Die Wildness sind wir, textet Ernst Molden. In uns drinnen, um uns herum. Die Alpen- und Donaumetropole Wien bildet dabei keine Ausnahme. Und das hat das Enfant Terrible des bluesigen Wienerliedes gekonnt mit Ursula Strauss musikalisch in Szene gesetzt.
Auf eben dieser Wiener Szene ist Ernst Molden seit Mitte der 1990er Jahre präsent. Er veröffentlichte Essays und Romane, veranstaltete Lesungen und lud dazu befreundete Musiker ein, um sich nicht selbst zu langweilen. Er lernte das Gitarrenspiel und schrieb erste Songs. Aus dem literarischem Vortrag wurde im Laufe der Zeit ein Konzert im klassischen Rahmen. Mal solo, mal mit Mitstreitern und Mitstreiterinnen wie Rockgitarrist Hannes Wirth (A Life, A Song, A Cigarette) auf der einen Seite des musikalischen Spektrums und Walther Soyka (Knopfharmonika) und Sibylle Kefer (Gesang) auf der anderen, die eine Brücke zur traditionellen Wiener Schrammelmusik schlagen.
Willi Resetarits (alias Ostbahn Kurti) gab Ernst Molden den Rat, im Dialekt zu singen, weil das doch viel einfacher sei. Molden stimmt zu, dass das Wienerische eine "perfekte Popsprache" ist - so vokalreich, geschmeidig, und dadurch formbar. Musikalisch steht er aber in der Tradition der Folk- und Blues-Musik des 20. Jahrhunderts, durchaus auch der elektrifizierten Sorte. Für diese spezielle Wiener Melange wurde er 2017 mit einem "Amadeus" in der Kategorie "Jazz / World / Blues" ausgezeichnet.
Mit der bekannten und beliebten Schauspielerin Ursula Strauss veröffentlichte er nun 2020 das Album "Wüdnis" (auf gut hochdeutsch: Wildnis). Die Zusammenarbeit reicht tatsächlich schon ein paar Jahre zurück. Molden eröffnete die Wiener Festwochen auf dem Rathausplatz, die im Zeichen des Wienerliedes standen, und lud sich als Begleitung Willi Resetarits, aber eben auch Ursula Strauss ein. Anschließend spielten beide reihenweise Konzerte in ganz Österreich. Gegenüber der Wiener Zeitung begründete er dies damit, dass er in Ursula Strauss seine "Seelenverwandtschaft" gefunden hätte.
Ursula Strauss stammt aus der Nibelungenstadt Pöchlarn im niederösterreichischen Bezirk Melk, besuchte die Schauspielschule am Wiener Volkstheater und ist spätestens seit der Krimiserie "Schnell ermittelt" auch nördlich der Donau ein gern gesehenes Fernsehgesicht geworden. Nach eigenem Bekenntnis sei sie keine professionelle Sängerin, habe aber schon immer gerne gesungen - ob bei den Pfadfindern oder im Kirchenchor. Zwei, die sich gefunden haben. Für Molden war die Zwanglosigkeit und Lässigkeit ein Segen, da er genauso an die Sache herangehe - mit einer gehörigen Portion Neugier und Naivität, an derem Ende aber letztendlich große Kunst steht.
Speziell für Ursula Strauss hat Ernst Molden ein Dutzend neue Lieder verfasst. Ganz klar eigentlich, dass es eine minimalistische Scheibe mit nur Stimmen und Gitarren werden musste. Vor seinem geistigen Auge hatte er das Bild von zwei wandernden Musikanten, die aus der Wildnis kommend mal wieder in die Zivilisation eintreten, dort ihre News of the World singen, die doch so alt wie die Menschheit sind. Sie erzählen von Liebe und Hass, Krieg und Frieden. Es sind leise Geschichten, wehmütige und trübsinnige, vielleicht ein verhaltener Optimismus, doch der Mensch hier neigt nicht zu übertriebener Heiterkeit.
Wien ist aber auch die Stadt des lieben Augustins, der die Pestgrube überlebt hat.[72] Und hat der Corona-Lockdown auch die Musikanten von der Bühne verbannt, so bleibt es doch deren ureigenste Aufgabe, die Mitmenschen zu ermuntern und zu ermutigen, vor allem niemanden in ihrer Misere allein zu lassen. Wer sollte es denn sonst tun? Die Berufspolitikerkaste in ihren Vorstadtvillen? Die Populisten und rechten Rattenfänger? ...
Im bereits oben genannten Interview mit der Wiener Zeitung sinniert Ernst Molden: "Es ist auch kein Zufall, dass die amerikanische Popularmusik, vor allem im Jazz, Blues und Folk, die mit Abstand größte Entwicklung in den 1930er Jahren während der Wirtschaftskrise genommen hat. Auch bei uns ist durch diese Krisenzeit sehr viel im Entstehen. Darauf darf man sich freuen ..."
Am Ende des Tages wird die Gitarre in den Koffer gepackt, ein letztes Glas geleert, dann geht es wieder daune iwan fluss (im übrigen die einzige Fremdkomposition dieser CD, nämlich Doc Watsons "Deep River Blues") zurück in die wüdnis. Zwischen Flora und Fauna, in den Donauauen und Praterwiesen, findet der Troubadour die Gelegenheit zum durchatmen und die Kraft, um erneut unter die Menschen zu gehen.
Ursula Strauss, Ernst Molden "wüdnis", Bader Molden Recordings, 2020
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Dem Prinzip Hoffnung folgend haben wir das 22. Internationale Akkordeonfestival geplant.
Jetzt hat es uns wieder erwischt: auch heuer kann das Festival corona-bedingt nicht stattfinden.
Friedl Preisl und sein Team wünschen ihrem Publikum vor allem Gesundheit,
und uns allen ein (hoffentlich schon wieder maskenloses) Wiedersehen im
nächsten Jahr, beim Internationalen Akkordeon Festival 2022!
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15. Mai - 4. Juli 2021
Um in Zeiten wie diesen ein Festival zu planen, ist es vorteilhaft sich mit einem Rucksack voll Optimismus und Flexibilität auszustatten.
Das Festival wean hean wird heuer - sofern es die Pandemie erlaubt - in einer Frühsommer-Edition von 15. Mai bis 4. Juli 2021 stattfinden.
wean hean lebt von zeitlos lebendigem Wienerlied und saftig neuwertigen Stadttönen und ist sowas von in den Startlöchern.
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Photo Credits:
(1) Ernst Molden & Ursula Strauss,
(2) Der Nino aus Wien,
(3) SarahBernhardt,
(4) Sigrid Horn
(5) Julia Lacherstorfer,
(6) Alma,
(7) Peter Havlicek (Schrammel und die Jazz),
(8) Hotel Palindrone,
(9) Martin Klein (unknown/website);
(10) Molden, Soyka, Stirner, Lee @ Karlsplatz Wien (by The Mollis).