet einer großen brasilianischen Gemeinde in dem Städtchen Gort), Andy Irvine[48] experimentiert wieder mit Balkan-Rhythmen. Weitere Kompositionen stammen von Steve Cooney,[46] Frankie Gavin,[44] Charlie Lennon,[34] Donal Lunny,[37] Niall Vallely,[24] Bill Whelan,[42] und Mícheál Ó Súilleabhán,[4] dessen "Bóthar na Sop" nicht zu verwechseln ist mit dem gleichnamigen traditionellen Stück, das ich mal von Micho Russell[40] hören durfte. Also von Planxty bis Riverdance, von Donegal bis Kerry ... eine spannende Mischung irischer Fiddlemusik. Beide, Zoë als auch John, sind ausgezeichnete Instrumentalisten; "Go Mairir I Bhfad" bietet dementsprechend nicht nur eine Sammlung neuer Stücke, sondern auch eine ausdrucksstarke Interpretation derselben.
© Walkin' T:-)M


Konstantin Wecker "Wut und Zärtlichkeit Live"
Sturm & Klang (Alive), 2013

www.wecker.de

Es beginnt mit "Wut und Zärtlichkeit" und "Absurdistan" vom aktuellen Studio-Album,[46] als auch dem satirischen Versuch, das Ansehen der "Kanzlerin" in die Höhe treiben. Zurück in die 1990er Jahre mit seinen Brecht-Adaptionen, fasziniert vom Feuer und Zartheit der Brechtchen Poesie bei aller unverblümten Geilheit. Noch weiter zurück in die 1970er, als meine Lieder noch im Rundfunk gespielt wurden und die Hausfrau beim Bügeln störten. Zwischen zart-anmutenden Klängen und vorantreibendem Jazzrock singt und swingt der Münchner Liedermacher-Veteran Konstantin Wecker,[48] diesmal im Gespann mit Jo Barnikel (Keyboards, Akkordeon), Nils Tuxen (akustische und elektrische Gitarren, Dobro), Jens Fischer (Akustik-Gitarre, Bass, Schlagzeug) bzw. Tim Neuhaus (Gitarre, Schlagzeug). Die 23 Live-Titel, aufgenommen auf Konzerten in der Alten Oper in Frankfurt und in der Essener Philharmonie, präsentieren einen Mitt-Sechziger, der voll im Saft steht. Resümee wurde das Studioalbum "Wut und Zärtlichkeit" in manch einer Gazette genannt, nein doch, Konstantin Wecker ist ganz gegenwärtig.
Die erfolgreiche "Wut und Zärtlichkeit"-Tour wird auch 2013 fortgesetzt.
© Walkin' T:-)M


Mícheál Healy with Steve Cooney "Pleckin About"
Own Label, 2012

English CD Review

www.michealhealy.com

Banjos, banjos, banjos ... hatte ich in der letzten FolkWorld-Ausgabe entdeckt.[49] Hier ist noch eines, diesmal gespielt von einem irischen Jungspund aus dem County Mayo, der alle Tricks aus dem Effeff beherrscht. Ein Stück, wie das als Reel betitelte "Rhythm & Rhapsody" aus eigener Feder, ist eine wilde, hypnotisierende Fingerübung, die an die Grenzen dessen geht, was die Folk-Polizei noch durchgehen lässt. Abgesehen von einem musikalischen Abstecher nach Frankreich, bewegt sich Mícheál Healy innerhalb der typisch irischen Musikformen: rasante Reels, swingende Jigs und Hornpipes. Nur kurz beteiligen sich Mícheáls Geschwister an Klavier, Harfe und Bodhrán, einzig die Gitarre Steve Cooneys[46] ist von dauerhafter Präsenz. Neben Traditionals finden sich Kompositionen von Tommy Peoples,[38] Máirtín O’Connor,[39] Charlie Lennon[34] u.a. Die Weise "Salt Wedding", ein Slow Reel von Nico Browne und Hochzeitsstück aus Stephen Greenhorns Theaterstück "The Salt Wound", zeigt eine andere Seite Mícheáls, wo er das druckvolle Banjo gegen die zirpende Mandoline eintauscht. Die abschließenden "Boardwalk Reel" und "Pleckin' About" präsentieren Mícheál Healy zudem als talentierten Komponisten.
© Walkin' T:-)M


Clannad "Christ Church Cathedral" [CD]
ARC Music, 2013

Clannad "Christ Church Cathedral" [DVD Video]
ARC Music, 2013

www.clannad.ie

Die Geschwister Moya Brennan (Máire Ní Bhraonáin),[49] Ciarán und Pól traten schon als Kinder im Pub ihres Vaters im irischen County Donegal auf. Komplettiert durch ihre Onkel Noel Duggan und Padraig Duggan erschien 1973 das Debütalbum "Clannad". Nach diesen folkigen Gehversuchen[30] entwickelte die Gruppe ihren Klang, eine Mischung aus ätherischem Harmoniegesang zumeist in der gälischen Sprache und einer musikalischen Mischung aus irischer Folklore und gefälliger Popmusik. Ein Musikstil der heutzutage geradezu als charakteristisch für Keltische Musik gilt. Mit den 1997 erschienenen "Landmarks"[6] gewann Clannad einen Grammy Award in der Kategorie "New Age". Dies sollte das bisher letzte Studioalbum sein, obwohl die Gerüchteküche wissen will, dass noch 2013 zum 40jährigen Jubiläum eine neue CD folgen soll.
Um die Wartezeit zu verkürzen, hat Channad ihre allererste Live-DVD und eine zugehörige CD veröffentlicht, aufgenommen am 29. Januar 2011 in Dublins Christ Church Cathedral. Zum ersten Mal nach gut zwanzig Jahren standen wieder alle fünf Originalmitglieder zusammen auf einer Bühne. Die Show beginnt mit "Thios chois na tra domh", dem allerersten Song, den sie gemeinsam spielten. Überhaupt liegt der Schwerpunkt eher auf den traditionellen Titeln ihrer Frühzeit: "Cran ull" und "Buachaill on eirne", "Eirigh is cuir ort do chuid eadaigh" und "Dulaman" (die letzten beiden Titel kennt man auch von der ebenfalls aus Donegal stammenden und Gälisch singenden Gruppe Altan),[31] das Harfenstück "Eleanor Plunkett". "Dtigeas a damhsa" konnten in den Siebzigern die Besucher des Irish Folk Festivals hören, nachzuhören von Clannad auf den diversen Festival-CDs.
Die Set-List enthält aber auch die Musik aus der legendären Fernseh-Serie "Robin of Sherwood" und den Song "I Will Find You" aus dem Hollywood-Blockbuster "Der letzte Mohikaner". Das Konzert beginnt einzig mit den fünf Clannads auf der Bühne, nach und nach gesellen sich die Geiger Máire Breathnach[44] und Sinead Madden, die Cellistin Jane Hughes, Perkussionist Robbie Harris und Keyboarder Eamonn DeBarra.[42] Emotionale Höhepunkte des Konzertes bieten das Gesangsduett mit Brian Kennedy - "In A Lifetime", im Studio-Original Mitte der 1980er von U2-Sänger Bono gesungen -, sowie mehrere religiöse Titel mit der keltischen Acapella-Gruppe Anúna. Mit der Christ Church Cathedral hätte es keinen besseren Ort dafür geben können.
© Walkin' T:-)M


Moussu T e lei Jovents "Artémis"
Le Chant du Monde, 2013

Article:  Folk & The City - Marseille & Košice

www.moussut.ohaime.com

Dieses Jahr ist Frankreichs größte Mittelmeer- und Hafenstadt Marseille Europäische Kulturhauptstadt (www.mp2013.fr). Genau wie andere große Seehäfen ist auch Marseille ein kultureller Schmelztiegel, und keine andere Band repräsentiert dies musikalisch wie Moussu T e lei Jovents. Die Gruppe besteht aus dem Sänger Tatou (aka Moussu T = Herr T), Begründer und Frontmann der okzitanischen Ragamuffin-Band Massilia Sound System, dem Massilia-Gitarristen Blu (Gitarre, Banjo), sowie Perkussionist Déli K, Schlagzeuger Denis Lo Bramaire und Gast-Perkussionist Jamilson Da Silva. Die Schutzgöttin der Stadt, Artémis, ist die Muse für das fünfte Album, wie die Dame schon Muse und Inspiration für die okzitanischen Troubadoure des Mittelalters gewesen ist. Moussu T e lei Jovents haben ihren eigenen Musikstil erfunden, der irgendwo zwischen Chanson und Blues pendelt. Die selbstverfassten Lieder in okzitanischer und französischer Sprache, die sich um Themen wie Krieg, Stahl, Öl und Schiffsbau drehen, sind von dem Marseille der 1930er-Jahre inspiriert, einem musikalischen Eldorado mit provenzalischer Folklore und französichen Operetten auf der einen und der neuartigen schwarzen Musik (Blues und Jazz, aber auch lateinamerikanische Rhythmen) auf der anderen Seite. Großen Einfluss auf die Musik von Moussu T hatten schon zu Massilia-Zeiten brasilianische Künstler wie Silverio Pessoa.[49] Reinhören lohnt sich!
© Walkin' T:-)M


Paper Aeroplanes "Little Letters"
Navigator Records, 2013

www.paperaeroplanesmusic.com

West Coast Sound - allerdings nicht aus dem sonnigen Kalifornien, sondern aus dem verregneten Wales. Beim Anhören von "Little Letters" kommen mir die kanadischen Cowboy Junkies mit ihrem melancholischen Pop in den Sinn,[48] oder geographisch näher die irischen, nicht ganz so melodramatisch angehauchten Cranberries. Paper Aeroplanes sind Sarah Howells and Richard Llewellyn und bestehen seit rund 5 Jahren. "Little Letters" ist das dritte Album, das offiziell am 13. Mai 2013 veröffentlicht wird. Der Opener “When the Windows Shook” über die Industrie-Unfälle in Sarahs Heimatstadt Milford Haven (Öl-Katastrophen in den Jahren 1994, 1994 und 2011) ist ein toller Song, mit seinem Tempo allerdings inkonsequent. In Stück #2 geht die Geschwindigkeit zurück, um nicht wieder zu beschleunigen. Ansonsten ist "Little Letters" von Anfang bis Ende pure Qualität. Das Prunkstück ist “Multiple Love”, eine traurige Hymne für Singles, das Sarahs Gesangstalent in den Vordergrund stellt; hier begleitet nur von Klavier und ihrem eigenen Harmoniegesang. Neben Sarahs wunderbarem Gesang finden sich schöne Geschichten, eingängige Melodien und atmosphärisch arrangierte Lieder.
© Walkin' T:-)M


Various Artists "New Queens of Fado"
Arc Music, 2012

Nachdem sich ARC-Music vor einigen Monaten der großen Legenden des Fado angenommen hatte und Künstlerinnen, wie Amalia Rodrigues und Herminia Silva die Ehre erwies,[46] richtet das Label nun den Fokus auf die Fadointerpretinnen der Gegenwart. Einige von den auf der CD "New Queens of Fado" vertretenen Sängerinnen stehen zwar bereits mit Lobeshymnen bedacht noch ganz am Anfang ihrer Karriere. Carminho und Joana Amendoeira haben bereits früh begonnen, sich dem Fado zu verschreiben. Dabei gilt diese Musik als Ausdruck der Reife und Lebenserfahrung. Doch das sagt man auch über den amerikanischen Verwandten des Fado, den Blues. Carminho und Joana Amendoeiro hatten beide kaum das Teenageralter hinter sich gelassen, als man auf sie aufmerksam wurde. Heute gelten sie als Hoffnungsträgerinnen der portugiesischen Musik. Von ihnen sind jeweils zwei Titel auf dem Album zu finden. Ana Moura und Katia Guerreiro stellen bereits die nachgerückte Garde der Fadokünstlerinnen dar, sind weltweit unterwegs und versuchen mit Querverbindungen zu Pop und Jazz dem traditionellen Gesang neue Impulse zu geben. Die ebenfalls auf der CD „New Queens of Fado“ vertretenen Sängerinnen Mariza und Misia, kann man heute als die ausdrucksstärksten Fadistas nach Amalia Rodrigues bezeichnen. Während Misia gern künstlerische Seitenstraßen befährt und mit portugiesischen Literaten zusammenarbeitet, hat sich Mariza zur Ikone des stilreinen Fado entwickelt. Ganz anders gestaltet sich die Beziehung, die Cristina Branco zur Musik ihrer Heimat besitzt. Sie beherrscht den melancholischen Gesangsstil des Fado vortrefflich, lässt sich jedoch nicht darauf eingrenzen. Ihre Alben besitzen eine eigene Poesie und verbinden Chanson mit Fado und Tango. Von ihr finden sich zwei frühe Liveaufnahmen aus der Anfangsphase ihrer Karriere auf der CD. Wer einen Blick in die neuere Entwicklung des Fado werfen will, findet in "New Queens of Fado" ausnahmslos spannende Anregungen.
© Karsten Rube


Skazka Orchestra "Kalamburage"
Eastblok Music, 2012

www.skazka-orchestra.de

Berlins kultureller Herzschlag besitzt seit vielen Jahrzehnten, wenn nicht sogar Jahrhunderten auch einen russischen Takt. Gerade beleuchtet eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum die wechselvolle Geschichte der gegenseitigen Beziehungen beider Völker. Dass Charlottenburg bereits in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts Charlottengrad genannt wurde und man diesen Begriff auch heute wieder öfter hört, muss nicht verwundern, denn derzeit leben wieder viele Russen gern in Deutschland. Kulturell stellen die hier ansässigen Russen auch jenseits von Wladimir Kaminer viel auf die Beine. Im Dunstkreis von Kaminers Kaffee Burger tauchen immer wieder enthusiastische neue russische Musiker auf, die vor allem zwei Dinge wollen: Musik machen und Spaß haben. Das Skazka Orchestra ist eine der neuesten temporeichen russischen Musikkapellen, die in Berlin für Stimmung sorgen wollen. "Kalamburage" heißt ihre aktuelle CD, die gerade erst bei Eastblok Music erschienen ist und man kann sagen, wer im frühen Winter 2013 diese Platte auflegt, braucht keine Heizung mehr. Eine Stunde lang scheppern sie sich fröhlich durch die CD und nehmen dabei ebenso wenig Rücksicht auf die Gehörgänge des Hörers, wie auf stilistische Reinheit der Kompositionen. Ohne Probleme tanzt Reggae mit Balkanbrass, und wenn ein beschwipstes Akkordeon auf Janitscharenmusik trifft, hört man auf, Fragen nach dem Warum zu stellen. Nicht umsonst geben die Musiker in ihrer Biografie an, in Berlin Akkordeon und Bier studiert zu haben. So ist das Ergebnis eine Musik mit der unberechenbaren Wirkung selbst gebrannten Wodkas an einem unterhaltsamen Abend.
© Karsten Rube


Yasmin Levy "Libertad"
World Village, 2012

www.yasminlevy.net

Ich war gerade dabei, irgendetwas im Haushalt zu machen, Weihnachtsbaum abschmücken oder so und hörte "Libertad" von Yasmin Levy. Warum weint sie nur so, dachte ich und lies die CD nur mäßig beachtet laufen. Als ich mich dann hinsetzte, um etwas über die Platte zu schreiben, legte ich sie noch einmal in den Player, stülpte mir Kopfhörer über, drehte laut und vergaß alle Gedanken, die ich mir bis dahin über ihre Musik gemacht hatte. Yasmin Levy's Musik traf mich mit der gesammelten Fülle der Emotionen, die in ihren Liedern steckt erst, als ich es zuließ ihr die Aufmerksamkeit zu widmen, die sie verdient. "Ich bin nicht die Sorte Sängerin, die man im Hintergrund hört und dabei kocht oder so was. Entweder man hört mir zu oder ignoriert mich, dazwischen gibt es nichts", sagt sie selbst.
Vielleicht gab es in ihrer Karriere zu viele Leute, wie mich, die mal eben nebenbei hörten, was sie da sang und ihre Lieder weder verstanden, noch sich auf sie einlassen wollten. So sah sie sich bereits am Ende ihrer Laufbahn als Sängerin. Sie schrieb noch ein letztes Lied "La Ultima Cancion", das sie vor ihrem Publikum vortragen wollte. Glücklicherweise kam es anders und so ist dieses "Letzte Lied" der Opener für ihre CD "Libertad". "Libertad" ist ein Album, das einen nur dann mit offenem Mund zurücklässt, wenn man es mit offenen Ohren hört. Ähnlich, wie Levys Vorgängeralben beschränkt sie sich nicht auf die Musik ihrer israelischen Heimat, sondern greift tief in das musikalische Erbe ihrer sephardischen Vorfahren. Doch ist sie keine Verwalterin verfliegender Traditionen. Jerusalem ist ein Schmelztiegel der Religionen und Kulturen, der Traditionen und der modernen Strömungen. Kaum anderswo trifft Radikalismus so intensiv auf Weltoffenheit, wie in Jerusalem. Yasmin Levy weiß das und benennt es. Dass versöhnliche Ideen oft genug in Sackgassen mit hohen Mauern enden, ist Grund genug, die Lieder nicht zu den Klängen einer freudentaumelnden Rhythmusgruppe zu singen. Eher mit dem ganzen Respekt vor einem Leben, das in kurzer Zeit eine völlig andere Richtung nehmen kann. Die Musik der sephardischen Juden, die in einer Zeit entstand, als Juden, Christen und Moslems in großer Achtung miteinander lebten, mischte damals bereits kulturelle Gegensätze zusammen. Levy führt diese Idee, vermeintliche Gegensätze zu kombinieren weiter fort. "Libertad" ist einmal mehr ein Zeugnis davon, dass sich in den Kulturen mehr Gemeinsamkeiten, als Gegensätze finden. "Recuerdo" stammt aus dem Persischen und mit "Firuze" covert sie ein in der Türkei bekanntes Lied über Schönheit, Liebe und Vergänglichkeit. Türkische Streicher und verhaltener Flamenco treffen sich bei Yasmin Levy öfter. "La Nave del Olvido" ist mir eher als schmalziger Song aus Mexiko bekannt. Yasmin Levy singt dieses Lied mit einer herzzerreißenden Leidenschaft. Eigentlich singt sie das Lied nicht. Die Musik bemächtigt sich ihrer eher und bricht aus ihr heraus. Dabei kippt ihre Stimme immer wieder, was bei ihr zum Gesangsstil gehört und eine emotionale Intensität besitzt, der man sich entweder hingibt oder es bleiben lässt. Die Wurzeln aus spanischer und jüdischer Kultur und dem Leben in der multikulturellen Umgebung des Nahen Ostens lassen Yasmin Levys Musik zu einem Baum mit einmaligen Früchten reifen.
"Libertad" ist eine der Reifsten. Doch das muss man erst einmal erkennen.
© Karsten Rube


Pia Fridhill "My Swedish Songbook"
Elkmusic, 2012

www.piafridhill.com

Wenn man mal alle Schwedenklischees beiseitelegt und weder Abba noch Ikea noch Pippi Langstrumpf im Kopf hat, dann muss man feststellen, dass ziemlich wenig übrig bleibt vom Wissen über unsere Nachbarn. Betrachtet man die musikalische Vielfalt Schwedens genauer, fächert sich die Stilistik allerdings ungemein auf. Gepflegte Folklore, Spaß an Country und Western, Loungemusik und harte Rocktöne findet man vielerorts, aber auch eine große Bandbreite brillanter Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker. Pia Fridhill kam eigentlich als Geschaftsfrau nach Deutschland, bis sie eines Tages feststellte, dass sie eigentlich immer Sängerin sein wollte. Aufgefallen ist ihr das auf einer Betriebsfeier von Ikea. Ich weiß nicht, ob die Geschäftswelt mit Pia Fridhill eine wichtige und unersetzliche Managerin verloren hat. Aber, das ist egal, denn Fakt ist, dass die Musikwelt eine wunderbare Jazzsängerin gewonnen hat. "My Swedish Songbook" ist bereits ihr siebentes Album. Jazz und Folk verbinden sich auf harmonische Weise. Ihre Stimme ist klar und ausdrucksstark, dabei weiblich und sensibel. "My Swedish Songbook" ist keine Mogelpackung aus Schwedenklischees, sondern ganz vorzüglicher schwedischer Jazz. Begleitet von einer Riege ausgezeichneter Jazzmusiker aus Deutschland erschien das Album „My Swedsh Songbook“ im Jahr 2012 und gibt Pia Fridhills Sicht auf ihre Heimat wieder, die sie seit einigen Jahren aus der Ferne betrachtet. Ihr Heimweh und vielleicht ein bisschen etwas vom Fernweh der begleitenden Musiker fließt auf dieser CD zu einem harmonischen und uneingeschränkt hörbaren Ausdruck von leicht melancholischer Lebensfreude zusammen. Dass ich dabei wie üblich kein Wort verstehe, spielt keine oder nur eine nebensächliche Rolle. Neben wundervoll leichten Jazzsongs mit hohem Pianoanteil, sind es immer wieder die Songs mit lateinamerikanischen Anklängen, die so gar nicht das Schwedenklischee bestätigen wollen, das sie selbst gern mal auf Betriebsfeiern von in Deutschland ansässigen Konzernen ihrer Heimat hochhält. "My Swedish Songbook" ist ein rundum gelungenes Liederbuch, fein zusammengesucht und brillant arrangiert.
© Karsten Rube


Tommy Tornado "Cool Down"
Pork Pie, 2012

www.tommytornado.com

Tommy Tornado hat mehr Luft in sein Saxophon geblasen, als er auf natürlichem Wege eingeatmet hat. So behauptet er jedenfalls und es klingt durchaus glaubwürdig, wenn man hört, was er aus seinem Instrument so rausholt. Der niederländische Saxophonist ist auf dem besten Wege einer der coolsten Reggaemusiker aller Zeiten zu werden. Und dabei singt er nicht mal. Bis auf drei Songs bleibt die CD "Cool Down" instrumental. Hier haben die Blechbläser das Sagen. Doch auch solche mit Gesang begleiteten Stücke, wie "The Sound" mit Tobias Loudmouth sind starke Ohrwürmer. Das "Cool" im Albumtitel ist Programm. Rootsreggae, Ska, Rocksteady gehen ihm so selbstverständlich von den Lippen, als wäre er bereits ein Altmeister des Fachs. Tatsächlich ist “Cool Down” erst seine zweite CD. Die möchte man allerdings in einer Dauerschleife hören.
© Karsten Rube


Gaiteiros de Lisboa "Avis Rara"
d'Eurídice, 2012

www.gaiteirosdelisboa.com

Um die Gaiteiros de Lisboa war es einige Jahre recht still. Seit 2006 haben sie kein neues Album produziert. Jetzt wurde es Zeit, dass sich die portugiesischen Dudelsackspieler mit mächtigem Druck auf den prall gefüllten Dudelsäcken zurückmelden. "Avis Rara" zeigt die Lissaboner Musiker einmal mehr, als das traditionelle Gegenstück zum melancholischen Fado. Ihre Lieder liegen zwischen mystisch anmutendem polyphonen Gesang aus der nordportugiesischen Tradition, mittelalterlich wirkenden Instrumentalstücken, schunkelnden Jahrmarktsklängen und man staunt, einem lateinamerikanisch beeinflussten Bonustrack. Doch die Gaiteiros hatten schon immer etwas für verspielte Experimente übrig, die beweisen, wie modern diese Band ist. Die umfangreiche Gästeliste unterstreicht das deutlich. Sérgio Godinho, der Poet aus Porto ist auf dem Album ebenso von Bedeutung, wie die in den letzten Jahren zu einiger Berühmtheit gelangte Ana Bacalhau, besser als Sängerin der frechen Lissaboner Band Deolinda bekannt. Auch wenn das Ergebnis zeigt, dass sich das Warten gelohnt hat, hoffe ich, dass nicht erneut sechs Jahre vergehen müssen, bis man wieder etwas von den Gaiteiros hört.
© Karsten Rube


Various Artists "Rumba Catalan"
Arc Music, 2012

Der Mensch der großen Städte ist es seit Jahrzehnten gewohnt, von Musik unterhalten zu werden, während er durch die Straßen eilt, U-Bahn fährt oder im Restaurant sitzt. Eine Gruppe fahrender, laufender oder fest stationierter Musiker findet sich meist dort, wo großer Publikumsverkehr mit starkem Touristenanteil herrscht. Manchmal ist das unterhaltsam, manchmal nicht. In vielen Städten der Welt präsentieren die Musiker Lieder, die aus der Region stammen. In Barcelona beispielsweise hat sich aus der Musik der Gitanos, die sich in den katalanischen Lebenstil eingliederten, die Rumba Catalano entwickelt. Flamenco verband sich mit lateinamerikanischen und afrikanischen Rhythmen, schliff sich im Laufe der Zeit an den Hörgewohnheiten des meist vorbeihörenden Publikums ab und passte irgendwann ins Stadtbild. Heute hört man die Rumba Catalan überall in Barcelona. Ob als Begleitmusik in der Tapasbar oder beim Bummeln im Shoppingcenter. Der bei ARC Music erschienen Sampler "Rumba Catalan" versammelt ein paar der bekanntesten Musiker dieser Stilrichtung. So etwa das Duo "Sinay", das gern für Hochzeiten gebucht wird und sich deutlich am Nuevo Flamenco orientiert. Guadaljarafe wiederum ist ein Trio, das es etwas mit der E-Orgelunterstützung übertreibt und damit ganz nach jener Kaufhausatmosphäre klingt, der man sich lieber entziehen möchte. Los Carrilanos wiederum schaffen es, das man beim Zuhören mittanzen will. So ist man beim Hören der CD hin und her gerissen zwischen mitreißender Rumba und zum Gähnen anregender Fahrstuhlmusik, was beweist, das ARC-Music tatsächlich die ganze Bandbreite dieser Musikrichtung auszuwählen wusste.
© Karsten Rube


Stockholm Lisboa Project "Aurora"
Nomis Musik, 2012

www.stockholmlisboa.com

In einem grenzenlosen Europa ist auch eine Verbindung zwischen zwei so unterschiedlichen und räumlich entfernten Städten, wie Lissabon und Stockholm inzwischen keine Unmöglichkeit. Das Stockholm Lisboa Project hatte sich schon vor Jahren aus schwedischen und portugiesischen Musikerinnen und Musikern zusammengefunden und mit der CD "Diagonal" für Aufmerksamkeit gesorgt. Ihr jetzt erschienenes Album "Aurora" führt weiter, was sie vor reichlich sechs Jahren begannen. Nun allerdings ergänzt um die warme und tiefe Stimme der portugiesischen Sängerin Micaela Vaz. "Fado, Polska and Beyond" untertitelt das Project seine Musik. Verschwimmen die Grenzen ihrer Musik zuweilen zwischen portugiesischem Lied und skandinavischem Folk, sind sie an anderer Stelle wiederum deutlich zu erkennen. Jedem seine Wurzeln, scheinen sie zu sagen. So geht es ihnen auch auf "Aurora" nicht vordergründig darum, Kulturen zu mischen, sondern darum trotz unterschiedlicher kultureller Herkunft, gemeinsam Musik zu machen. Die kulturellen Überlappungen ergeben sich willkürlich und Wandlungen in der musikalischen Landschaft sind so selbstverständlich, wie ihr Zusammenspiel. Was am Anfang der CD durch die Stimme von Micaela Vaz deutlich portugiesische Züge besaß, verändert sich während der Instrumentalstücke der zweiten Hälfte zunehmend ins skandinavische. Das letzte Stück der CD mischt dann wahrhaftig schwedische und portugiesische Traditionals zusammen, was in etwa die Stimmung beschreiben könnte, wie sie einen Portugiesen, dem die Melancholie ohnehin im Blut liegt, erwischt, der zur Wintersonnenwende Heimweh bekommt. Auch mit der dritten CD "Aurora" ist dem Stockholm Lisboa Project ein ungewöhnlich eleganter Spagat gelungen.
© Karsten Rube


Perunika Trio "A Bright Star Has Risen"
Arc Music, 2012

www.myspace.com/perunika

Das bulgarische Acapella Trio Perunika entführt den Hörer ihrer CD "Abright Star Has Risen" in die spirituelle Welt der Slawen Bulgariens, Mazedoniens und Russlands. Ihre Lieder bewegen sich zwischen orthodoxem Christentum und heidnischer Vergangenheit. Perunika, die Frau des Donnergottes Perun steht als Namenspatronin über den mächtigen Stimmen dieser jungen Formation bulgarischer Stimmen. Doch wird diese Spiritualität nicht düster oder mystisch vorgetragen, sondern freudvoll und mit Helligkeit. Eugenia Georgieva , Dessislava Vasileva und Jasmina Stosic führen die Tradition der großen bulgarischen Frauenchöre fort, allerdings genügt es ihnen ihre drei klangvollen Stimmen einzusetzen, um die Fülle und Vielfalt des Landstrichs zwischen Orient und Okzident wiederzugeben. Lithurgische Themen finden darin ebenso eine Bedeutung, wie das alltägliche Leben der Landbevölkerung. Manchmal fühlt man sich wie in einer Kirche, ein anderes Mal ergießt sich ein Landregen samt Gewitter akustisch über den Hörer, begleitet von langgezogenen mehrstimmigen Gesängen. Diesen häufig schwierigen Harmonien zuzuhören, hat etwas Meditatives, Beruhigendes und steht im klaren Gegensatz zu den lauten, schroffen Tönen, des aus derselben Region stammenden Balkanbeats. Die drei Sängerinnen leben seit längerer Zeit in London. Es ist erstaunlich, wie viel traditionelles Feingefühl sie trotzdem oder gerade deswegen an den Tag legen. Sicher wird auch die Heimatverbundenheit die Leidenschaft des Perunika Trios nähren.
© Karsten Rube


Blanca Núñez Band "Cartas que nunca envié"
Rugged Visions, 2012

www.blancanunezband.com

"Briefe, die nicht abgeschickt wurden" heißt das Album übersetzt, mit dem die spanische Sängerin seit letztem Sommer unterwegs ist. Nach der Devise: "Was ich schon immer mal sagen wollte, aber mich doch nicht getraut habe" strickt sie auf dem Album dreizehn Songs, die mal sentimental daherschleichen und mal recht deftig rocken. Mit einer sanften und klaren Stimme singt Blanca Núñez von großen Gefühlen und kleinen Peinlichkeiten. Da sie bereits seit frühester Jugend ihre Songs selbst schreibt und die eigene Erlebniswelt als Quelle für ihre Kreativität anzapft, klingen die Songs nach erfrischender Selbstsicherheit. Sie wechselt ohne Mühen Sprachen wie musikalische Stile, singt spanisch und englisch. Während sie sich bei "Metamorfosis" träumend dreht, tanzt sie bei "Que algém día" im Salsarhythmus. Begleitet wird sie von einer vorzüglichen Band aus Musikern, die fast alle aus Deutschland stammen. Sie selbst spielt eine impulsive Akustikgitarre. Die Musik der CD "Cartas que nunca envié" sollte man im Radio spielen. Sie ist angenehm und eingängig. Gefällig, aber nicht beliebig. Etwas das man gerne Hören möchte.
© Karsten Rube


Omid "Orientation"
Broken Silence, 2011

www.omidbahadori.com

Würde man Musik durch die Nase aufnehmen, wäre die Musik Omid Bahadoris ein orientalischer Markt in einer europäischen Großstadt. Der in Deutschland lebende iranische Multiinstrumentalist entfaltet die musikalische Welt des Nahen Ostens wie einen Duftrausch über die zivilisationsgeschädigten Nüstern des Europäers, lässt aber deutlich erkennen, dass der Orient für ihn inzwischen ferner ist, als die europäische Wahlheimat. "Orientation" klingt hier wie "Blick nach Osten". Dieser Blick gelingt ihm, ohne dass er den Anschein erweckt ein Exot zu sein. Die Musik auf seiner CD "Orientation" ist vielmehr ein gelungener Versuch, die Realität des Alltags mit dem Fernweh zu verbinden, der unsere Träumereien füllt. Aus dem eintönig rhythmischen Schlagen der rollenden Räder eines Zuges entwickelt er ein entspanntes Gitarrenspiel, wie es Pat Metheny zuweilen hervorbringt. Das Stück heißt treffenderweise "Fernweh" und lässt Raum für Traum. Mit satten Bläsern kommt Omid Bahadori ebenfalls gut zurecht."Man o to" ist Soulorientiert, besitzt eine deutliche Tendenz zum dynamischen Afrojazz. Omid Bahadori bezaubert auf dieser CD vor allem durch sein wechselhaftes Gitarrenspiel, mal akustisch und mal elektrisch, und seinem Können auf Bouzouki und der persischen Dombra. Bahadori hat seit über zwanzig Jahren Bühnen- und Studioerfahrung und ist nicht zuletzt durch seine Mitarbeit beim mongolisch-iranischen Musikprojekt Sedaa aufgefallen.
© Karsten Rube


Kel Amrun "Wid Danu"
Narrenschiff, 2010

www.myspace.com/kelamrun

Für Mittelalterklänge gibt es in jedem europäischen Land ein Publikum. Auch in der Schweiz. Kel Amrun, eine Band, die sich auf den Trümmern der Mittelalterkapelle Veitstanz neu formiert hat, spielen auf zum Tanz im aufgeweichten Boden der Mittelaltermärkte und mediavalen Festivals. Mit Sackpfeifen, Schalmeien und klangstarken Perkussionsinstrumenten machen sie nicht nur Krach. Ihre Musik mag zwar zwischen Okzident und Orient kreuzfahren, doch nicht brandschatzend, sondern gefangen nehmend im friedfertigsten Sinne, dem man diesem Wort zuweisen kann. Der treibende Rhythmus der Musik, die auf der CD "Wid Danu" zu hören ist, geht in die Knochen, die eleganten bis bombastischen Gesänge dringen in den Körper und manche Melodie dringt bis ins Herz. Mittelaltermusik kann brachial klingen, laut und dynamisch. Sie muss deshalb aber nicht unromantisch sein, wie Kel Amrun mit dem Album "Wid Danu" eindrucksvoll beweisen.
© Karsten Rube


?Shmaltz! "Gran Bufet"
Singapore, 2011

www.shmaltz.de

Wo liegt eigentlich dieses Malwonien, von dem die Gruppe Schmaltz so begeistert ist? Wahrscheinlich im Vier-Länder-Dreieck von Transnistrien, Borograwien, Woinowien und eben Malwonien. Die Größe des Landes dürfte etwa die Ausmaße eines Jahrmarktes besitzen. Die Band Shmaltz ist jedenfalls so etwas wie die Janitscharenkapelle Malwoniens. Sie trollen sich auf diesem Jahrmarkt der Sensationen zwischen dem stärksten Mann der Welt und der bärtigen Dame. Singende Säge, Posaune, Zimbalon, Akkordeon, alles, was man braucht, um ordentlich einzuheizen, gehört zum Instrumentarium von Schmaltz. Für dieses ehrgeizige Rumpelfolkprojekt, das sich in der CD "Gran Bufet" musikalisch manifestiert, hat sich die Creme des gehobenen Rummelplatzpogos zusammengefunden. Yvonne Grünwald spielte Akkordeon bei Schnaftl Uffschtik und Apparatschnik, Anke Fuchs pustet bei Rotfront in die Posaune und die Bandgründer Cosmo W. Pepper und Levante I. Patsch gingen durch die Schule der Grinen Kuzine und den 17 Hippies. So kann das Repertoire von Shmaltz nur von einer Mission erfüllt sein: alles zu spielen, was das kleine Malwonien an Musik benötigt. Das sind Tanzlieder, gleichschrittzerstörende Märsche, Beerdigungspolkas und Hymnen auf Malwonien, wie "Viva la Malwonia". Klezmer, Cumbia, Balkanbeat und Skaverschnitt ist nur eine unzureichende Aufzählung der musikalischen Kampfmittel, die Schmaltz benutzt, um auf den Jahrmarktsgassen von Malwonien für die nötige, staatserhaltende Unruhe zu sorgen. Ganz schön schrill.
© Karsten Rube


Lampa Ladino "En Feste Mundo"
Sketis Music, 2011

www.lampaladino.ru

Grigory Sandomirsky, Pianist und Organist in Moskau hatte vor einigen Jahren begonnen, sich für die Musik der sephardischen Juden im Spanien der maurischen Besetzung zu interessieren. Er hörte Lieder von Yasmin Levy, Aaron Bensoussan sowie Jennifer Charles, die vor einiger Zeit auf dem Tzadik-Label von John Zorn in New York das interessante Musikprojekt "La Mar Enfortuna" aufnahm. Beeinflusst von der Eigenwilligkeit der jüdischen Musik beschloss er eine eigene Formation zu gründen, die sich ausschließlich der sephardischen Musik und dem Ladino, der Sprache der Sepharden widmen sollte. Er überzeugte die Jazzsängerin Svetlana Svirina von der Idee und suchte sich an der Moskauer Musikhochschule ein paar Leute, die sich auf Improvisation verstanden. Seit einem Festival im Jahr 2005 sind Lampa Ladino gern gesehene Gäste in den Clubs und Radiostationen Moskaus. Lampa Ladino haben nicht den Anspruch authentisch zu sein. Sie leben den Jazz und die Improvisationskunst. Ihre Arrangements gehen auf sephardische Lieder zurück, aber die Spielweise ist jazzorientiert und kaum traditionell. Nur die Gesangsstücke werden von Svetlana Svirina weitgehend in Ladino vorgetragen. "En Este Mundo" ist das Debütalbum von Lampa Ladino. Die Gruppe dürfte mit dieser musikalischen Orientierung selbst im einfallsreichen Russland ein Unikat sein.
© Karsten Rube


Delgado & Sianipir "Tobatak"
Prudence, 2012

www.tobatak.com

Man muss sich mal genau mit der Musik des indonesischen und malayischen Archipels auseinandersetzen, um einigermaßen zu verstehen, was einem da mit der CD "Tobatak" ins Haus schneit. Die indonesische Musik ist über Jahrhunderte geprägt worden von islamischen, persischen, indischen und altmalaiischen Einflüssen. Später kamen dann die kolonialen Einflüsse aus China, Portugal und den Niederlanden dazu. Ein reichhaltiger Fundus, der solch gleichermaßen fantastische, wie exotische Klänge, wie die des Gamelan hervorbrachte oder die musikalische Welt der Dajak im Innern Borneos. Andererseits gibt es noch den Krontjongstil, der den Hang der indonesischen Gegenwartsmusik zur Schmachtschnulze bemerkbar macht. Geht man vom Einfluss westlicher Medien aus, der die letzten Jahrzehnte die Musik beeinflusste, kommt man leider zu dem Schluss, dass da schnell die Authentizität auf dem Altar der Tourismusförderung geopfert wurde. Der Österreicher Herman Delgado versteht sich als Weltmusikspezialist. Er ging mit dem Anspruch an die Arbeit, einem kaum bekannten Volk im Norden Sumatras den Weg in die weite Welt der westlichen Musikkultur zu ebnen. Oder besser: er wollte einer Musik aus einer Region, in die er sich verliebt hatte, ein wenig mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Die Batak aus der Region um den Tobasee gelten als gute Sänger. So nahm Dalgado mit einigen Einheimischen, wie dem Musiker und Arrangeur Viky Sianipar das Album "Tobatak" auf. Delgado hat, wie das Pressematerial überschäumend angibt "erstmals in der Geschichte des internationalen Tonträgergeschehens, die wunderschöne Batak-Musik aus dem Norden Sumatras mit modernem Sound verbunden ...". Das Problem an der Platte ist, dass sich die Musik nicht so anhört. Zwar singen sich die Musiker ganz herzergreifend die Seele aus dem Hals, doch machen den Melodien, die mir in ihrer grundlegenden musikalischen Anlage nicht besonders fremd, fernöstlich oder aufregend anders vorkommen, als jeder andere Schlager, die teuren, aber leider furchtbar billig klingenden Synthesizer den Garaus. Sieht man von der Sprache und einigen Flöten und Percussions ab, könnte diese Musik in jedem Club-Med zum Abendessen laufen, ohne das man regional einordnen könnte, ob man sich jetzt auf Bali oder im Tropical Island befindet. Ich bezweifele stark, dass der Weltmusikspezialist Herman Delgado aus Österreich der Kultur der Batak aus Indonesien mit dieser Produktion einen Gefallen getan hat. Vielleicht war der Ansatz ja ein anderer, sicher ein ehrenhafter. Aber dann muss irgendetwas fürchterlich schief gelaufen sein und das Projekt ersoff im Weichspüler. Nach mehrmaligem Hören der CD kann ich nur noch an den mäßigen Popmusikbrei eines Eurovision Songcontests denken: Autriche - Zero Point!
© Karsten Rube


Various Artists "Radio Beirut"
Galileo, 2012

Denkt man an Beirut, so fällt einem zuerst der libanesische Bürgerkrieg ein, der bis 1990 tobte. Dass Beirut oft auch als Paris des Nahen Ostens bezeichnet wurde, ist fast in Vergessenheit geraten. Die konfessionelle Vielfalt, die einerseits für Toleranz werben könnte, andererseits den Bürgerkrieg mit prägte, sorgt zumindest für ein Gedeihen kultureller Vielfalt. Hauptsächliche alle Formen des Christentums und viele muslimische Glaubensrichtungen leben heute in Beirut. Die jüdische Bevölkerung hat die Stadt seit 1975 weitgehend verlassen. Kulturell befindet sich Beirut an einer Schnittstelle, die viele Möglichkeiten offeriert. "Radio Beirut" ist eine Sammlung von Songs, die von unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern in dieser Stadt an der Levante gesammelt wurden. Mit Beiruter Pop beginnt die CD. Mashrou'Leila thematisieren die Unsicherheit im Libanon ebenso, wie Homosexualität, was im Libanon ein sehr gewagtes Thema ist. Dabei verwenden sie Folkrhythmen mit Skauntermalung. The Chehade Brothers folgen mit wesentlich arabischer Note. Die Brüder werden wegen ihrer Bärte und ihrem unorthodoxem Gebrauch des Oud als E-Gitarre auch ZZ-Top des Nahen Ostens genannt. Es folgt Beirut-Reggae, eine alternative Beiruter Liedermacherin, englisch gesungener Lolitapop, ein kubanisch-arabisches Musikprojekt und, und, und. Herausragend ist Soumaya Baalbaki mit ihrer libanesischen Rumba. Der Querschnitt durch die Musikwelt Beiruts zeigt, dass sich einerseits Kulturen mischen, andererseits aber auch einfach westliche Kultur kopiert wird. Sima beispielweise könnte genauso gut erfolglos beim Supertalent gestanden haben. Ziyad Sahhab wiederum wirkt mit seiner mediterran-arabischen Form des Liedermachens sehr unterhaltsam, was durch seine meisterhaftes Oudspiel noch unterstrichen wird. Die CD "Radio Beirut" ist auf jeden Fall ein interessanter Blick auf die Kultur einer Stadt, die für die westlichen Medien nur im Nahostkonflikt eine Rolle spielt.
© Karsten Rube


Eberwein "Bairisch Crossover"
Eberwein-Music, 2011

www.eberwein-music.de

Wenn die bayrische Musikerin Marlene Eberwein mit ihrer blauen Harfe und ihrem kleinen kammermusikalisch aufgestellten Ensemble aufspielt, dann wird es zünftig weltoffen. Es ist schon erstaunlich, dass sich diese beiden Begriffe vertragen. Doch Eberwein schert sich nicht um strikte Kategorisierung. "Bairisch Crossover" ist als Name der CD sinnstiftend. Polka, Klezmer, Landler, bayrisch traditionell oder jazzbetont, das alles tanzt bei Eberwein ganz selbstverständlich nebeneinander. Die Kombination Harfe und Klarinette strömt eine wohlige Wärme aus, der Kontrabass gibt der Mischung die belebende Würze. Und die verspielten Ideen treiben amüsante Blüten. Wenn der Walzer mit dem Namen "Kleiner Mann im Paris" im Volkslied "Ein Männlein steht, im Walde" endet, guckt man verblüfft. Dass bayrisches Liedgut auch mal lateinamerikanische Rhythmen verträgt, kennt man spätestens seit den Cubaboarischen. Frau Eberwein stellt mit dem Titel "Altes Schifferkettenlied" ihre karibische Seite zur Schau. Mein Favorit auf der CD ist allerdings das verhaltene Lied "Oide Kath", was an der harmonischen Partnerschaft von Harfe und Flügelhorn liegt. Marlene Eberweins "Bairisch Crossover" zeigt, dass bayrische Musiker mit ihren traditionellen Elementen erstaunlich weltoffen umgehen können.
© Karsten Rube


Achim Amme "Der Welt ist schlecht"
Bluebird Cafe Records, 2011

www.achim-amme.de

Schauspieler, Autor und dann auch noch Sänger. Man könnte meinen, da macht einer alles alleine. Nun gehört allerdings Gesang zur Ausbildung des Schauspielers und oft genug wechseln die Schauspieler die Fronten, bleiben beim Gesang. Im Kabarett gehören diese drei Genres ohnehin zusammen. Literarisches Kabarett, Drehbuchwerkstatt, TV-Filme, Bücher, Liederprogramme. Amme macht das alles und alles mit großer Hingabe. Als Sänger in Kleinkunst und Liedermacherei trifft man den Hamburger auf seiner CD "Der Welt ist schlecht". Nachdenklich und mit einem Hang zu einem liebenswerten Sarkasmus, der nicht bissig, sondern eher locker am Knabbern ist. Dabei bringt er eigene Texte ebenso zu Gehör, wie solche von Ringelnatz, dem er bereits ein eigenes Programm widmete. Ein bisschen Junge Gemeinde Stimmung kommt auf, wenn er solch ein Lied vorträgt, wie "DenkMal". Kein schlechtes Ansinnen, etwas beliebig vielleicht, doch im ähnlich gearteten Volkslied "Die Gedanken sind frei" steckt auch noch genug Wahrheit für die Gegenwart, so ausgelutscht das Lied heute auch wirken mag. Amme rechnet nicht damit, die Welt, der schlecht ist und die sich ob der provisorischen Plage Mensch eigentlich übergeben müsste, zu retten. Aber betrachten und darüber sinnieren, das hilft doch schon für ein bisschen Erkenntnis und Besserungswillen. Amme macht keine großen Worte, aber gute.
© Karsten Rube


Las Hermanas Caronni "Baguala de la siesta"
Snailrecords, 2011

www.myspace.com/lashermanascaronni

Die Besetzung Cello und Klarinette klingt nach Minimalismus, nach Klassik und Kammermusik. Die argentinischen Schwestern Caronni sind beide am Musikkonservatorium von Rosariao in Argentinien klassisch ausgebildet worden. Mittlerweile leben sie in Frankreich, haben sich vom europäischen Impressionismus beeinflussen lassen und pflegen doch ihr in Südamerika geprägtes musikalisches Erbe. Auf ihrer Debüt-CD "Baguala de la Siesta" bewegen sie sich filigran zwischen argentinischer Volksmusik und Kammermusik. Subtil verschieben sie die Grenzen, spielen mit Zitaten und Stilistiken. Dies alles nur mit Klarinette und Cello, sowie ihren beiden schönen Stimmen zu bewerkstelligen ist genau das, was man mit dem oft so verschwenderisch verwendeten Begriff Kunst bezeichnen kann. Bei den Hermanas Caronni ist dieser Begriff zur Abwechslung mal wirklich zutreffend.
© Karsten Rube


Las Chicas del Tango "Tango de Norte a Sur"
ARC Music, 2011

www.laschicasdeltango.com

Es stellt sich ja immer mal wieder in Diskussionskreisen die Frage, wo der Tango eigentlich herkommt. Buenos Aires, Paris oder Helsinki. Der finnische Tango hat seine Eigenheiten, der argentinische ebenfalls. Beides zusammenzuführen war da naheliegend. Die drei finnischen Musikerinnen die sich zu der Gruppe Las Chicas de la Tango vereinigt haben, brillierten bereits in verschiedenen Tangoensemblen. Nun haben die Damen den argentinischen Altmeister der Tangolyrik Horacio Ferrer zur Zusammenarbeit überzeugen können. Ferrer schrieb einst das Libretto zur Piazzollas Oper "María de Buenos Aires". "Tango de Norte a Sur" ist eine gelungene Zusammenführung zweier Tangonationen. Die "Chicas" verschreiben sich auf der CD ganz der Leidenschaft der argentinischen Tangoauffassung. Alle Kompositionen stammen zwar aus finnischer Feder, aber der Übergang zur lateinamerikanischen Spielweise ist so fließend und glatt, dass kein Übergang zu erkennen ist. "Tango de Norte a Sur" ist brillant gespielter wunderbarer, gefühlsbetonter Tango.
© Karsten Rube


O Baú "Achega-te"
Eigenverlag, 2012

www.myspace.com/obaumusicaportuguesa

Die Band O Baú stammt aus Lissabon. Da denkt man zunächst an Fadomusik. Doch O Baú hat sich der Folklore Portugals verschrieben. Und die ist recht facettenreich. Bei den elf Titeln, die die junge Formation auf ihrer Debüt-CD "Achega-te" eingespielt haben, handelt es sich um traditionelle Melodien, die Leben und Geschichte der Portugiesen widerspiegeln. Beherzt machen sie dabei auch einige Sprünge ins kulturell eng verbundene Galicien. Doch beschränken sie sich nicht auf das Abspielen traditioneller Kompositionen. O Baú verbinden sehr geschickt traditionelle und folkloristische Elemente mit Spielweisen des Jazz. So können Dudelsack und Violine gut mit Elektrobass und Portugieischer Gitarre harmonieren. Die schöne Stimme der Sängerin Isabel Moreira tut ein Übriges, um die Musik von O Baú frisch und jung klingen zu lassen. Als Gastmusiker haben sie sich den baskischen Akkordeonvirtuosen Kepa Junkera hinzu geholt, der die Musik der Band mit dem unverwechselbaren Klang seiner Trikitixa adelt.
© Karsten Rube


Lily Dahab "Huellas"
Herzog Records, 2013

www.lilydahab.com

Während sich das erste Album der Argentinierin Lily Dahab "Nomade"[43] umtat in der Welt, die sie bereits erlebt, bewohnt, besucht hat, sucht sie auf ihrer neuen Produktion nach den Spuren ihrer Heimat. Davon trägt sie viele in sich. Sie lässt sich inspirieren vom Tango Nuevo Astor Piazzollas, von den Klängen der Abende am Rio de La Plata, aber auch von der Folklore der argentinischen Landbevölkerung. "Huellas" heißt das zweite Album der weltgewandten Sängerin, was so viel wie „Spuren“ bedeutet. Seit einer ganzen Weile in Berlin ansässig, genießt sie die kalten Wintertage unter dem grauen Stadthimmel, um über die warmen Sommertage in ihrer argentinischen Heimat zu sinnieren, mit etwas Wehmut, der nicht in Schwermut umschlägt. Lily Dahab schafft es mit diesem Album mühelos, beim Hörer - in diesem Fall bei mir - Tränen hervorzurufen, ohne das man sich dabei unglücklich fühlt. Sie berührt, ausnahmslos, mit jedem Lied. Mit den Kompositionen Piazzollas ebenso, wie mit den brillanten Songs, die sie zusammen mit Bene Aperdannier geschrieben hat. Dieser Pianist sticht, wie beim ersten Album erneut mit seinem einfühlsamen und pointierten Spiel heraus. Perkussionist Topo Goia beherrscht, wie immer, wenn ich ihn auf einer Produktion bemerke, die elegante Fähigkeit mit seinen Instrumenten in der Musik aufzugehen, ihr die entscheidenden perkussiven Impulse zu geben, ohne dabei als Einzelkünstler in den Vordergrund rücken zu wollen. Der Gitarristen Quique Sinesi und der Schlagzeuger Heinrich Köbberling agieren ebenfalls mit der brillanten Unaufdringlichkeit, die eine gute Band benötigt, um ein harmonisches Ganzes zu erzeugen. Mit Nuri Karademirli hat sich Lily Dahab einen der besten Oudspieler als Gast eingeladen, den man sich wünschen kann. Zwei Stücke auf der CD werden von seinem Spiel auf dem türkischen Saiteninstrument veredelt. Bei den beiden Piazzolla-Kompositionen "Yo soy Maria" und Vuelvo al sur" gastiert Walther Castro am Bandoneon. Alles meisterhafte Einzelleistungen, die Lily Dahabs bewegenden Gesang tragen, hervorheben, musikalisch zum Strahlen bringen. So betrachtet ist "Huellas" die künstlerische Glanzleistung eines Ensembles, das der wunderbaren Stimme einer Sängerinnen dient, für die man keinen Vergleich suchen muss, weil es keinen gibt. Man muss sie dafür nicht gleich auf ein Postament für Göttinnen stellen. Doch dass man sich beim Hören ihrer Musik ein kleines bisschen verlieben kann, ist tatsächlich nicht gänzlich auszuschließen.
© Karsten Rube



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