FolkWorld Artikel von Wolfgang Meyering:

Nordic Folk Night - Salt & Sill Tour 2004
unterwegs mit Kerstin Blodig, Hemållt und Malbrook

Hemallt im Spiegel, photo by The MollisEr gehört mit Abstand zu den nettesten, familiärsten und atmosphärisch schönsten Festivals in Deutschland; der Venner Folkfrühling. Nördlich von Osnabrück, ganz in der Nähe jenes Ortes gelegen an dem die berühmte Varusschlacht stattgefunden haben soll. Alljährlich am Muttertagswochenende findet das Festival in der kleinen Gemeinde am Rande des Wiehengebirges statt. Gegen diese friedliche Invasion von Musikern und Folkbegeisterten hätte auch Arminus wahrscheinlich nichts einzuwenden gehabt. Der Venner Folk Frühling ist außerdem ein großes "Familientreffen" der norddeutschen Szene und daher freuten sich schon alle Mitglieder der "Nordic Folk Night" Tour sehr auf den Auftritt dort. Die "Nordic Folk Night" das sind das "Familienunternehmen" Hemållt aus dem schwedischen Bohuslän, die international renomierte Gitarristin & Sängerin Kerstin Blodig mit ihren norwegischen Wurzeln und das "pannorddeutsche" Trio Malbrook. Wir sollen den Samstagabend des Festivals im historischen Gasthaus "Linneschmidt" bestreiten. Es wird ein sehr schönes Konzert, mit einem fantastischen Publikum, auch wenn es manchmal nicht leicht ist, besonders bei den ruhigen Balladen, gegen die beträchtliche Geräuschkulisse am Tresen im hinteren Teil des Saales anzusingen. Dennoch, man kann den Machern des Venner Folk Frühlings zu diesem Festival nur immer wieder gratulieren.

Hemallt im Spiegel, photo by The MollisNächster Treffpunkt ist in der Werkstatt der Kulturen in Berlin Neukölln, nachdem die Kollegen von Hemållt noch zwei kleinere "Solo Gigs" gemacht haben. Ein Veranstaltungsort wie man ihn sich von den Bedingungen kaum besser vorstellen kann: schöner Saal, gute Licht-und Tonanlage. Letztere wird wie schon in Venne von Jörg Surrey bedient. Er ist der Tourtechniker bei dieser ersten Auflage der "Nordic Folk Night". Der Saal ist voll und es wird ein fulminanter Abend mit insgesamt drei Teilen. Zunächst spielt Hemållt mit Mia Gunberg Ådin an Geige, Nyckelharpa und Gesang, Anders Ådin an Gitarre und Drehleier und Christer Ådin an Mandoline, Mandola und Akkordeon. Als fester Gast verstärke ich das Trio an der Mandoline, Maultrommel und am Gesang. Danach spielt Kerstin Blodig ihren Solo - Set. Das Finale bestreiten dann Ralf Gehler an den Dudelsäcken und der Schlüsselfiedel, Merit Zloch an der böhmischen Hakenharfe, ich selbst an Mandola und Gesang, zusammen mit allen anderen Musikern als Malbrook, in der großen "Festivalbesetzung". Dieser Abend ist sicherlich einer der Höhepunkte der Tour.

Bugewitz ist ein kleiner Ort in der Nähe von Anklam in Nordostvorpommern. Dort gibt es seit Jahren eine sehr engagierte Kulturinitiative um den Buchhändler Holger Brandstädt, die regelmäßig Veranstaltungen durchführt. Meist in der Dorfkneipe in Bugewitz, die einen hübschen alten Dorfsaal hat. Man ist erstaunt, wie viele Besucher zu den Veranstaltungen kommen in dieser dünn besiedelten Gegend. Der Saal ist rappelvoll, die Stimmung ausgelassen. Der Nordostvorpommeraner ist anscheinend ähnlich wie die Leute bei uns zuhause an der holländischen Grenze, er braucht eine Zeit bis er warm wird, aber dann............!!!!

Wir übernachten in einem wunderschönen alten reetgedeckten Bauernhaus im Ortskern. Der Lichttechniker der Kulturinitiative hat die Ferienwohnungen in seinem Haus für uns zur Verfügung gestellt. Wir schlafen zufrieden nach einem schönen Konzert und auch etwas angeheitert gegen 2.00 Uhr morgens ein.

Malbrook, photo by The MollisAm anderen Morgen gibt es ein üppiges Frühstück für alle, zusammen mit den Hausbewohnern und Holger Brandstädt. Danach machen wir uns auf den Weg nach Greifswald. Dort findet alljährlich im Mai der "Nordische Klang" statt, ein Festival für Musik, Theater, Literatur und Kunst aus Nordeuropa. Das Programm ist breitgefächert, von Jazz über Klassik bis Pop und Folk, obwohl der Folkanteil leider, wie in den vergangenen Jahren auch, sehr klein ist. Aber dadurch, dass wir gleich mit drei Acts angereist sind, können wir das Ganze ein wenig kompensieren. Das Konzert soll am Nachmittag im Innenhof des Kommunikationszentrums St. Spiritus stattfinden. Nach tagelangem Sonneschein und Wärme hat sich Petrus aber gerade an diesem Nachmittag überlegt, dass es mal wieder Zeit für einen ordentlichen Regenschauer ist. Notgedrungen ziehen wir in den gerade erst fertiggestellten Saal um. Ob des schlechten Wetters sind relativ wenige Besucher gekommen aber die sind begeistert. Nach uns soll noch eine schwedische Steelband spielen. Einer der Leiter fragt Ralf Gehler, was das denn für ein süßer kleiner Dudelsack ist, den er da spielt. Als Ralf antwortet: "Das ist ein schwedischer Dudelsack" ist der Schwede total entgeistert. Seine Antwort: "Quatsch, Dudelsäcke gibt es nur in Schottland". Selbst als Kollege Anders Ådin das ganze auf Schwedisch bestätigt, will es sein Landsmann nicht glauben. So ist es manchmal mit dem Wissen um die eigene Tradition.

Malbrook, photo by The MollisNach Ende des Konzertes verstauen wir unsere Sieben Sachen in die Autos und nehmen noch schnell einen Imbiss. Ich beschließe, wegen des Tourtitels Salt & Sill ein Heringsbrötchen zu essen. Allerdings ist es kein Salz- sondern ein Bismarkhering, aber wenigstens ein Hering. Diese beiden Produkte, Salz & Hering waren im Mittelalter, zwei der wichtigsten Handelsgüter auf der Route von Lübeck nach Bergen in Norwegen. Die Musik der "Nordic Folk Night" kommt aus den Gegenden entlang dieser Handelsroute.

Wir zockeln mit zwei Autos durch das wunderbare, mittlerweile wieder sonnige, Mecklenburg-Vorpommern nach Schwerin. Das Freilichmuseum Muess am Rande der Landeshauptstadt ist einer meiner liebsten Konzertorte. Die alten Bauernhäuser atmen den Hauch von Tradition und Geschichte. Ein herrlicher Platz um traditionelle Musik zu spielen. Und dazu wunderbare Menschen in der Organisation. Wir spielen in einem norddeutschen Hallenhaus aus dem 18. Jahrhundert. Zwar steckt die Kälte des Winters noch im Gemäuer, aber wenn man zusammenrückt und sich gegenseitig wärmt, ist es um so gemütlicher. Der Soundcheck läuft entspannt und wir gehen danach noch einen Happen essen bei "Tau Helga" dem angesagten Lokal um die Ecke. Beste ländliche Küche zu zivilen Preisen. Leider hat die Bedienung die Zubereitungszeit für ihre "Forelle Blau" etwas unterschätzt, so daß wir lange auf unser Essen warten müssen. Kollege Ralf Gehler schwitzt währenddessen Blut und Wasser am bereits vorzeitig rappelvollen Veranstaltungsort. Er würde mit dem Konzert gerne früher beginnen, denn er weis nicht wie er das Publikum noch länger bei Laune halten soll. Also sendet er einen Notruf per Handy. Ich schlinge mein Essen herunter und eile zur Hilfe. Wir spielen schnell was und gehen dann über in einen unterhaltsamen Dialog über das Klischee von Dudelsack und Schottland, solange bis unsere Kollegen spielfertig sind. Es wird ein rauschender Abend und ein krönender Abschluss für die erste "Nordic Folk Night" Tour. Wir freuen uns jetzt schon auf die Neuauflage im Mai kommenden Jahres. Vielleicht ja auch in Ihrer Nähe.

Malbrook, photo by The Mollis

Zuletzt veröffentlichte CD: Wolfgang Meyering "Malbrook", rezensiert in FolkWorld No. 28 (in Englisch); rezensiert in FolkWorld No. 26 (in Deutsch)
Kontakt-E-mail-Adresse: Wolfgang Meyering

Photo Credit: Alle Fotos vom Venner Folkfrühling 2004, fotografiert von Christian Moll: (1 + 2) Hemållt im Spiegel; (3 + 4 + 5) Malbrook


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 09/2004

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