FolkWorld Artikel von Marcus Metz

Interview mit Séan Keane

(bei der "Irish Folk Festival"-Tour am 13.10.1997 in Neu-Isenburg)


Irlands derzeit bester traditioneller Sänger Seán Keane sprach mit Marcus Metz über seine Tourerfahrungen, seine Musik und sein musikalische Umfeld

Sean Keane; photo by The MollisSeán, du warst mit den Konzertreihen "Pure Irish Drops" und "Irish Folk Festival" unterwegs. Genießt Du es, durch Deutschland zu touren?
Seán Keane: Ja, ich genieße es. Dies ist eigentlich mein zweites Mal bei der "Irish Folk Festival"-Tour, ich war schon vor vier Jahren dabei. Ich liebe es, durch Europa zu touren, besonders durch Deutschland, denn ich denke, die Deutschen haben einen gutes Sinn für die irische Musik, und das ist erfreulich für uns. Sie verstehen die Musik gut.

Also magst du das deutsche Publikum?
Seán Keane: Ja, denn sie können es verstehen und sich hineinversetzen, wenn Jigs, Reels und Tanzmusik gespielt werden. Sie können es verstehen, es genießen und sich hineinversetzen. Aber sie verstehen genauso das, was ich mache, hauptsächlich ja "Liedersingen". Sie verstehen und würdigen sie sehr. Und das ist angenehm für mich.

Was ist der größte Unterschied zwischen einem irischen und einem deutschen Publikum?
Seán: Ich glaube nicht, daß es zwischen einem irischen und einem deutschen Publikum oder einem Publikum an irgendeinem anderen Ort der Welt einen Unterschied gibt.
Jeder Abend, an dem wir spielen, ist anders. Das Publikum ist anders, der Veranstaltungsort ist anders, wie gestern abend, als wir in der Schweiz waren: Es gab nur Stehplätze, die Leute standen und sind herumgesprungen. Heute abend ist es ein bestuhltes Konzert in Deutschland.
Man kann es einfach nicht vergleichen. Es gibt keinen wirklichen Unterschied zwischen Zuhörern verschiedener Länder. Es gibt nur einen Abend, der sich selbst vorstellt, und das Publikum hat damit genauso viel damit zu tun, wie dieser Abend verläuft, wie der Künstler. Wenn du als Musiker auf der Bühne ein "feed-back" vom Publikum bekommst, dann hilft es dir bei deiner eigenen Show. Gewissermaßen hilft man sich gegenseitig.

Deine Schwester Dolores ist recht berühmt, sie hat bei DeDannan gesungen und dann eine Solo-Karriere gemacht. Seid ihr in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen oder in einem musikalischen Umfeld?
Seán Keane: In der Tat! Meine Eltern machten Musik und sangen traditionelle Lieder, und deren Eltern und Geschwister machten Musik und haben auch Lieder gesungen. Und alle meine Brüder und Schwestern machen Musik und singen.
Also man hat mich nie gelehrt, Musik zu machen oder zu singen. Es war etwas, was ich einfach tat, vielleicht zur gleichen Zeit, als ich lernte, wie man Fahrrad fährt. Es passierte einfach. Ich kann mir vorstellen, daß man es ein musikalisches Umfeld nennen kann. Und ich war sehr glücklich in der Hinsicht, daß andere großartige Musiker aus dem ganzen Land in unser Haus kamen, um Lieder und Tunes auszutauschen, als ich ein Kind war. Somit gab es jederzeit Musik im Haus. Die Abende und Parties drehten sich immer um die Musik und die Sessions.
Es war ganz bestimmt ein sehr musikalischer Hintergrund.

Sean Keane mit 2 Cherish the Ladies auf dem Irish Folk Festival; photo by The Mollis Kannst du mir ein paar Quellen deiner Lieder und deiner Musik nennen?
Seán Keane: Einen Haufen der Lieder und Tunes, die ich spiele, hauptsächlich die Lieder, habe ich von anderen traditionellen Sängern in Irland. Das sind die traditionellen Lieder.
Aber ein Haufen der Lieder, die ich aufgenommen habe und singe, sind zeitgenössische Lieder, die Leute wie Mick Hanly oder Ewan MacColl geschrieben haben, verschiedene Liedermacher. Meine musikalische Grundlage sind die traditionelle Musik und das traditionelle Singen. Und daher bekomme ich einen riesigen Haufen des Materials, das ich aufführe.

Wann hast du mit dem Spielen der Flute angefangen?
Seán Keane: Wieder ist es wie mit dem Singen: Ich weiß es nicht. Ich fing an...ich weiß nicht...vielleicht war ich sechs oder sieben, als ich anfing, die Whistle zu spielen. Und als ich ein paar Tunes spielen konnte, gab mir mein Onkel eine Flute, der er gespielt hatte. Und das ist die Flute, die ich heute noch spiele. Er starb, als ich etwas zwölf war. Also spiele ich die Flute, seit ich vielleicht elf war.

Glaubst du, daß die irische Musik in letzter Zeit stärker wächst?
Seán Keane: Ich denke, daß die irische Musik noch nie so populär war - rund um die Welt und genauso in Irland. Als ich aufwuchs, gab es nicht besonders viel irische Musik, es gab eher Show-Bands und Tanz-Bands. Das war die populäre Musik, als ich Kind war. Heute, denke ich, ist es unglaublich, was für einen Weg die irische Musik in der Welt beschreitet. Es gibt irische Bands wie die "Chieftains", die mit Rock-Stars aufnehmen. Die Musik wird gemischt. Und sie wird populärer bei Leuten, die vielleicht noch nie irische Musik gehört haben.
Ein Haufen der alten Lieder und Tunes werden in der Pop- und Rock-Musik verwandt in der ganzen Welt. Und das ist großartig! Heutzutage ist in Irland die Zeit gekommen, daß man nicht mehr zwischen Musik und Musik unterscheidet. Es ist bloß Musik. Sie ist entweder gut oder schlecht. Und sie verschmilzt mit Country-Musik und Rock-Musik. Es sind wunderschöne Melodien, und warum sollten sie nicht in der ganzen Welt gespielt und wahrgenommen werden?!
Aber ich denke, die irische Musik ist wirklich stark, und - weißt du - es ist wirklich eine tolle Zeit, um zu Hause in Irland Musik zu machen.


Es ist ein Live Review des Irish Folk Festivals in dieser Ausgabe

Kontakt für Buchungen und CDs: e-mail: Virginia Keane.

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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 2/98

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