FolkWorld #69 07/2019
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Musik der Türkei

Mara Aranda
Mara Aranda

Sefarad en el corazón de Turquía

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Die Musik der Türkei weist als Nachfolger des multikulturellen Osmanischen Reiches und ihrer geographischen Lage als Kreuzungspunkt der Kulturen eine große Vielfalt auf. Die türkischen Nomaden aus Zentralasien brachten ihre eigene Musiktradition mit nach Anatolien und integrierten Elemente anderer Musikkulturen in ihr Repertoire (u. a. persische Musik, byzantinische Musik). Ab dem 16. Jahrhundert lässt sich eine eigenständige osmanische Musiktradition nachweisen, die wiederum andere Völker beeinflusste. Gegen Ende des Osmanischen Reiches und mit dem Beginn der republikanischen Kulturpolitik kamen europäische mehrstimmige Musikstile hinzu.

Geschichte

Surname-i Vehbi: 18th century festival in Ottoman Istanbul

Türkische Musik
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Die ursprüngliche Musik der Türkei besteht aus zwei großen Traditionen mit unterschiedlichen Charakterzügen. Die erste Tradition ist türkische Kunstmusik (Türk Sanat Müziği), die durch die Kultur der osmanischen Elite charakterisiert wird, stark durch islamische Kultur sowie durch arabische und persische Musik beeinflusst wurde und Spuren indischer Musik und griechisch-römischer Geschichte der Region enthält. Während der osmanischen Ära galt türkische Kunstmusik als die authentische Musik der Türkei. Volksmusik wurde teilweise aus verschiedenen Gründen unterdrückt, beispielsweise aus religiöser Intoleranz.

Die zweite ist die türkische Volksmusik (Türk Halk Müziği), charakterisiert durch die Kultur türkischsprachiger ländlicher Gemeinden in Anatolien, des Balkans und des Nahen Ostens. Obwohl türkische Volksmusik einige Spuren zentralasiatischer Turkkulturen enthält, wurde sie auch stark durch viele andere Kulturen in der Region beeinflusst.

Als 1923 der moderne türkische Staat ausgerufen wurde, verfolgte die neue Republik das Ziel, diese Volksmusik als die "eigenständige Musik des Anatoliens" wiederzubeleben und die als elitär angesehene "Palastmusik" der Osmanen nicht weiter zu fördern. Erstmals wurde westliche klassische Musik (alafranga) eingeführt und im Zuge der Europäisierung die Ausbildung türkischer Komponisten fossiert. In den 1920ern und 1930ern erfreuten sich Gesellschaftstänze größerer Beliebtheit, wodurch sich eine Nische von Künstler entwickelte, die Tango, Rumba oder Foxtrott auf Türkisch sangen wie z. B. Seyyan Hanım. Zwischen 1934 und 1936/7 war türkische Volksmusik (alaturka) im Rundfunk verboten.

Traditionelle klassische Musik

Die meiste türkische Musik hat den Makam gemeinsam. Makam ist ein System aus Tonarten oder Tonleitern und anderen Kompositionsregeln, als auch Improvisationsteilen, die Taksim genannt werden. Taksim sind Teile einer Musiksuite, die aus Präludium, Postludium und einem Hauptteil besteht, die mit einer Taksim startet und durch Taksim unterbrochen wird. Auch Lieder sind Teil dieser Tradition. Viele dieser Lieder sind äußerst alt und stammen aus dem 14. Jahrhundert. Viele sind aber auch jüngeren Ursprungs; besondere Popularität erlangten die aus der Feder von Hacı Arif Bey (1831–1885) stammenden Stücke.

Die in der türkischen klassischen Musik üblicherweise gespielten Instrumente sind Oud, Tanbur, Ney, Kanun und Darbuka.

1976 erlebte die türkische klassische Musik eine Renaissance und das Staatskonservatorium in İstanbul wurde gegründet, um klassischen Musikern die gleiche Unterstützung geben zu können, wie dies mit Volksmusikern schon lange der Fall war. Türkische klassische Musik wird in Konservatorien unterrichtet. Das am meisten geachtete ist das Üsküdar Musiki Cemiyeti in İstanbul. Der populärste Sänger der türkischen klassischen Musik ist Münir Nurettin Selçuk, der als erstes einen Hauptsänger etablierte. Andere Künstler sind Bülent Ersoy, Zekai Tunca und Zeki Müren. Im Jahr 1991 wurde durch Mithilfe des türkischen Kultusministeriums das Staatsensemble für klassische türkische Musik (İstanbul Tarihi Türk Müziği Topluluğu) ins Leben gerufen, das die traditionellen Lieder der türkischen Tariqas (Sufi-Orden) pflegt. Prominentestes Mitglied dieses Ensembles ist Ahmet Özhan.



Religiöse Musik - dinî müzik

Aufgrund der Feindseligkeit der osmanischen Ulema gegenüber instrumentaler Musik konnte sich religiöse Musik nur in Form von oralen Rezitationen entwickeln (z. B. in den verschiedenen Formen des Adhan und des Mevlids).

Die Sufis, die Instrumentalmusik aufgeschlossener waren, bauen in ihre religiöse Zeremonien unter anderem die Ney und die Doppeltrommel kudüm und auch die Saz ein. Dominierend sind aber die Gesänge, welche auf Gedichte vom Gründer und Dichter Dschalal ad-Din Rumi basieren. Ihre langen und komplexen Kompositionen werden Ayın genannt werden. Die Mevlevi-Derwische sind auch außerhalb der Türkei bekannt. International bekannte Musiker sind Necdet Yaşar and Kudsi Ergüner.



Mehter müziği

Die Janitscharenmusik ist eine frühzeitig entstandene Form der Militärmusik und Repräsentationsform osmanischer Sultane. Gespielt werden sie von der Mehterhâne. Sie wurden schon 1826 im Zuge einer Reform abgeschafft und durch Kapellen mit europäischem Instrumentarium ersetzt. Heute sind sie verstärkt bei geschichtsträchtigen Anlässen und als touristische Attraktion in historischen Schauplätzen anzutreffen.



Volksmusik

Altin Gün
Altin Gün: Gece


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Auf Atatürks Anweisung wurde 1924 eine breite Einordnung und Archivierung von Aufnahmen türkischer Volksmusik aus Anatolien begonnen und bis 1953 fortgeführt. Während dieser Zeit wurden 10.000 Volkslieder gesammelt. Der ungarische Komponist Béla Bartók besuchte im Zusammenhang mit dieser Arbeit 1936 Ankara und den Südosten der Türkei.

Die Folklore der Türkei ist sehr vielseitig und somit auch ihre Musik. Dennoch basiert der größte Teil der türkischen Volksmusik auf der Saz, auch Bağlama, einem Zupfinstrument aus der Familie der Langhalslauten. Traditionell wird die Saz von reisenden Barden gespielt, die Aşık genannt werden. Heutzutage bilden Sazorchester, manchmal mit importierten Gitarren, Bassgitarren und Schlagzeug, die Basis für die sehr populäre Volksmusik-Form Türkü.

Ayça Miraç
Ayça Miraç


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Das Zurna- und Davul-Duo ist in ländlichen Gebieten beliebt und spielt auf Hochzeiten und anderen Feiern. Weniger laut als die Zurna klingen das Doppelrohrblattinstrument Mey und die Sackpfeife Tulum. Weitere übliche Instrumente sind Elektrosaz, besonders in der Region um Ankara, Darbuka besonders in Rumeli und Kemençe in der Region am Schwarzen Meer.

Volksmusik begleitet üblicherweise Volkstänze, die sich regionsabhängig stark voneinander unterscheiden. Bedeutend sind unter anderem Çiftetelli in Thrakien, Zeybek in der Ägäis, Horon an der Schwarzmeerregion und Halay in Ostanatolien und Südostanatolien.

Alevitische Musik: Semah, Deyiş und Nefes

Etwa ein Fünftel der türkischen Bevölkerung sind Aleviten, deren bekannte Volksmusik von reisenden Barden gespielt wird, die Aşık heißen. Die Lieder der Aşıks stammen vom zentralen Nordosten der Türkei und enthalten mystische Offenbarungen, Bittgebete an alevitische Heilige und Mohammeds Schwiegersohn Ali. Viele dieser Lieder werden von den Aleviten der Legende von Pir Sultan Abdal zugeschrieben. Ruhi Su belebte die Musik der Aşıks in den frühen 1970ern wieder. Einige Aşıks wie Mahsuni Şerif, Aşık Veysel und Ali İzzet verarbeiteten sozialpolitische Texte.

Aus dem westlichen Anatolien kommt der Bozlak, eine Art vortragende teilweise improvisierte Musik, für die besonders Neşet Ertaş berühmt ist. Um die Stadt Kars hat die Aşık-Musik eine mehr spirituelle Neigung, die auch in rituellen Schlagabtausch-Wettkämpfen vorkommt.

Romamusik

Sakina Teyna
Sakina Teyna


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Roma sind türkeiweit für ihr Musikantentum bekannt. Ihre Musik wird Fasil genannt und wird oft mit der unteren Gesellschaftsschicht in Verbindung gebracht, kann jedoch auch im besseren Etablissement angetroffen werden. Viele der populärsten Roma-Künstler stammen von Tarlabaşı und spielen Zurna und Darbuka. Der berühmteste Fasil-Musikant ist Mustafa Kandirali.


Kurdische Musik

Die kurdische Musik fußt auf einer epischen Gesangstradition. In dieser werden Geschichtenerzähler (Çîrokbêj), Sänger (Stranbêj) und Barden (Dengbêj) unterschieden. Die häufigste Liedform hat zwei Strophen mit zehnsilbigen Zeilen. Charakteristisch für kurdische Musik sind einfache Melodien mit einem Umfang von nur drei oder vier Tönen, strophische Lieder mit derselben Dichtung und Musik am Ende jeder Strophe.



Johnson & Keaggy
»Cappadocia«

Die meisten kurdischen Lieder sind Liebeslieder. Tanzmusik (Govend), Hochzeits- und andere Feierlieder und Arbeitslieder sind sehr beliebt.

Als Musikinstrumente werden Saz, Tembûr, Kemençe, Bilûr (Flöte), Duduk (Oboe), Dehol (Trommel) und Zurna (Schalmei) benutzt. In der jesidischen, kakaischen (Ahli-Haq) und alevitischen Religion werden bei Zeremonien die Langhalslaute Tembûr für religiöse Lieder benutzt.

Neben einigen typisch kurdischen Musikinstrumenten (Bilûr, Tembûr, Dûdûk, Dehol) kommen traditionelle türkische und iranische Instrumente zum Einsatz. In der modernen Popmusik spielen elektronische Instrumente, Verstärker und Keyboard eine Rolle, besonders bei Hochzeiten und Feierlichkeiten.

Kurdische Musik war in der Türkei aufgrund des Sprachverbots lange Zeit verboten. Dennoch hatten kurdische Sänger wie Ibrahim Tatlises und Ahmet Kaya, die auf Türkisch sangen, auch in der türkischen Öffentlichkeit einen hohen Bekanntheitsgrad. Der sicherlich bekannteste Sänger aus der Türkei, Şivan Perwer, verfasste seine Lieder auf kurdisch und musste deshalb lange Zeit im Exil leben. Kurdische Musik wird in der türkischen Medienlandschaft, bis auf wenige Ausnahmen, bewusst ignoriert und beschränkt sich bis heute auf vor allem die wenigen kurdischen Sender. Erst im Mai 2005 wurde Kurdische Musik bei Wahlkampagnen wieder erlaubt.






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Date: June 2019.



Photo Credits: (1) Mara Aranda, (2) Surname-i Vehbi: 18th century festival in Ottoman Istanbul, (3) Ensemble Huseyin Turkmenler, (4) BaBa ZuLa, (5) Murat Coşkun, (6) Canan Uzerli, (7) Mehmet Polat, (8) Olcay Bayır, (9) Altin Gün, (10) Gaye Su Akyol, (11) Sakina Teyna, (12) Ayça Miraç, (13) Jeff Johnson & Phil Keaggy: Cappadocia, (14) Ferhat Tunç, (15) Adir Jan, (16) Aynur (unknown/website).


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