T:-)M's Nachtwache

Folk von NRW bis WWW - Walkin' T:-)M liest und surft mit

Carl
Spitzweg ,Der arme Poet', www.spitzweg.de "Folkie zu sein war und ist mehr als das Bekenntnis zu einer musikalischen Erscheinungsform. Das Image eines Folkies hat sich seit den sechziger und siebziger Jahren nicht gewandelt: immer noch der Schlabberlook, die Jesuslatschen, ein irgendwie als ,alternativ' empfundenes Verhalten; das Feindbild trug Schlips und kurze, gefönte Haare, war Yuppie oder Vertreter der Neuen Mitte. Dieser Begriff einer Szene lässt sich dagegen auf die Weltmusik nicht so leicht anwenden. Zu disparat präsentiert sie sich in den Vorlieben und Geschmäckern, in der Zusammensetzung des Publikums wie in der musikalischen Stilistik. Je nach gusto ist Weltmusik heute Folk und streng ethnische Musik, Ethnobeat und esoterischer Heilklang, ist akustisch oder elektrisch, handgemacht oder computergesteuert, wissenschaftlich streng oder unterhaltsam tanzbar. Eins ist sie jedenfalls im Vergleich zum Folk nicht: Stilistisch und regional beschränkt. Das macht das Herausbilden einer homogenen Szene fast unmöglich: Konnte der keltisch orientierte Folkie sich noch mit ungarischer Musik anfreunden, so sind dem Kuba-Fan das Wesen chinesischer Volksmusik oder die Skalen islamischer Musik nur schwer vermittelbar."

Schreibt Bernhard Hanneken. Ist er so, auch unser Leser?

Was sollen Musikliebhaber, selbst wenn sie guten Willens und tolerant sind (zwei meiner Meinung nach seltene Eigenschaften bei Musikliebhabern!), sich denn unter dem Begriff ,Weltmusik' vorstellen? Sämtliche jemals auf diesem Planeten gespielte Musik? Oder gleich die Klänge des Planeten selbst? Wohl nur ausgesprochen phantasiebegabte Menschen werden unter Weltmusik unmittelbar das verstehen, was damit gemeint sein soll: sowohl die authentische, zumeist oral tradierte und auf möglichst originalem Instrumentarium oder a cappella dargebotene Musik verschiedener Völker oder einzelner Volksstämme als auch Mischformen dieser traditionellen Musikarten untereinander oder mit modernen Musikstilen und Instrumentarien. Ich persönlich tendiere seit einiger Zeit zu den Oberbegriffen ,Authentische Volksmusik' und ,Imaginäre Volksmusik', wohl wissend, daß der Volksmusik-Begriff gerade hierzulande nahezu vollständig von Tonerzeugern besetzt ist, deren kunsthandwerklicher Output korrekterweise als ,Folkloristischer Schlager' bezeichnet werden müßte. Dennoch: mit ,Authentische Volksmusik' könnten dann alle historischen (oder besser: historisierenden) Formen, mit ,Imaginäre Volksmusik' alle modernen, zeitgeistigen Varianten und Mixturen bezeichnet werden.
Das wiederum schlägt Walter Bast vor. Zwei Beiträge aus dem Band Folk & Liedermacher an Rhein und Ruhr, mit der die Folkgeschichte der Region Nordrhein-Westfalen aufgeblättert werden soll.
Die gängigste These lautet ja: Das nationale, bündische und folkloristische Liedgut war durch die Nationalsozialisten total korrumpiert worden. Diese Art von Musik gab also nach 1945 keine Basis für eine wahrhaft populäre Musikkultur mehr ab. Diese Art von Musik hätte durchaus eine Basis abgeben können - hätte man sie nicht diffamiert wie das Opfer, das an seiner Vergewaltigung selbst Schuld hat. Die ,Krise' des deutschen Volksliedes begann schon viel früher, mit dem politischen Ende der Kleinstaaterei; was ihm den Todesstoß versetzte, war das politische Klima der fünfziger Jahre. Verändertes Freizeitverhalten, neue Vermarktungsstrategien, politische Einflußnahmen, Vergangenheitsverdrängung. Was wäre gewesen, wenn die Alten, statt sich in die heile Welt des deutschen Schlagers zu flüchten, eine deutschsprachige (Volks)Musikkultur weiterentwickelt hätten? Wenn die kritische Jugend der sechziger Jahre nicht so problemlos von den Inhalten, die in deutschen Schlagern besungen wurden, auf das kritiklose Verdrängen der (eigenen) Vergangenheit geschlossen hätten - um beides in einem Schwung hinwegzufegen und durch die neue, rebellische Pop- und Rockmusik zu ersetzen? Anfangs dominierte im Folk der Text; Musik war fast ausschließlich Begleitung. Als neben den Text auch noch eine adäquate Musik treten sollte, stellte sich heraus, daß diese Bedürfnis von keiner ausländischen Musik so gut gestillt wurde wie von der irischen. Durch die Adaption anglo-amerikanischer und keltischer Spieltechniken, Instrumente und teils sogar Melodien wich man gleichzeitig der Antwort auf die Frage aus, was deutsches Volkslied sei und wie es ausgehend von der ureigenen Tradition weiterzuentwickeln sei. (Hanneken)
Warum klingt deutsche traditionelle Musik so anders, langweiliger oder auch süßlich geschönter - als z.B. irische, französische oder auch italienische Volksmusik mit ihren harten Stimmen. fragt Stephan Prager. www.agenda.de Und Marianne Bröcker antwortet: Die rauhen Stimmen, laut und kräftig, hat es bei uns sicher auch einmal gegeben. Wir wissen nicht, wie es früher geklungen hat. Als Anfang des 19. Jahrhunderts Liebhaber Lieder zu sammeln begannen und sie nach Gehör aufschrieben, haben sie diese oft nach dem Zeitgeschmack verändert. Die ästhetischen Vorstellungen bildeten sich auch im Schulunterricht heraus. Man hatte schön zu singen, und damit wurde es langweilig. Um 1600 begann die Veränderung der Melodik und vor allem die Entstehung des Generalbasses. Die Musiker entwickelten die Funktionsharmonik, das heißt eine Melodie mit einer dazu passenden Begleitung. Bei uns ist dies so tief eingedrungen, daß dann auch unsere Volksmusik so klang. Wir haben eben nur noch Tonika, Dominante und allenfalls die Subdominante.

Es hat sich ja dennoch eine interessante Folkszene entwickelt, z.B. im schönen Münster(land):

In den fünfziger Jahren wird die Studentenzeitschrift pläne in Münster gegründet und 1961, nach einem Konzert von Dieter Süverkrüp und Gerd Semmer in einer münsterschen Studentenkneipe, um eine Schallplattenabteilung ergänzt. 1973 entsteht Fiedel Michel (-> FW#11). In einer Szene, in der (zu) oft die Musik dem Sendungsbewußtsein nicht standhielt und die politisch korrekte Aussage des gesungenen Textes wichtiger war als die Fähigkeiten der Instrumentalisten oder Arrangeure, bestachen Fiedel Michel als qualitätsbewusste Musiker. Münster entwickelt sich zum Volkstanz-Zentrum Deutschlands. Als Vorbereitung zum 1200. Geburtstag der Stadt 1993 wird die Kultur Kooperative Münster e.V. gegründet, die zwei Aufgaben hat: Sammlung und Dokumentation von Liedern mit dem Ziel einer musikalischen Regionalgeschichte sowie Präsentation regional bezogener Liedprogramme. Dabei entsteht auch eine 16köpfige Musikgruppe: "Und ewig swingen die Rieselfelder". Projektleiter Manfred Kehr bilanziert die generelle Lage: Seit Mitte der achtziger Jahre entstehen wieder vermehrt Lieder mit Orts- und Regionalbezug.
1974 wird der erste Folkclub ins Leben gerufen. Klaus Ahlbrand stellt aber 1981 ernüchtert fest: Es ist hier in Münster nicht gelungen, den Club mit einem breit gefächerten, relevanten Programm so zu institutionalisieren, daß er sich finanziell selbst tragen kann. Der Trend geht zu Großveranstaltungen und zur Kneipenszene, wo die Musiker meistens nur der Bier-Umsatz-Steigerung dienen. 1986 gründet sich ein neuer Club, dessen Tiefpunkt erreicht ist, als zu einem Konzert nur zwei Zuschauer kamen. Daran hat sich auch 15 Jahre später nicht viel geändert. Den Folk-Treff Münster e.V. gibt es allerdings immer noch und er wird im November die Ehre haben, das fünfjährige FolkWorld-Jubiläum auszurichten (siehe News).
Vom münsterländischen Nottuln aus betreibt Willy Schwenken die Plattenfirma "Autogram": Das Label war und ist bei den Älteren auch heute noch ein beliebtes Objekt für süffisante Kommentare ob der teilweise amateurhaften Aufnahmequalität und maschinengeschriebenen Beiblätter (sowie umstrittener Geschäftspraktiken des Label-Chefs). Auf ihm erschienen nicht nur nahezu alle relevanten NRW-Folkies, sondern auch internationale Künstler. Anfang der neunziger Jahre meldete sich Schwenken dann mit einem neuen Label zurück: costbar dokumentierte eine neue Welle von Fun-Folk-Gruppen, die von Punk, Hardrock oder der Mystic-Welle infiziert waren. (-> Schnitter, Violet)
In diesem Jahr ist der Ruhrpott immerhing Regionalschwerpunkt auf dem Tanz&FolkFest Rudolstadt gewesen (siehe auch den Rudolstadt-Bericht in dieser Ausgabe). Nicht zu vergessen, nur nebenbei erwähnt, wird 1997 von Hattingen aus FolkWorld begründet, womit ein weiteres Kapitel Folkgeschichte (nicht nur in NRW) geschrieben wird. Denn: Die Printmedien nahmen selten von der Folkszene Notiz. Folk (ebenso wie später Weltmusik) [erschien] hauptsächlich im Lokalteil - gleich neben dem Bericht über die Jahreshauptversammlung des Hühnerzüchtervereins (geschrieben vom selben Autor). (Hanneken)

Der informative Band beinhaltet zwei CDs, die einen schönen Überblick über die NRW-Szene geben:

Tom Kannmacher - Fiedel Michel - Frank Baier & Rossy - Dieter Süverkrup - Saitenwind - Ape, Beck & Brinkmann - Le Clou - Limerick Junction - Klaus der Geiger - Spelman Trio - Mischi Steinbrück - Bläck Fööss - Cochise - Manfred Lemm - Werber Worschech - Töätendierk - Tönne Vormann - Schmitz Backes Kompanie - Mulwerk - La Rotta - Lecker Sachen - Yarinistan - Markus Reinhardt Ensemble - Hanns Dieter Hüsch - Lindblom/Daun Ensemble - Hamid Motebassem & Dastan Ensemble - Ballhaus - Radio Ethiopia - Ulli Bögershausen - Tata Dindin & Hans Lüdemann - Michael Riessler/Valentin Clastrier/Carlo Rizzo - Rolly Brings - Christop Haberer - Moka Efti - Ramesh Shotham - Baba Jam Band - Schäl Sick Brass Band - Die Pudelbande
Als Nachfolgerin des berühmt-berüchtigten Ostberliner Festival des politischen Liedes hat sich in den letzten Jahren das Festival Musik und Politik entwickelt. Musik und Diskussionen der diesjährigen Ausgabe sind in der Broschüre Festival Musik und Politik 2002 - Vorträge + Protokolle dokumentiert.

Da erzählen etwa die südafrikanischen Musikern Vusi Mahlasela und Pops Mohamed Skurriles aus dem Apatheidstaat: www.songklub.de [Da] habe ich für eine weisse Band gespielt. Der Junge, der auf der Bühne stand, konnte gar nicht Gitarre spielen, er hat so getan, während ich hinter der Bühne gespielt habe. Wenn die Polizei erfuhr, dass in einem Klub ein Farbiger spielte, konnte der Besitzer seine Lizenz verlieren. Wir erfahren, deutsch-deutsche Musikkontakte sind die letzten zwölf Jahre, seit die Mauer weg ist, kulturell nicht so glücklich gelaufen ... schauen wir mal in Zeiten zuruck, wo es, obwohl die Mauer gestanden hat, schon mal besser miteinander geklappt hat. Bob Ostertags Multimedia-Performance "Yugoslavia Suite" wird als die zeitgemässeste und beste Form, wie Kultur und Politik miteinander verbunden wurden in der jetzigen Zeit gelobt. Und für die Wienerin Erika Pluhar ist das Lied immer und in jeder Form ein politisches Lied, auch wenn du den größten Volksliedschwachsinn vor dich hin trällerst, bedienst du irgend etwas, das sich übergeordnet politisch auswirkt. Wie klingen soziale Bewegungen heute? Soziale Bewegungen haben nicht zu klingen, sondern sich zu bewegen, ist eine der Thesen. Einer der Teilnehmer will sogar das Publikum gleich ganz abschaffen, um den klassischen Gegensatz Produzent - Rezipient ein für allemal aufzuheben.

Die erste Auflage des Programmheftes musste übrigens eingestampft und neu gedruckt werden, weil die Bundeszentrale für politische Bildung nur als "Kooperationspartnerin" und nicht als "Mitveranstalterin" auftreten wollte. Die Teilnahme des ehemaligen RAF-Mitglieds Inge Viett und der PDS-Politikerin Sahra Wagenknecht an einer Diskussionsveranstaltung waren nicht opportun. (Ob sich da die BfPB gut überlegt hat, die Grenzgänger (-> FW#22) als "Kulturbotschafter" durch die Republik zu schicken; aber Fallersleben ist 100 Jahre tot und daher harmlos.)

Das nächste Festival Musik & Politik findet am 20-23. Februar 2002 in Berlin statt, u.a. mit Dick Gaughan (-> CD-Kritik in dieser Ausgabe), Fermin Muguruza, Tommy Sands und Hans-Eckardt Wenzel (-> FW#15, FW#22). Sagt der Gysi zum Wowereit: Gräme dich doch nicht wegen Olympia. Wir machen ein tolles ,Festival des politischen Liedes'!

Der Hamburger Arbeitskreis Studium Populärer Musik (ASPM) fördert die Erforschung der populären Musik (d.h. Jazz, Rock, Pop, Neue Volksmusik), veranstaltet Tagungen und publiziert die Beiträge zur Popularmusikforschung. ASPM-Jahrestagung des Jahres 2001 fand im steirischen Graz statt (Heimat u.a. von deishovida -> FW18). Witzigerweise bin ich am selben Wochenende in Graz gewesen; da kann man mal wieder sehen, was man so alles verpasst. Der Tagungsband Heimatlose Klänge geht der Frage nach, ob internationale Popmusik nun grenzüberschreitend, kosmopolitisch und universell oder einfach nur heimatlos und traditionsarm ist. Sind nationale, regionale, lokale musikalische Traditionen ein Auslaufmodell oder handelt es sich hier - angesichts fremdbestimmter Globalisierungszwänge - um eine unumgängliche und notwendige Rückbesinnung auf jeweils eigene heimatliche Traditionen?

Mitte der 1970er Jahre wurde in Guatemala die Marimba zum nationalen Musikinstrument und Marimbamusik zur nationalen Musik erklärt. Die Gruppe der Mestizen als Nachkommen der Kolonisatoren hat sich auch die Marimba als ehemals kulturelles Symbol der von ihnen unterdrückten Ureinwohner, den Mayas, angeeignet - mit der Folge, dass sich die Mayas davon distanzieren.
Durchaus anders verhält es sich mit dem Tango Argentino. Er entstand gegen Ende des 18. Jahrhunderts in den sozial schwachen Migrantenvierteln von Buenos Aires. Als Tanz aus der Halbwelt der ,guapos' und Prostituierten wurde er von der Regierung abgelehnt und bekämpft. In Paris wurde er im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts begeistert als Beispiel einer unverfälschten argentinischen Volkskultur aufgenommen. Angesichts der extrem positiven Tangorezeption in Europa war nun sogar die argentinische Oberschicht bereit, den Tango als heimatlich-nationales Kultursymbol zu akzeptieren und zu pflegen.

Beiträge behandeln populäre Musik in Slowenien, Rhythmik in der Balkanmusik (mit einem Exkurs in die additive, gestalthafte Rhythmik des Orients im Gegensatz zur divisiven, taktorientierte Rhythmik des Westens), Musikkultur in Okzitanien (-> FW#22), Rap in Köln und spanische Volkliedtraditionen in der Musik Kubas. Es geht um Globalisierung, d.h. Verbreitung der angloamerikanisch geprägten Pop- und Rock-Musik, welche selbst ein Amalgam verschiedenster Musikkulturen ist. Aber auch schon die weltweite Verbreitung des abendländischen Tonsystems, erfolgreich durchgesetzt im Zuge der von Europa ausgehenden Kolonialisierung, stellt einen Präzedenzfall für die Globalisierung von Musik dar. E. Larkey entwickelt ein Modell zur Beschreibung des Prozesses der Vermischung verschiedener Musikkulturen am Beispiel des Austropops: (1) reiner Konsum internationaler Traditionen; (2) Imitation der internationalen Vorbilder und schließlich (3) De-Anglisierung (-> Danzer) und (4) Re-Ethnifizierung (-> Goisern).

In einer Zeit, in der die Grenzen Europas mehr und mehr verschwinden, sollte das Kennenlernen der Kultur der Nachbarn eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn wir viel übereinander wissen, können wir einander besser verstehen! Musizieren, Singen & Spielen ohne Grenzen fördert das gegenseitige Verstehen und Vertrauen. Es dient dem Miteinander und der Gemeinsamkeit. Musik ist ein idealer Weg, gleichzeitig auf die kulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede Europas aufmerksam zu machen.
Der Ökotopia-Verlag hat sich mehr als verdient damit gemacht, kindgerechte (Welt)Musik - ohne die im Genre übliche Verduselung - unter das Volk zu bringen (-> FW#20, FW#19). www.oekotopia-verlag.de Hartmut E. Höfele (Musiktheater Firlefanz) betritt mit der Zusammenstellung Europa in 80 Tönen kein Neuland, ist er doch bereits mit "In 80 Tönen um die Welt", "Liedern und Geschichten aus dem Wilden Westen", etc. in Erscheinung getreten. Die 80 europäischen Töne sind (traditionelle) Kinderlieder, Reime, Tänze und Spielaktionen vom gesamten Kontinent.

Ob das Durchschnittselternpaar das Buch tatsächlich benötigt oder es letztlich nur für PädagogInnen nützlich ist, weiss ich nicht; Kinder jedenfalls fahren auf die Musik der zugehörigen CD voll ab und singen auch trotz fehlender Sprachkenntnisse begeistert mit (muss man allerdings unsere Kleinen schon mit dem "Wild Rover", vulgo "An der Nordseeküste", quälen?). Nicht nur die englischen Texte:

Bereits Vorschulkinder trällern voller Begeisterung rein nach Gehör die englischen Refrains aktueller Superstar-Songs, während ihre Eltern verwundert feststellen, dass die Sprösslinge lieber Popmusik hören als hausbacken daherkommende Kindermusikproduktionen. (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel!)
Die CD ist einer neuerdings um sich greifenden Unsitte nach schreibgeschützt und daher nicht im CD-ROM-Laufwerk des PCs abspielbar: Copy Kills Music ... sonst ist die Förderung neuer Künstler, die Musik und die Existenz kleinerer Labels in Gefahr. Nicht zuletzt vernichtet das Kopieren Arbeitsplätze ist die Begründung. Ich halte es eher mit Luigi Lauer:
Copy Kills Music heißt eine Initiative, an der beteiligt sind: GVL, GEMA, IFPI, Deutscher Musikrat und, aha, der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft. Gleich vorweg: Kopieren zerstört keine Musik, sondern multipliziert sie. Soviel Genauigkeit sollte sein. Die ,Initiative gegen das CD-Brennen' dürfte allerdings völlig nutzlos sein und kostet einen Haufen Geld - Geld, das man besser in die Nachwuchsförderung stecken sollte. Genau die ist nämlich angeblich gefährdet: 10.000 Kopien vernichten eine Nachwuchs-Band. Welche Nachwuchs-Band? Diese bescheuerte Boygroup, deren Name mir zu Recht nicht einfällt? Längst gibt es eine gesetzliche Abgabe auf Leerkassetten - und wohin fließt das Geld? In die Nachwuchsförderung? Nein, es geht, ganz profan, um Gewinne, Ausschüttung von Dividenden an Aktionäre, Vorstandsgehälter, Machterhalt. Natürlich sind die Interessen der Musiker schutzwürdig, keine Frage, davon lebt ein riesiger Apparat, und besser meist als die zu schützenden Mitglieder. Doch statt der Physik genüge zu tun und per GEMA-Verteilungsplan das Geld nach unten fallen zu lassen, wird die Schwerkraft für ungesetzlich erklärt. Eine Qualitäts-CD ist in der Tat 30 Mark wert. Für Dudelsuppe aber wurde viel zu lange viel zu hoch bezahlt. Und, by the way: Ich habe nicht mal einen CD-Brenner, die wenigen Sachen, die mich interessieren, kaufe ich. Auch eines informativen Booklets wegen. Viel Lärm um was also?
Ric Sanders (
Fairport Convention) sieht es noch radikaler:
Im Music Business dreht sich alles mehr denn je nur noch ums Geld. Ich hoffe, dass die Kids der ganzen Musikindustrie die Luft auspusten, dass sie alle Musik im Internet mit MP3-Files runterladen. In der Musikindustrie gibt es immer wieder Leute, die mit ihrem Schrott die Welt dominieren wollen. Musik-Imperialismus könnte man das nennen. Das interessiert mich nicht. Es brauchen ja nicht alle auf dieser Welt unsere CDs. Berühmt sein im Musikgeschäft ist irgendwie obszön. Die Welt braucht keine Megastars. Wir brauchen weniger Autos, weniger Abgase, mehr Umweltschutz. Viele Leute merkten bei der jüngsten Flutkatastrophe in England, dass etwas nicht mehr stimmt. Wir tun nichts, solange unser Haus nicht weggespült wird ...

Was ganz anderes. Die in der Altsteinzeit auftretenden Pfeifen aus durchbohrten Tierknochen sind wohl die ältesten Instrumente mit ausgeprägter Tonhöhe. Weltweit finden sich Flöteninstrumente aus allen möglichen Materialien. Darstellungen der frühen Neuzeit zeigen (Quer)Flöten mit vermehrter Häufigkeit, sowohl als Militärinstrument als auch in der Kammermusik. Bis ins späte 17. Jhd. ist die Renaissanceflöte ein einteiliges, zylindrisch gebohrtes Instrument mit sechs Grifflöchern. Verbesserungen, insbesonders von Theobald Böhm (1794-1881), führen zur mehrteiligen, modernen Flöte mit konischer Bohrung und Klappen, um Halbtöne zu spielen.

Ein großer Anteil der instrumentalen Sololiteratur nach 1930 ist für die Querflöte geschrieben worden. Grund dafür sind die vielfältigen klanglichen Möglichkeiten der Flöte, die eine differenzierte Erweiterung der herkömmlichen Spielweise erlauben.
Die sich aus den neuen Spiel- und Klangtechniken ergebenden An- und Herausforderungen werden von Carin Levines Spieltechnik der Flöte (Techniques of Flute Playing, zweispaltig in deutsch/englisch) zum offenbar ersten Male systmatisch erörtert. Als da wären Erläuterungen und Übetipps zu: Spielen in der 4. Oktave, Flatterzunge, Flageoletts, Whistle Tones (leise fluktuierende Pfeiftöne im hohen Register), Jet Whistle (Luftattacke, die einen schnell startenden Düsenjet assoziiert), Trompetenansatz (Anblasen mit einer Kombination aus Lippenspannung, Luftdruck und Resonanzräumen), gleichzeitiges Singen und Spielen, Simultanklänge, perkussive Effekte wie Pizzicato, Klappengeräusche, Tongue Ram (kräftiger Luftstoß, der eine große Septime tiefer klingt als der zugrunde liegende Griff), sowie Vibrato, zusätzliche Luftgeräusche, äol(sharf)ische Klänge, Mikrotonalität, Zirkularatmung, Triller und Glissando (nahtlose Übergange von einem Ton zum anderen). Diese Klangerweiterungseffekte der (klassischen) Neuen Musik sind ja teils auch in der traditionellen Musik, insbesondere aussereuropäischen Musikformen, nicht unbedingt Unbekannte.

Aber daran denken: Die Flöte ist ein Instrument, welches keinen guten moralischen Einfluss hat; sie ist zu erregend (Aristoteles). Flöten werden als geradezu archetypische Phallussymbole oftmals mit Liebeszauber in Verbindung gebracht. Die Ureinwohner Nordamerikas verwenden die Hirtenflöte ausschließlich für Liebesständchen. In Indien ist die Flöte das Instrument Krishnas, des Göttlichen Liebhabers: When Krishna plays the flute, the whole world is filled with love. Rivers stop, stones are illumined, lotus flowers tremble; gazelles, cows and birds are entranced; demons and ascetics enchanted. (Bhagavata-Purana)

Noch ein Sprung. Ob es für denjenigen, der es bis hierher geschafft hat, noch von Interesse ist, entzieht sich meiner Kenntnis: Ein langer Weg hat vom ARPANET der US-Militars (1969) uber Email (1972), Internetprotokoll (1982) und HTML (1990) bis zur FolkWorld (1997) geführt. www.voggenreiter.de Theoretisch kann jetzt von 160 Mio. Rechnern gelesen werden, welchen Unsinn ich hier verzapfe. Revolutionär ist auch der Gedanke, dass sich im Internet der Künstler ohne Mittler seinem Publikum vorstellt; welches allein über seine Akzeptanz entscheidet. Ein Grund von vielen, warum das Thema Internet auch Musiker nicht kalt lassen sollte.

Internet für Musiker ist als Einstieg für den blutigen Anfänger gedacht. Wie komme ich ins Internet (Modem, Provider, Browser)? Wie finde ich etwas (Suchmaschinen)? Was gibt es (Software, Radio, MP3, Newsgroups)? Und da findet auch der Profi noch den ein oder andere interessanten Hinweis; Dinge, die man noch nie verstanden, aber nicht zu fragen gewagt hat. Eine Link-Liste zu erstellen ist, angesichts des schnellebigen Mediums, natürlich Sisyphusarbeit. Dass FolkWorld fehlt, sei gnädig verziehen; Folk&Roots ist aber bis auf wenige Aufnahmen nicht vorhanden. Die Newsgroup "rec.music.celtic" gehört sicherlich nicht in die Kategorie "Klassische Musik". Die Zielgruppe ist der Windows-Nutzer (und ein wenig Apple). Linux findet überhaupt keine Erwähnung, so als ob es - ein gewagter Vergleich -, neben der Pop- auch keine Folkmusik gäbe.

Es hofft das Beste, T:-)M


Arbeitskreis Studium Populärer Musik e.V., Heimatlose Klänge? - Regionale Musiklandschaften heute. Coda, Karben, 2002, ISSN 0943-9242, Taschenbuch, 304 S.
Levine, Carin & Christina Mitropoulos-Bott, The Techniques of Flute Playing/Die Spieltechnik der Flöte. Bärenreiter, Kassel, 2002, ISBN 3-7618-1595-6, Din A4, 142 S, EUR 38,-.
Lied und soziale Bewegungen e.V., Festival Musik und Politik 2002 - Vorträge und Protokolle. Lied und soziale Bewegungen e.V., Berlin, 2002, Broschüre, 72 S, EUR 2,50.
Orthler, Tobias, Internet für Musiker. Voggenreiter, Bonn, 2000, ISBN 3-8024-0392-4, Taschenbuch, 160 S, EUR 12,95.
Steffe, Susanne & Hartmut E. Höfele, Europa in 80 Tönen - Eine multikulturelle Europareise mit Liedern, Tänzen, Spielen und Bräuchen. Ökotopia, Münster, 2002, ISBN 3-931902-87-0, Hardcover, 157 S, EUR 18,40.
Zahn, Robert v. (Hg.), Folk & Liedermacher an Rhein und Ruhr. Agenda, Münster, 2002, ISBN 3-89688-125-6, Hardcover, 303 S, EUR 25,- (2 CDs).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 9/2002

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