FolkWorld Ausgabe 33 05/2007; Artikel von Hanne Walter


Nichts anderes als Musiker sein
Fingerstyle-Champion Don Ross

Vielen gilt Don Ross als einer der weltbesten Akustik-Gitarristen überhaupt. Die internationale Fachpresse bezeichnet den Sohn eines schottischen Immigranten und einer Mikm'aq-Indianerin immer wieder als Kanadas großartigsten Gitarristen, für den Leo Kottke und andere Platz zu machen hätten. Nur Don gelang zweimal der Sieg im prestigeträchtigen U.S. National Fingerstyle Guitar Championship, einer jährlich stattfindenden Weltmeisterschaft. Don Ross verblüfft Kenner wie Laien gleichermaßen mit seiner ganz eigenen expressiven Spieltechnik.

Was beflügelt Dich derart und wann kommst Du eigentlich neben Deinen zahlreichen Auftritten, Workshops und Pflichten als allein stehender Vater zweier kleiner Töchter zum komponieren?

Inspiriert werde ich an und von vielen Orten. Gerade wenn ich unterwegs bin finde ich immer neue Ideen. Zu Hause sein ist für neue Einfälle wohl zu normal und alltäglich, denn da ist jeden Tag viel zu tun. Ich kann mich entschieden besser konzentrieren, wenn ich im Hotel oder bei Freunden ein paar Stunden freie Zeit genieße. So konnte ich „Klimbim“ in nur zwei Stunden komponieren. Das war aber eher die Ausnahme. Normalerweise erfordern meine Stücke mehr Arbeit und Konzentration. Trotzdem hat „Klimbim“ viel Energie und transportiert ganz klar, was ich damit sagen möchte.
Don Ross
www.donrossonline.com
Meistens brauche ich viel Zeit, um eine Idee zu entwickeln: über ein Jahr für eine neue CD. Andere Musiker sind schneller. Doch ich möchte perfekte Kompositionen und verabscheue Füllstücke auf meinen CDs. Vor den Studioproduktionen teste ich meine Musik sowie erst im Konzert. Beim Spielen entwickelt sie sich oft noch weiter.

Hast Du ein Hauptthema?

Fast alle meine Stücke sind instrumental. Ich mag Musik, in der ich zwar meine Meinung sage, aber doch jedem Raum für eigene Interpretationen lasse. So, wie es mir mit Coc Fav twins, der schottischen Band geht. Ihre Sängerin, Elisabeth Fraser, ist unmöglich zu verstehen. Trotzdem schadet das der Interpretation nicht, denn man kann seine eigene Phantasie bemühen. In der Kunst sind für mich vor allem die Gefühle und damit entstehende Erfahrungen wichtig.

Bist Du bereits als Kind der Musik verfallen?

Ich konnte ihr nicht entrinnen. Mein Vater, ein schottischer Dudelsackspieler, studierte in Montreal bei Italienern klassischen Gesang und leitete in seiner Kirche einen Chor. Bach und Spirituals lieferten mir eine phantastische musikalische Bildung. Im ganzen Haus standen Instrumente und es fiel mir leicht, auf ihnen zu spielen. Mit 8 Jahren bekam ich meine erste Gitarre geschenkt und habe sie gemeinsam mit meinem älteren Bruder erobert. Das meiste haben wir uns von Freunden abgeguckt. Manchmal musizierten wir mit unserem Vater und so hatten wir eine phantastische Kindheit voller Musik. Mit Piano, Schlagzeug, Mandoline ...

Hast Du später studiert?

Ich bin zwar im wesentlichen Autodidakt, doch in einem vierjährigen Bachelor-Studium an der Uni Toronto konnte ich mich in die Theorie und Harmonielehre vertiefen, mit Synthesizern arbeiten und lernen, Musik zu produzieren. Gastdozenten wie John Cage und Steve Reich sorgten für unsere Inspiration.

Bist du danach nahtlos in die Musikszene eingetaucht?

Nein, erst machte ich noch eine sehr spezielle Erfahrung. Ich hatte vier Jahre lang eine Freundin, die streng katholisch war. Ich war 23 und kam auf die verrückte Idee, sie könnte mich mehr lieben, wenn ich ins Kloster ginge. Also verbrachte ich drei Jahre bei den Franziskanern in New York. Studierte Theologie und Philosophie. Meine Freundin war natürlich längst über alle Berge, hatte sich in Belgien niedergelassen. Doch die Distanz tat mir gut, ich konnte das Leben klarer sehen und wusste eines Tages genau, ich möchte nichts anderes als Musiker sein und eine Familie haben. Also verabschiedete ich mich sechs Wochen vor dem entscheidenden Eid und startete mit 25 endlich meine Musikerkarriere. Es war okay, ich war endlich sicher, wer ich bin. Und außerdem hatte ich im Kloster immerhin 13 Stücke komponiert, von denen ich noch heute einige spiele, zum Beispiel „First Ride“.

Hast Du Deinen Entschluss jemals bereut?

Es ist ein Geschenk für mich, meine Musik mit meinem Publikum teilen zu dürfen, und es ist eine wunderbare Erfahrung, auf drei Kontinenten Fans zu haben. Ich liebe es, zu reisen und Leute zu treffen. Dafür fahre ich pro Jahr 100 000 Kilometer mit dem Auto und mindestens eine Million Kilometer mit dem Flugzeug. Es ist also durchaus etwas Besonderes, mal in meinem eigenen bequemen Bett zu schlafen.

Welche Musik begleitet Dich auf Deinen ausgedehnten Fahrten?

Im Auto ist ein Zehner-CD-Wechsler und der ist immer gefüttert mit Pat Metheny, Keith Jarret, Peter Gabriel und aktuellen Neuerscheinungen. Was Pop betrifft, bin ich durch meine Töchter stets up to date. Dank ihrer Einflussnahme geht auch Nickelback mit mir auf Reisen. Die rocken so schön.

Photo Credit: (1) Don Ross (by Nebelhorn Agentur).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 05/2007

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