FolkWorld #74 03/2021
© Walkin' T😊M

Wien, photo: www.magwien.gv.at

Wildness Wien

Ernst Molden & Ursula Strauss

Ernst Molden @ FROG

www.ernstmolden.com
www.ursulastrauss.at

Die Wildness sind wir, textet Ernst Molden. In uns drinnen, um uns herum. Die Alpen- und Donaumetropole Wien bildet dabei keine Ausnahme. Und das hat das Enfant Terrible des bluesigen Wienerliedes gekonnt mit Ursula Strauss musikalisch in Szene gesetzt.

Auf eben dieser Wiener Szene ist Ernst Molden seit Mitte der 1990er Jahre präsent. Er veröffentlichte Essays und Romane, veranstaltete Lesungen und lud dazu befreundete Musiker ein, um sich nicht selbst zu langweilen. Er lernte das Gitarrenspiel und schrieb erste Songs. Aus dem literarischem Vortrag wurde im Laufe der Zeit ein Konzert im klassischen Rahmen. Mal solo, mal mit Mitstreitern und Mitstreiterinnen wie Rockgitarrist Hannes Wirth (A Life, A Song, A Cigarette) auf der einen Seite des musikalischen Spektrums und Walther Soyka (Knopfharmonika) und Sibylle Kefer (Gesang) auf der anderen, die eine Brücke zur traditionellen Wiener Schrammelmusik schlagen.

Der Nino aus Wien
Der Nino aus Wien musiziert seit einem Jahrzehnt mit einer festen Kombo. Daran soll sich nichts ändern, auch wenn sein nunmehr 11. Album in einer einzigen Nacht eingespielt worden ist - solo, Gesang, Gitarre, zum blassen Mondenschein. Halt, es gibt doch eine Ausnahme von der Regel: beim "Wienerlied" hat Molden mitkomponiert und -musiziert. Ansonsten pflegt Nino Mandl seine ureigene Version von Wienerlied und Hirschstettner Soul und erzählt von seiner kleinen großen Welt - vom Café Hawelka bis Almeria und Australien und zurück nach Simmering.

Der Nino aus Wien "Ocker Mond", Medienmanufaktur Wien, 2020


Der Nino aus Wien

Artist Video Der Nino aus Wien @ FROG

www.derninoauswien.at

SarahBernhardt
Mit mehrstimmigen, lyrischen Chansons im Dialekt beschäftigen sich SarahBernhardt mit der Heimat im Mostviertel. Sigrid Horn singt, Sarah Metzler spielt die böhmische Hakenharfe, Bernhard Scheiblauer musiziert auf der Ukulele. "langsam wiads wos" ist gedankenschwer und voller Wehmut, aber auch gelassen und verhalten optimistisch. Auch im Alpenland stellt sich immer wieder aufs Neue die Frage, ob das Vierterl halb leer oder halb voll ist.

SarahBernhardt "langsam wiads wos", Medienmanufaktur Wien, 2020


SarahBernhardt

Artist Video
www.sarahbernhardt.at

Sigrid Horn
Liedermacherin Sigrid Horn pendelt zwischen Provinz und Großstadt und ihr Lied "baun" gegen die Verschandelung der Landschaft gewann den FM4 Protestsong Contest. Ihre og. MitstreiterInnen waren schon lange Teil ihres eigenen Austro-Pop-Programms; für einen zusätzlichen Farbtupfer sorgt Ernst Moldens Stromgitarre, der sagt: "Es sind Berichte aus der innersten Mitte des Lebens, gesungen mit der äußersten Entschlossenheit, keinen einzigen Moment dieses Lebens nur mit halber Kraft anzugehen. Aus den fragilen, schönen und manchmal fremden Folk-Skeletten des Erstlings sind berauschend arrangierte Songlandschaften geworden."

Sigrid Horn "i bleib do", Bader Molden Recordings, 2020


Sigrid Horn

Artist Video
www.sigridhorn.at

Julia Lachersdorfer: Spinnerin
"Die Lieder, die mir einst mein Großvater beige- bracht hat, und die ich über alles liebe, sie kommen mir immer weniger leicht über die Lippen. Zwar bin ich mit Volksmusik aufgewachsen, dennoch habe ich Jahrzehnte gebraucht, um zu begreifen, dass ein Großteil der traditionellen Lieder eine männliche Geschichte erzählen. Diese Erkenntnis weckte in mir den Wunsch, die weibliche Perspektive in unserem Liedgut mehr ins Bewusstsein zu rücken." Erstmals als Solo-Künstlerin unterwegs hat Geigerin Julia Lachersdorfer (Aufstrich, Ramsch und Rosen, Alma) Lebens- und Leidensgeschichten aus weiblicher Perspektive in neo-traditioneller und unterhaltsamer Manier vertont.

Julia Lachersdorfer "Spinnerin", Lotus Records, 2020


Julia Lachersdorfer

Artist Video Julia Lacherstorfer @ FROG

www.julialacherstorfer.at


Alma

Artist Video Alma @ FROG

www.almamusik.at

Schrammel und die Jazz
Peter Havlicek spielt die Kontragitarre. Er hat 1994 die Neuen Wiener Concert Schrammeln begründet, kommt aber ursprünglich vom Jazz und interessiert sich für Klänge jenseits der Regeln. Mit Nikolai Tunkowitsch (Geige) und Bertl Mayer (Mund-Harmonika) erkundet er aufbauend auf vorherige Arbeiten auf clevere Art und Weise die musikalischen Bande zwischen Wien, Paris und Rio de Janeiro.

Tunkowitsch Mayer Havlicek "Schrammel und die Jazz via Brasil", nonfoodfactory, 2020


Peter Havlicek

Artist Video Peter Havlicek @ FROG

www.peterhavlicek.at

Hotel Palindrone
AL PE ST AN = ALbin Paulus + PEter Natterer + STephan Steiner + ANdreas Neumeister = das imaginäre Land der Klänge, wo Altes auf Neues, Ost auf West, Polka auf Kettentanz, schottische Mouth Music auf texanischen Blue Yodel trifft. Kein Muckefuck, sondern eine stimulierende Wiener Melange kreiert aus aromatischen Früchten und garniert mit süßem Schaum.

Hotel Palindrone "Alpestan", Lotus Records, 2020


Hotel Palindrone

Artist Video Hotel Palindrone @ FROG

www.hotelpalindrone.com

Martin Klein
Der in Tirol aufgewachsene und in Wien lebende Liedermacher und Pianist Martin Klein sucht des Nächtens das Universale und Große, nicht das Lokale und Kleine. 13 x allein am Klavier und 5 x noch einmal mit Band, in reinstem Hochdeutsch, zelebriert er zwar musikalisch Schlichtheit und Behutsamkeit, maximiert hingegen das Emotionale und Affektive.

Martin Klein "Nachtlieder", Medienmanufaktur Wien, 2020


Martin Klein

Artist Video
www.martinklein.at

Willi Resetarits (alias Ostbahn Kurti) gab Ernst Molden den Rat, im Dialekt zu singen, weil das doch viel einfacher sei. Molden stimmt zu, dass das Wienerische eine "perfekte Popsprache" ist - so vokalreich, geschmeidig, und dadurch formbar. Musikalisch steht er aber in der Tradition der Folk- und Blues-Musik des 20. Jahrhunderts, durchaus auch der elektrifizierten Sorte. Für diese spezielle Wiener Melange wurde er 2017 mit einem "Amadeus" in der Kategorie "Jazz / World / Blues" ausgezeichnet.

Mit der bekannten und beliebten Schauspielerin Ursula Strauss veröffentlichte er nun 2020 das Album "Wüdnis" (auf gut hochdeutsch: Wildnis). Die Zusammenarbeit reicht tatsächlich schon ein paar Jahre zurück. Molden eröffnete die Wiener Festwochen auf dem Rathausplatz, die im Zeichen des Wienerliedes standen, und lud sich als Begleitung Willi Resetarits, aber eben auch Ursula Strauss ein. Anschließend spielten beide reihenweise Konzerte in ganz Österreich. Gegenüber der Wiener Zeitung begründete er dies damit, dass er in Ursula Strauss seine "Seelenverwandtschaft" gefunden hätte.

Ursula Strauss stammt aus der Nibelungenstadt Pöchlarn im niederösterreichischen Bezirk Melk, besuchte die Schauspielschule am Wiener Volkstheater und ist spätestens seit der Krimiserie "Schnell ermittelt" auch nördlich der Donau ein gern gesehenes Fernsehgesicht geworden. Nach eigenem Bekenntnis sei sie keine professionelle Sängerin, habe aber schon immer gerne gesungen - ob bei den Pfadfindern oder im Kirchenchor. Zwei, die sich gefunden haben. Für Molden war die Zwanglosigkeit und Lässigkeit ein Segen, da er genauso an die Sache herangehe - mit einer gehörigen Portion Neugier und Naivität, an derem Ende aber letztendlich große Kunst steht.

Speziell für Ursula Strauss hat Ernst Molden ein Dutzend neue Lieder verfasst. Ganz klar eigentlich, dass es eine minimalistische Scheibe mit nur Stimmen und Gitarren werden musste. Vor seinem geistigen Auge hatte er das Bild von zwei wandernden Musikanten, die aus der Wildnis kommend mal wieder in die Zivilisation eintreten, dort ihre News of the World singen, die doch so alt wie die Menschheit sind. Sie erzählen von Liebe und Hass, Krieg und Frieden. Es sind leise Geschichten, wehmütige und trübsinnige, vielleicht ein verhaltener Optimismus, doch der Mensch hier neigt nicht zu übertriebener Heiterkeit.

Wien ist aber auch die Stadt des lieben Augustins, der die Pestgrube überlebt hat.[72] Und hat der Corona-Lockdown auch die Musikanten von der Bühne verbannt, so bleibt es doch deren ureigenste Aufgabe, die Mitmenschen zu ermuntern und zu ermutigen, vor allem niemanden in ihrer Misere allein zu lassen. Wer sollte es denn sonst tun? Die Berufspolitikerkaste in ihren Vorstadtvillen? Die Populisten und rechten Rattenfänger? ...

Wüdnis

Im bereits oben genannten Interview mit der Wiener Zeitung sinniert Ernst Molden: "Es ist auch kein Zufall, dass die amerikanische Popularmusik, vor allem im Jazz, Blues und Folk, die mit Abstand größte Entwicklung in den 1930er Jahren während der Wirtschaftskrise genommen hat. Auch bei uns ist durch diese Krisenzeit sehr viel im Entstehen. Darauf darf man sich freuen ..."

Am Ende des Tages wird die Gitarre in den Koffer gepackt, ein letztes Glas geleert, dann geht es wieder daune iwan fluss (im übrigen die einzige Fremdkomposition dieser CD, nämlich Doc Watsons "Deep River Blues") zurück in die wüdnis. Zwischen Flora und Fauna, in den Donauauen und Praterwiesen, findet der Troubadour die Gelegenheit zum durchatmen und die Kraft, um erneut unter die Menschen zu gehen.


Ursula Strauss, Ernst Molden "wüdnis", Bader Molden Recordings, 2020


















Molden, Soyka, Stirner, Lee @ Karlsplatz Wien


Akkordeon Festival Wien

20.02.-21.03.2021

Dem Prinzip Hoffnung folgend haben wir das 22. Internationale Akkordeonfestival geplant. Jetzt hat es uns wieder erwischt: auch heuer kann das Festival corona-bedingt nicht stattfinden. Friedl Preisl und sein Team wünschen ihrem Publikum vor allem Gesundheit, und uns allen ein (hoffentlich schon wieder maskenloses) Wiedersehen im nächsten Jahr, beim Internationalen Akkordeon Festival 2022!



wean hean

15. Mai - 4. Juli 2021

Um in Zeiten wie diesen ein Festival zu planen, ist es vorteilhaft sich mit einem Rucksack voll Optimismus und Flexibilität auszustatten. Das Festival wean hean wird heuer - sofern es die Pandemie erlaubt - in einer Frühsommer-Edition von 15. Mai bis 4. Juli 2021 stattfinden. wean hean lebt von zeitlos lebendigem Wienerlied und saftig neuwertigen Stadttönen und ist sowas von in den Startlöchern.





Photo Credits: (1) Ernst Molden & Ursula Strauss, (2) Der Nino aus Wien, (3) SarahBernhardt, (4) Sigrid Horn (5) Julia Lacherstorfer, (6) Alma, (7) Peter Havlicek (Schrammel und die Jazz), (8) Hotel Palindrone, (9) Martin Klein (unknown/website); (10) Molden, Soyka, Stirner, Lee @ Karlsplatz Wien (by The Mollis).


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