FolkWorld Live Review von Merit Zloch, Juni 2004:

Von keltisch bis jazzig

25 Jahre Harfentreffen auf dem Mosenberg

Das Harfentreffen auf dem Mosenberg bei Kassel hatte Grund zum Feiern: Es fand in diesem Jahr zum 25. Mal statt. Trotz des 25ten Jubiläums gibt es das Treffen "erst" seit 24 Jahren, denn in einem Jahr hatte es zwei Treffen gegeben. Solche und ähnliche Details konnte ein Neuling wie ich erfahren, wenn er sich die Jubiläums-Schautafeln mit den nostalgischen Flyern, illustren Dozentennamen und alten Photos ansah.

Die Organisationsstruktur der Veranstaltung erscheint mir einzigartig und nachahmenswert. Hier hat sich die Harfenszene ein selbstorganisiertes Fest geschaffen, das mit langjähriger Erfahrung bestens funktioniert und äusserst sympatisch ist. Die Aufgaben teilen sich die Nichtmitglieder des Nichtvereins, die sich in den allermeisten Fällen aus der Harfenszene rekrutieren. Unterbringung und Verpflegung organisiert die Jugendherberge. Diese ist idyllisch, aber wetterexponiert auf einer Anhöhe mit traumhaftem Ausblick gelegen und mit zirka zwanzig Katzen ausgestattet.

Offenbar war das Jubiläum für aussergewöhnlich viele Harfenspieler und Sympatisanten Harfentreffen Mosenberg ein Anlass, sich dort vom 10.-13. Juni einzufinden und zu feiern. Anstatt 100-150 Leute wie in den letzten Jahren beherbergten die Jugendherberge und die umliegenden Wiesen, Kleinbusse und Autos 200 Teilnehmer. Das war absoluter Rekord.

Die Dozenten rekrutierten sich zum Teil aus der internationalen, zum Teil aus der deutschen Harfenszene. Details dazu kann man unter www.harfentreffen.de finden.

Bei so vielen Teilnehmern waren die Kurse, die pro Dozent eine Stunde am Vormittag und eine am Nachmittag dauerten, natürlich wortwörtlich proppenvoll. Mir wurde zugetragen, dass vor allem der Kurs von Park Stickney mit 24 meist Pedalharfen in einem kleinen Raum auf den unbeteiligten Nichtharfenisten leicht klaustrophobie-auslösend wirkte. Für mich selbst war ein Kurs mit 20 Leuten eine interessante neue Erfahrung. Ich hätte nie gedacht, dass es mit einer so großen Menge an Mitmusikern so viel Spaß macht und das alle so viel mitnehmen.

Zwischen den Workshops war jede Menge Platz für kleine Konzerte und Vorträge für jedermann. Von den Abenden blieb mir vor allem der Freitagabend im Gedächtnis. Es gab ein Konzert mit Rüdiger Oppermann, Jochen Vogel und Park Stickney open air unter zwei Eichen, und zwar mit voller Anlage und Licht. Den dreien gelang es, mit grosser Virtuosität eine berückende Stimmung irgendwo zwischen Konzerthalle und Lagerfeuerstimmung zu zaubern. Keiner nahm die ersten Blitze wirklich ernst, und dann ging alles ganz schnell. Das letzte Stück bereits während des Regens ließ bei mir die Frage aufkommen, ob ein Regenguss die Harfentreffen Mosenberg Musiker überhaupt zum Abbruch zwingen würde. Aber letztendlich wurde alles in Windeseile, bei Starkregen und erstaunlicherweise ohne Materialverluste ins Trockene gebracht.

Am Freitagabend setzte somit das typische Mosenbergwetter ein. Der alljährlich um das Fronleichnamfest herum stattfindende Kälte- und Feuchtigkeitseinbruch hat, Theorien zufolge, mit der jährlich gleichen Mondphase des Festes zu tun. Für das Harfentreffen ist dies bedeutsam, weil es jedes Jahr um Fronleichnam herum stattfindet.

Da das weitere Wochenende aber nicht völlig verregnet war, blieben noch viele Möglichkeiten, sich im Freien aufzuhalten, zu spielen und sich auszutauschen. Die Stimmung war auch am Samstagabend grandios. Am frühen Abend gab es Vorstellungskonzerte unter anderem vom Kinderkurs und einen Vortrag von Harfentreffenvater Rüdiger Oppermann. Danach, es war bereits 23 Uhr, begann ein infernalischer Trad-Schwoof, von dem mir eine Blutblase am Daumen zurückblieb. An den instrumentalen Tanzmusikteil schloss sich ein einstündiger An Dro an, der mit Gesang, Spontanübersetzungen französischer An Dro-Texte, Rap, Gegröle und zahlreiche Zitate aus den letzten 500 Jahren Musikgeschichte von den Tänzern selbst begleitet wurde. Das Frühstücksende erreichte dementsprechend am Sonntag seine größte Nähe zum Workshopbeginn.

Es ist erstaunlich, dass ein so großes Treffen einer recht kleinen Szene so verdammt viel Spaß machen kann. Sicher trägt die oben beschriebene Organisationsstruktur einiges dazu bei. Man hat den Eindruck, dass die 24 Jahre, die das Treffen auf dem Buckel hat, kein Stück Energie und Neugierde weggealtert haben. Andere Festivals sehen mit 24 um einiges älter aus.

Vielen Dank allen Organisatoren und den sympatischen Teilnehmern!

Merit Zloch ist Harfenistin bei der Gruppe Malbrook (-> FW#26, FW#28, FW#29).

Fotos: Josef Straka


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 09/2004

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