Der folgende Artikel wurde vor 2 Jahren schon einmal in der (nunmehr nicht mehr existierenden) Folkzeitschrift Folksblatt veröffentlicht. Anläßlich der Scottish Folk Festival Tour '99, bei der Deaf Shepherd einen der Höhepunkte formen werden, hier der noch immer zutreffende Artikel zum ersten Male in FolkWorld:

FolkWorld Artikel von The Mollis:

Junge Tradition aus Schottland

Deaf Shepherd treiben mit jugendlichem Elan neue Blüten aus alten Traditionen


Deaf Shepherd; photo by the Mollis Norman Chalmers schrieb im Scotsman (schottische Tageszeitung): Deaf Shepherd "füllen die Niche, die vorher von den frühen Tannahill Weavers besetzt war; sie spielen zu schnell, als ihnen gut tut, sie klingen unsauber und etwas rauh, aber mit was für einem Enthusiasmus und uuhmpf!" Und Chris MacKenzie schrieb in der Living Tradition (schottische Folkzeitung) über ihre Debut CD "Ae Spark O Nature's Fire": "Großer Dudelsack, kleiner Dudelsack, Whistle oder Fiddle, es ist egal, welches Instrument diese junge schottische Band als Leadinstrument aussuchen, das Ergebnis ist so lebhaft wie ein Nudistencamp voller Midges (insbesondere Isle of Skye Midges) [Midges sind eine schottische Art von Mücken, die viel penetranter sind als die hier bekannten Mücken, Anmerkung des Autors]. ... [Bei der CD] ist es nicht der Fall von 'die Nachbarn aufwecken', sondern eher 'die ganze Straße aufwecken'. ...Volle Punktzahl für diese junge Band zur Produktion einer lebendigen und unterhaltsamen CD, bei der es eine Freude ist, zuzuhören. Normalerweise bringt Whisky mir 'Ae spark o nature's fire' [=ein Funke vom Feuer der Natur], aber Deaf Shepherd geben mir den selben Kick ohne den Kater am nächsten Morgen."

Die fünf (inzwischen 6, Anm. d. Autoren) Musiker von Deaf Shepherd spielen traditionelle schottische Musik und beweisen dabei, daß man keine elektrischen Instrumente braucht, um energiegeladene Folkmusik zu machen. Es finden sich aber neben den fetzigen Instrumentals auch wunderschöne ruhige Balladen und langsame Tunes im Repertoire. Neben 'echten Traditionals' spielen die "Schäfer" auch von Freunden geschriebene Tunes und viele eigene Stücke (besonders viele Tunes schon hat der Piper der Band Rory Campbell komponiert).

Bis etwa eine Stunde vor ihrem ersten Gig als Band 1993 im Stirling Folk Club hatten die Musiker noch keinen Namen für die Gruppe gefunden. Da sie vorher nur zum Spaß spielten und zu dem Zeitpunkt noch nicht an viele folgende Konzerte glaubten, entschieden sie sich für einen lustigen 'Spaß'-Namen. "Etwa eine Stunde vor unserem ersten Auftritt hatten wir uns noch nicht für einen Namen entschieden, und als Angus' Partnerin Ilse mit dem Namen 'Deaf Shepherd' ankam, fielen wir alle um vor Lachen!! Es ist eine Anspielung auf die Heavy Rock Band 'Def Leppard' und hat offensichtlich etwas mit der traditionellen Arbeit eines Schäfers zu tun. Und wir sind sehr stolz darauf, eine traditionelle schottische Gruppe zu sein." Damals wurden auch andere Namen in Betracht gezogen wie z.B. 'Iron Midden'; Midden ist das schottische Wort für Müllcontainer...

Die Band hat viele Einflüsse, hauptsächlich schottische aber die Musiker lieben auch die irische Musik. Das Hauptvorbild der Gruppe sind die 'Tannahill Weavers', weitere sind die 'Battlefield Band', 'Dick Gaughan', 'Altan' und die asturische (Teil von Spanien) band 'Llan de Cubel'.

John & Claire; Photo by The MollisZu den einzelnen Bandmitgliedern:
Der 28 (heute 30, Anm. d. Autoren) jährige Angus Mclaughlin (inzwischen nicht mehr in der Band, Anm. d. Autoren) stammt von der Hebrideninsel Eriskay und lebt heute in Stirling. Da sein Vater aus Donegal in Irland kommt, liebt Angus irische Musik sehr. Er begann erst spät, Flöte und Whistle zu spielen und konzentriert sich heute auf die Bodhrán. Angus ist als einer der besten Bodhránspieler im Lande bekannt.
Jahrelang spielte er in Sessions in Glasgow und dort hat er auch den Sänger der Gruppe John Morran getroffen. Hauptberuflich arbeitet Angus auf einer Ölbohrinsel in der Nordsee, wo er immer für zwei Wochen am Stück bleiben muß. Musik ist Angus größtes Hobby, aber er kocht auch sehr gerne und ist ein Meister darin. Wenn man ihn lassen würde, würde Angus 25 Stunden am Tag traditionelle Musik hören.

Rory Campbell (photo oben rechts, vorne) ist 25 (heute 27, Anm. d. Autoren) Jahre alt und kommt aus Bannockburn in der Nähe von Stirling. Er spielt die Highland Bagpipes seit seinem neunten Lebensjahr, und seit sieben Jahren die Scottish Smallpipes. Sein Vater ist Dudelsackspieler, Flötist, Whistlespieler und bekannter gälischer Sänger von der Hebrideninsel Barra; dadurch spielt Rory schon fast sein ganzes Leben traditionelle Musik. Er ist ausgebildeter Automechaniker und qualifizierter Krankenpfleger. Im Moment ist er Fulltime-Musiker und hat gerade sein erstes Soloalbum ('The Piper's Whim') aufgenommen; dieses wurde von Fred Morrison, dem Piper von Capercaillie, produziert und wird Ende 1996 bei Lismor erscheinen. Rory schreibt eine Menge von 'cracking tunes' und der 'running joke' der Gruppe sagt, daß diese Tunes alle nur "zusammengeschlungene Notenbündel" sind. Rory mag viel unterschiedliche Musik. Er ist auch Mitglied in der Band 'Caledon' (mit Eilidh Shaw, Sileas, Davy Steele, Greg Borland, Davey Tulloch, Mike Travis).

Der 21 (heute 23, Anm. d. Autoren) jährige Malcolm Stitt (photo oben rechts, hinten) stammt aus Fort Williams in den Highlands. Sein Vater war ein bekannter Akkordeonspieler mit eigener Band. Malcolm ist Multiinstrumentalist, er spielt Gitarre, Bouzouki, Highland Bagpipes, Whistle, Bass Pedals und seit kurzem auch noch die Scottish Smallpipes. Er arbeitet in einem Musikladen in Edinburgh (inzwischen ist er Full Time Musiker, Anm. d. Autoren), wo er im Augenblick auch wohnt, und er spielt(e) auch noch in anderen Bands wie 'Train Journey North", "Tannas", "Tabache" (seit kurzem vor allem in "Keep it Up" und den "Boys of the Lough"). Auch Malcolm spielt schon sein ganzes Leben traditionelle Musik, und er ist als fantastischer 'all-rounder' bekannt. Wie bei den meisten traditionellen Musikern ist die Musik sein Hobby, er unterstützt aber auch eifrig den Aberdeen Football Club.

John & Claire; Photo by The MollisJohn Morran (photo links), mit 32 (heute 34, Anm. d. Autoren) Jahren der älteste der Band, kommt aus dem Bergwerksdorf Muirkirk in Ayrshire. John kam sehr spät zur traditionellen Musik, er hat erst 1990 angefangen, in Sessions zu spielen. Für etliche Jahre ist er einer akademischen Laufbahn nachgegangen und hat drei Abschlußexamen. Er arbeitet nun als 'Enviromental Health Officer' in den schottischen Borders. Seine Hobbys sind Musik und Politik (er ist Mitglied der Scottish National Party). Im Moment bringt er sich gerade die Whistle und Citter selbst bei, und er hat schon lange vor die Uilleann Pipes zu spielen. Es gibt keinen Zweifel, daß Johns Hauptaufgabe in der Band das Singen und das Aufspüren gute Lieder ist. Obwohl er irische Vorfahren hat (sein Ur-Urgroßvater kam aus Ballina im Co. Mayo), ist John ein Schotte, und er ist stolz darauf, die Sprache der schottischen Lowlander zu sprechen. Aber er liebt auch irische Musik und besucht Irland oft.

Das fünfte Mitglied der Gruppe ist die 23 (heute 25, Anm. d. Autoren) jährige Clare Mclaughlin (photo links). Sie kommt aus Glasgow und spielt die Fiddle, seit sie 10 Jahre alt ist. Fiddle zu spielen lernte sie in der 'St. Roch's Irish ceili band', die Glasgow als Basis hat, aber eigentlich aus Irland stammt. Dadurch ist ihr Fiddlestil auch vornehmlich irisch geprägt. Sie lernte zusammen mit Leuten wie John McCusker von der Battlefield Band und Gavin Pennycook, einem weiteren fantastischen Fiddler, der mit der St. Roch's spielte und nun in Irland lebt. Clare arbeitet als Lehrerin in Handel und Wirtschaftsstudiengängen in Dunfermlin. Sie liebt es, abends auszugehen und Dance Music zu hören.

Im Augenblick ist es für die Band unmöglich, eine professionelle Band zu werden. Die Leute in der Band spielen für das eigene Vergnügen und wollen auch so weiter machen. Ihr Hauptziel für die Zukunft ist, sich musikalisch (noch mehr) zu verbessern und weiterhin die Musik zu machen, die sie selber lieben. "Es wäre großartig zu glauben, daß die Leute deine Herangehensweise an die Musik mögen und deine CDs kaufen, aber zu guter letzt muß man die Musik doch selber genießen, denn dafür ist sie doch da: um genossen und geliebt zu werden. Wir hoffen, weiterhin traditionell zu spielen und haben keine Pläne, das zu ändern, denn wir lieben es so! In Zukunft werden wir vielleicht tiefer in die Tunes von anderen Kulturen (Galicien, Asturien, Bretagne) eindringen, aber wir werden immer großen Respekt vor der Tradition haben. Wir würden in Zukunft gerne auch in anderen Ländern als Schottland spielen."

Das Bandmotto lautet "Get it richt up ye", und wer nicht so gut Schottisch versteht, soll die Band doch selber fragen was das bedeutet!
Deaf Shepherd; photo by the Mollis Deaf Shepherd - das ist ein Name, den man sich merken sollte, und den man in nächster Zeit ganz bestimmt noch öfter hören wird. Unserer Meinung nach ist dies eine der vielversprechendsten und besten jungen Bands, die Schottland zur Zeit zu bieten hat!


Photo Credit: All Deaf Shepherd Photos by The Mollis


News Flash
Heute ist Deaf Shepherd eine 6-piece Band; seit einiger Zeit ist nämlich Rory's Schwester Marianne Curran (photo oben rechts, mitte) , die - genau wie Claire - die Fiddle spielt, fest in die Band eingestiegen. Der Bodhrán-Spieler wurde auch seitdem ausgewechselt und heißt nun Mark McGuire.
Die Band hat sich noch weiter verbessert im Vergleich zu damals, ist aber noch immer nicht full-time. Durch die Zeitanforderungen, die die 'normale' Arbeit von den Mitgliedern verlangt, gibt es regelmäßig auch Auftritte, bei denen Musiker durch Freunde ersetzt werden. Gut befreundet und gelegentlich solchen Ersatz bietend sind Tabache's Aidan O'Rourke und der Singer/Songwriter Jim Malcolm.
Heute gibt es zwei hervorragende CDs von Deaf Shepherd, 'Ae Spark O Nature's Fire' und 'Synergy', beide erschienen bei Greentrax.
Die Deafis sind im Januar, mit Shooglenifty, Jim Malcolm und Bachue Café, im Rahmen des Scottish Folk Festival in Deutschland auf Tour.
Weitere Infos auf der Homepage der Deafis.

Außerdem findet sich ein aktuelles Interview mit John Morran in Englisch in dieser Ausgabe!!!


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 10/98

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