FolkWorld Artikel von Willi Dommer:

Irish Folk - jenseits aller Klischees
Petr Pandula zum Irish Folk Festival

Seit 30 Jahren geht das Irish Folk Festival in Deutschland auf Tour. Wie sind Sie dazu gekommen?

Petr Pandula: 1976 hat mich ein Mitschüler zum Irish Folk Festival mitgeschleift. Es sei einfach fantastisch, hat er mir versichert. Ich war in der Tat völlig begeistert und habe noch am selben Abend beschlossen, irischen Dudelsack und Tin Whistle zu lernen. In den Schulferien bin ich kreuz und quer durch Irland getrampt, habe ein Instrument gekauft und dann viele Jahre in Irland Dudelsack-Unterricht bekommen. Unter anderem von Finbar Furey in Dublin. Ich habe viele Leute im sogenannten Folk-Music-Mekka Doolin kennengelernt, mich schließlich dort niedergelassen und ein Kulturzentrum eröffnet. Irish Folk Festival Fiddler 1990 habe ich ein eigenes Festival ins Leben gerufen: das „St. Patrick’s Day Celebration Festival“, das mittlerweile seit 15 Jahren jedes Jahr im März in Deutschland auf Tour geht. Mein Kollege Carsten Linde, Initiator des Irish Folk Festivals, hat vor fünf Jahren beschlossen, sich zur Ruhe zu setzen. Er wollte, dass sein Baby in gute Hände kam und hat das Festival an mich übergeben.

Was besagt der Tournee-Titel „Celtic Legends“?

Petr Pandula: Einmal ist es ein Kompliment, ein „Tribute“ an all die großen Künstler und Künstlerinnen, die in den vergangenen 30 Jahren beim Festival mitgemacht haben. Zum anderen haben wir mit Solas, Jim Hayes und Carlos Núñez wirklich lebende Legenden der keltischen Musik dabei. Ich habe den 71-jährigen Jim Hayes mit ins Programm genommen, um zu zeigen, wie wirklich bodenständige Musik in Irland aussieht. Vor zwei Jahren habe ich Jim an Weihnachten in einem Pub in Doolin kennengelernt. Es entspann sich eine Freundschaft. Jetzt freue ich mich, dass er sich in seinem Alter bereit erklärt hat mitzumachen, obwohl er noch nie Irland verlassen hat.

Haben Sie eine Beziehung zu den spirituellen Traditionen des alten Irland?

Petr Pandula: Das Mäntelchen „Keltisch“ ist eine große Hülle, die viele Leute mit Illusionen, Träumen und Klischeevorstellungen füllen. Jeder projiziert seine Sehnsüchte hinein. Ich möchte mit meinen beiden Festivals dazu beitragen, dass solche einseitigen Wunschvorstellungen nicht verfestigt werden, sondern Irland als ein Land der Vielfalt wahrgenommen wird. Dazu gehören Künstler, die „mythische“ Musik machen, ebenso wie Künstler, die zeitgenössische Lieder über das Irland von heute schreiben. Oft beleidigen gewisse Klischees Irland und seine Menschen. Das Land besteht nicht nur aus Klischees. Ich bin durchaus ein spiritueller Mensch, der sich auf einer Sinnsuche befindet. Da ist mir auch ruhige, entspannte irische Musik sehr wichtig. Sie bringt mich auf gute Gedanken. Ich veranstalte auch Konzerte von Enyas Schwester Moya Brennan in Deutschland. Ich halte die spirituellen Gedanken von Moya für sehr ernsthaft. Sie besinnt sich auf Werte und Tugenden wie Ehrlichkeit und Nächstenliebe. Moya sagt: Unser Volk hat eine Geschichte, und auf die können wir stolz sein – ohne nationalistisches Gehabe. Wir sollten uns von diesen Werten nicht durch zu hektisches, umtriebiges, kommerzielles Leben ablenken lassen. Es gibt viele Menschen die Irish Folk mögen und sagen: Wir möchten bis zum Knöchel in Bierdosen waten, Pogo tanzen und uns im Konzert mit Bier überschütten. Die werden nicht zu Moya Brennan gehen. Die Klischee-Vorstellungen, die solche Menschen auf Irland projizieren, werden dort nicht bestätigt. Eamon Galldubh & Paddy Keenan, IFF 2003 Es gibt aber auch Menschen, die sagen: Wir haben im Konzert von Moya die Ruhe und Kraft gefunden, die uns durch den nächsten Tag trägt, die uns positiv stimmt, ins Gleichgewicht bringt und uns träumen lässt. Ab und zu kommt es vor, dass sich jemand in die falsche Veranstaltung verirrt, aber dann doch von der Schönheit dieser Darbietung fasziniert ist.

Wie schätzen Sie die Liebe des deutschsprachigen Publikums zur irischen Musik ein? Gibt es da Veränderungen im Lauf der Zeit?

Petr Pandula: Vor 30 Jahren, als das Irish Folk Festival ins Leben gerufen wurde, war es eine bahnbrechende Entdeckung. Es kam zu einem wahren Boom. So was flacht irgendwann mal ab. Dann ist es nicht mehr hipp und chic, und es bleiben nur die Leute dabei, die sich substantiell für den Musikstil interessieren. Nachdem die Medien das abgefeiert haben, heißt es meist: Na ja, wir müssen auch mal wieder über was anderes schreiben. Dann kommt eine gewisse Beruhigung. Dann sieht man: Gibt es einen Einbruch, weil es nur ein gehyptes Thema war, oder bleibt es auf einem leicht reduzierten Level bestehen, weil es wirklich Substanz und kulturelle Berechtigung hat? Wäre das nicht so gewesen, dann hätte das Irish Folk Festival nicht so lange bestehen können. Eventuelle Einnahmen – etwa durch Werbung für Guinness im Programmheft – sind allenfalls ein kleines Zubrot. Wenn man Sponsoren hat, kann man auch die Eintrittsgelder etwas niedriger halten. Mittlerweile hat sich Irish Folk auf einem gesunden Level konsolidiert – so wie Blues oder Jazz. Es ist ein anerkannter Musikstil, und das Irish Folk Festival ist sozusagen das Flaggschiff.

Tourdaten: www.irishfolkfestival.de


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 09/2004

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