FolkWorld Live Review 5/99:

Europäische Schotten

Ceolbeg in Sevenum/NL (Februar 99)
Ross Kennedy & Gavin Pennycook in Heiligenhaus/D (März 99)


Von Michael Moll

Warum sollte man Konzerte von Ceolbeg und Ross Kennedy & Gavin Pennycook zusammen in einem Bericht besprechen? Nun, beide Acts kommen aus Schottland, und beide haben einen starken europäischen Einfluß in ihrer Musik. Außerdem fanden beide Konzerte in Kleinstädten mit sehr gutem Folkprogramm statt, allerdings mit recht unterschiedlichen Zuschauerzahlen...

Ceolbeg 1999; photo by The Mollis Seit Davy Steele vor etwa fünf Jahren die Band verlassen hat, haben sich Ceolbeg nicht mehr in Deutschland blicken lassen. Und auch dieses Jahr mußte man schon über die Grenze in die Niederlande fahren, um die hervoragende Folkband zu erleben.

Sevenum ist ein kleines Städtchen kurz hinter der holländischen Grenze bei Venlo, und hier haben sich vor wenigen Jahren einige Folkfreunde zusammengefunden, um ein Folkprogramm zu starten. Die erste Zeit war man noch auf Unterstützung der gemütlichen Kneipe 'De Saeveweg', in der die Konzerte stattfinden, angewiesen. Inzwischen hat sich der Club aber voll etabliert und kann sich finanziell selbst tragen; aus Nah und Fern - mit einem Einzugs-Radius von etwa 100 km! - strömen nun regelmäßig Sonntags nachmittags die Folkies an, um das beste an keltischer Musik zu erleben. Das übliche Publikum bei Konzerten in Sevenum liegt bei immerhin 200 bis 500 Leuten; und das zu einer so ungewöhnlichen Zeit von Konzerten: Sonntags nachmittags ab 16.00 Uhr bis zur Abendessenszeit...

Und natürlich kamen auch zu Ceolbeg die Zuschauer zahlreich angereist, und waren begeistert von Ceolbegs Blend aus schottisch-traditioneller Musik, modern arrangierten Liedern und europäischen Melodien.
Ceolbeg's Peter Boond and Rod Paterson; photo by The Mollis 1976 wurde die Band bereits gegründet, und trotzdem klingt Ceolbeg heute noch äußerst frisch, innovativ und unverbraucht. Peter Boond, einziges verbleibendes Gründungsmitglied, der Cittern und Flöten spielt, hat heute fünf weitere Spitzenmusiker der schottischen Szene um sich versammelt. Die meisten davon sind schon seit etlichen Jahren bei Ceolbeg: Wendy Stewart ist eine der renommiertesten Harfenspielerinnen Schottlands, die auch ab und zu ein Lied oder Concertinaklänge beiträgt. Colin Matheson spielt Keybords - und zwar auf eine Weise, die die Folkmusik der Band nur bereichert; die Keybords treten nie störend in den Vordergrund. Der Dudelsackspieler ist seit einiger Zeit wieder Gary West, der durch seine vielseitige und innovative Spielweise auf Dudelsack und Flöten begeistert. Hauptsänger der Band ist seit dem Austritt Davy Steeles der bekannte Sänger Rod Paterson (u.a. bekannt durch sein Mitwirken in den legendären schottischen Bands Easy Club und Jock Tamson's Bairns), der der Band ein bißchen traditionelleres Gefühl gibt. Und es fehlt natürlich noch die Percussion/Drums, die seit kurzem Mike Travis einfühlsam bedient.

Was bei Ceolbeg heute besticht, ist vor allem das Abwechslungsreichtum. Auch wenn die Musik immer eindeutig schottisch klingt, finden sich sehr vielseitige Einflüsse. Da sind dann neben typisch schottischen Melodien auch einige nordspanische (galicische und asturische) Melodien zu hören, da wird Robert Burns Liedern (Willie Wastle; Nodding Song) mal auf geniale Weise ein Reggae-Sound unterlegt - was hervorragend klingt, und vor allem durch Wendys Concertina-Spiel geprägt ist. Andere Höhepunkte sind die sehr melodisch arrangierten Pipe-Tunes, die zum Teil wahre Ohrwürmer sind.

Ceolbeg 1999; photo by The Mollis Ceolbeg haben in Sevenum bewiesen, daß sie - auch wenn in den letzten Jahren wenig über sie in Deutschland zu hören war - noch immer eine der allerbesten Bands Schottlands sind, die sehr geschickt schottische Musik modern und verwoben mit anderen Musikeinflüssen arrangieren. In Holland waren sie in den letzten Jahren regelmäßig auf Tour, hoffentlich verschlägt es sie bald auch mal wieder nach Deutschland. Eine neue Ceolbeg-CD ist übrigens derzeit auf dem Wege!


Ortswechsel. Eine Stunde Fahrt von Sevenum entfernt liegt Heiligenhaus, eine Kleinstadt im direkten Einzugsbereich von u.a. Düsseldorf und Essen, die schon seit Jahrzehnten ein vielseitiges und anspruchsvolles Folkprogramm anbietet. Veranstaltet vom örtlichen Kulturamt, dessen Leiter ein begeisterter Folkfan ist, treten regelmäßig Topacts vor allem der keltischen Szene in "dem Club", einem kleinen Jugendcafe, auf. Die durschschnittliche Publikumszahl dürfte bei etwa 80 liegen; vor allem kommt Stammpublikum direkt aus Heiligenhaus - trotz Topprogramm wird nicht der Einzugsbereich der umliegenden Großstädte erreicht.

In dem diesjährigen Frühlingsprogramm gaben auch die beiden Schotten Ross Kennedy & Gavin Pennycook ein Gastspiel. Bis vor zwei Jahren war Ross' Duopartner noch Archie McAllister; seitdem ist es der Fiddler Gavin Pennycook (Ex-Deaf Shepherd), der dem Duoprgramm einen wesentlich stärkeren europäischen Touch gegeben hat.

Ross Kennedy; photo by The Mollis Ross ist als Sänger und Gitarrist für die Auswahl der Lieder verantwortlich. Dabei werden vor allem eindeutig schottische traditionelle Lieder gewählt, die Ross mit humorvollen Ansagen ankündigt. Einziger Haken der Ansagen ist, daß Ross einen ausgeprägten schottischen Dialekt spricht, so daß meist ein Großteil des Publikums die Witze nicht so ganz versteht - umso lustiger sind die Scherze aber für diejenigen, die sie verstehen!
Die Lieder machen etwa die Hälfte des Programms aus; die andere sind Tunes, die Gavin aussucht. Er beweist sich dabei als 'vorbildlicher' schottischer Europäer; Gavins Liebe liegt nicht nur bei schottischer Musik, sondern vor allem bei nordspanischer (Galicien, Asturien) und skandi navischer Musik. Und so finden sich im Programm nicht nur typisch schottisch-irische Jigs und Reels, sondern eben auch wunderschöne Tunes aus anderen europäischen Regionen. Gavin zeigt dabei sehr viel Gefühl für die anderen Traditionen - beispielsweise spielte er an diesem Abend auch eine autentisch klingende, ruhige finnische Melodie - vielleicht der Höhepunkt des ganzen Abends!

Diese musikalische Vielfalt, die die schottischen Lieder umgibt, macht gerade die Anziehungskraft dieses Duos aus. Wahrscheinlich bringt gerade das Konzept, daß der Sänger die Lieder und der Fiddler die Tunes auswählen, die hohe Qualität und Frische in die Musik. Auf jeden Fall sind die beiden ein sehr empfehlenswerter Liveact.


Diese beiden schottische Acts präsentieren ein sehr europäisches Schottland. Durch die verschiedenen Einflüssen aus Europe and beyond heben sie sich von anderen schottischen Acts wohltuend ab, und strahlen eine ausgesprochene Frische und Vielfalt aus. Ohne Zweifel sind dies gute Botschafter für ein Schottland, daß dieser Tage gerade sein erstes eigenes (Regional-) Parlament seit Jahrhunderten wählt.

Photo Credit: (1 & 3) Ceolbeg in Sevenum, (2) Peter Boond &, Rod Paterson; (4) Ross Kennedy
Photos by The Mollis


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 5/99

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