FolkWorld Issue 40 11/2009; Artikel von Morten Alfred Høirup (Übersetzung: John Høyer Nielsen)


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Frejas Lieder
Stine Michel & die Lieder der Liebesgöttin

In den letzten 10 Jahren hat die dänische Sängerin Stine Michel (geb. 1973) gut eine handvoll CDs herausgegeben, einen Danish Music Award gewonnen, und überall in Dänemark hunderte von Konzerten für Kinder und Erwachsene gegeben. Stine Michel schreibt ihre eigene Texte und Melodien, und sie erzählt, spielt, tanzt und singt ihre Abenteuer und Alltagsgeschichten auf bewegende Weise und unter Einbeziehung des Publikums. Bei der Planung und Durchführung ihrer Konzerte lässt sich Stine von einem tüchtigen Team unterstützen; Musiker, die Instrumente wie Nyckelharpa, akustische Gitarre, Bass und Schlagzeug spielen. Geplant ist jetzt ein Jahr lang eine Tournee durch Dänemark und ganz Skandinavien mit „Frejas Liedern“, einer Reihe von Liedern und Geschichten über die nordische Liebesgöttin Freja in die Moderne übertragen. Die ganze Geschichte fängt aber vor vielen Jahren an - mit einem jungen Mädchen und ihrem roten Pferd.

Das Mädchen auf dem roten Pferd

Stine Michel

Stine Michel @ FolkWorld: FW #30

Icon Sound @ www.myspace.com/stinemichel

Icon Movie @ www.youtube.com

www.stinemichel.dk

Stines Vater ist Musiker und Lehrer in einer Musikschule. Er spielte oft seine klassische Gitarre, um sie zum Schlafen zu bringen. Er ist musikalisch sehr interessiert, schreibt seine eigenen Stücke, darunter auch eine Menge Kinderlieder. Stine begleitet ihn zu Chortreffen und zu Volkstanzveranstaltungen für Kinder, und als der Vater später Leiter der Musikschule wird, begegnet Stine theoretisch der Höhrlehre und praktisch Bigbands und anderen Dingen.

„Ich wohnte mit meiner Famile auf einem Bauernhof, mit vielen Pflegekindern und mit meiner alten Oma, und wenn es zu viel Krach und Chaos um mich herum gab, hatte ich ein kastanienfarbenes Pferd, worauf ich in den Wäldern, entlang den Flüsschen oder auf den Pfaden im Moor stundenlang wegreiten konnte. Hier in die Natur habe ich sehr viel Zeit verbracht, Sie war für mich der Freiraum, den jeder Mensch benötigt, hier haben die Vögel gesungen ... eine völlig andere Musik als die Fusionsmusik, die mein Vater immer gehört hat. Niemand kontrollierte meine Ausflüge in die Natur, sie dauerten oft 3-4 Stunden, ohne dass man von Handys und Sonstigem gestört wurde, und keiner verlangte Rechenschaft von mir, wenn ich und mein Pferd endlich nach Hause kam ... und das hat meine Fantasie angekurbelt. Es war für mich wie der Schlüssel zu einem kreativen Raum, die Natur und ihre ständige Wandlung zu beobachten. Hier wurde ein Vogelnest langsam aufgebaut, da ist ein Pflaumenbaum erblüht! Ich lag oft unter einem Baum und habe aus vollem Herzen gesungen, während mein Pferd sich in der Nähe ausgeruht oder auf Futtersuche begeben hat. Und diese Erlebnisse und Erinnerungen vom Wald und Moor haben mich später für meine Platten für Kinder und Erwachsene inspiriert.“

Stine verlässt den Familienhof, um sich auf eigene musikalische Füße zu stellen; eine Reise, die sie unter anderem nach Berklee in Boston an die amerikanische Ostküste führt. Hier trifft sie Kulturen aus aller Welt, lernt, neue musikalische Werkzeuge zu meistern, und entdeckt die Freude am Komponieren. Wieder zurück in Dänemark studiert sie im Institut für Musikwissenschaft, wo sie wieder Leute aus verschiedensten Musiksparten trifft. Später studiert sie Musik & Bewegung an der Hochschule für Rhythmische Musik, wo sie sich intensiv mit Jazz, Gospel, kubanischem und brasilianischem Musik und Tanz beschäftigt. Während eines Studienaufenthalts auf Kuba erlebt sie die innige Verflechtung von Gesang, Erzähltraditionen und Tanz in der kubanischen Kultur.

Gesang, Tanz und Erzählung

„Im vierten Studienjahr an der Musikhochschule war einermeine Lehrerinnen die schwedische Sängerin Marie Bergman. Wir haben uns über meine Ziele unterhalten, und als sie hörte, dass ich meine eigene Identität, meinen eigenen Sound und meine eigenen dänischen Wurzeln suchte, hat sie mir eine neue Schule empfohlen: Vestjyllands Højskole, eine Hochschule für rituellen Tanz und Erzählung im Westen von Dänemark. Ich habe mich einschreiben lassen, und diese Schule war für mich ein überwältigendes Erlebnis. Hier ging es um die Seele Europas, es war ein Schmelztiegel von Musik, Tanz und Erzählung. Ich war wie gelähmt, vieles habe ich nicht gleich verstanden, weil es von einer so mythischen Sprache getragen wurde. Aber ich habe tief in mir verspürt: Hier ist der wirkliche Schlüssel, dies ist, was ich machen will! Ich habe die zweijährige Ausbildung absolviert, und parallel dazu auch meine Ausbildung an der Musikhochschule fertig gemacht. Hier fing alles wirklich an, hier sind die Funken förmlich durch die Luft geflogen“.

Stine Michel Nach dieser Erleuchtung vertieft sich Stine Michel in ihre eigenen Wurzel, unter anderem durch Gespräche mit ihre alte Oma, mit der sie ihre Kindheit verbrachte. Zusammen tauchen sie in die dramatische Familiengeschichte hinein, mit einem deutsch-jüdischen Großvater, der nach Schweden flüchten musste, und diese Geschichte verwendet sie mit Erfolg als Abschlussprojekt in ihrer Ausbildung in rituellem Tanz und Erzählung.

Frejas Lieder

Die Ausbildung in Vestjyllands Højskole und die Erfahrung, dass sie ihre eigene Familiengeschichte als Basis verwenden kann, ist ein Schlüsselerlebnis in der musikalischen Entwicklung von Stine Michel. Sie vereint Tanz, Lied und Erzähltechnik zu einem Gesamtkunstwerk, das mit seiner Verankerung in der dänischen Kultur und Tradition einzigartig ist. Diese Technik verwendet sie auch heute, wenn sie Geschichten über die nordische Liebesgöttin Freja erzählt, verpflanzt in die dänische Hauptstadt Kopenhagen von heute.

„In meiner Textsammlung, die ich Die Lieder von Freja genannt habe, stelle ich mich vor, dass unsere nordische Liebesgöttin Freja die Erde besucht - wie es ja die Götter ab und zu tun – und dass sie sich in Vanløse niederlässt, einem Vorort von Kopenhagen. Hier eröffnet sie ihren Laden: Frejas Verlockungen. Sie ist ja so verdammt fruchtbar, sie zeugt ein Kind nach dem anderen, alle mit verschiedenen Vätern, und viele sind empört. Sie ist aber immer noch eine Göttin, und ein Vorbild für viele Männer und Frauen, obwohl sie sich Feinde macht. Sie kann die Leute im Guten wie im Bösen manipulieren, genau wie wir sie aus der nordischen Mythologie kennen. Wenn eine Frau wie Freja als Verführerin auftritt, ist sie ja nicht nur verlockend, sie wird auch als gefährlich erlebt! In meiner Arbeit mit Frejas Liedern baue ich auf eigenen Erfahrungen auf - mit der Liebe, mit Kindergeburten, mit einem langen Leben mit einem Mann, mit dem Verlust von lieben Freunden, und nicht zuletzt der erotischen und sexuellen Seite des Lebens, die auch eine wichtige Rolle in Frejas Liedern spielt, da sie ja immerhin unsere nordische Göttin der Liebe ist. Ich habe jetzt ein Alter erreicht, wo ich seit Jahren in einem festen Verhältnis lebe, wo ich Kinder geboren habe, und wo die Liebe in all ihren Aspekten eine zentrale Rolle spielt: sei es in der Trauer, sei es in der Verliebtheit, in der ganz großen Liebe, oder in der Liebe meinen Kindern gegenüber. Die Liebe bedeutet immer mehr in meinem Leben, und da war sie plötzlich eines Tages: FREJA! Sie hat eine Stimme gesucht ... und ich habe gedacht: Diese Chance musst du ergreifen!“

Morten Alfred Hoirup
Morten Alfred Høirup (*1961) ist ein dänischer Musiker und Journalist. Er war Sänger und Gitarrist im Duo Haugaard & Høirup und arbeitet derzeit freischaffend für das Danish Roots-Projekt.

www.mortenalfred.dk, www.danishroots.eu
In der nahen Zukunft können wir Stine Michel mit ihren Liedern, Tänzen und Erzählungen über Freja in ganz Skandinavien erleben. Vorgestellt in einer Mischsprache aus Dänisch, Schwedisch und Norwegisch, die alle Skandinavier verstehen, begleitet von nordischen Musikern, die mehr oder weniger traditionelle nordische Instrumente spielen. ... Alles hat aber wirklich vor vielen Jahren angefangen, als ein junges Mädchen auf ihrem roten Pferd in den Wald geritten ist ...

Photo Credits: (1)-(2) Stine Michel (from website); (3) Morten Alfred Høirup (by The Mollis).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 11/2009

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