FolkWorld Kolumne von Karsten Rube:

Tut Ruth gut?
Eine Betrachtung zum Deutschen Folk-Grammy

Seit 1992 gibt es den Deutschen Folk Förderpreis. Ein Preis, der in erster Linie den Nachwuchs motivieren sollte, sich mit Folk- und Weltmusik zu beschäftigen und der der Sackgasse Popkommerz etwas entgegensetzen möchte. Inzwischen hat sich die Gewichtung verändert. Folk- und Weltmusik ist in der Unterhaltungsindustrie salonfähiger geworden, Filmmusikkomponisten und Betreiber großer Tanzshowspektakles bedienen sich der "Ethnomusik", manchmal intelligent, oft blind.

Grafik von Annegret HänselPop- und Weltmusik vermengen sich und kommerzieller Raubbau hält auch vor buddistischen Mönchen nicht still. (The Monks of Palpung Sherab Ling Monastery bekamen 2004 einen Grammy verliehen, ohne das sie wussten, dass jemand ihre Gesänge aufgenommen hat.) Ein bisschen plagen mich ja bei der derzeitigen Preisverteilungs-Inflation die Albträume. Jedes Vorstadtblatt verleiht den Kehrwochen-Oscar, jeder Gartenverband den Pokal der Heckenschneider und die Volksmusikanten fahren ihren eigenen Grand Prix.

Seit 2002 hat also auch die deutsche Folkmusikszene ihren Grammy. Der (oder die) heißt Ruth und lässt Assoziationen zu Roots und Rudolstadt - dem Ort der Verleihung und Austragungsort des größten Folk- und Worldmusikspektakels auf deutschem Boden - gleichermaßen zu. Die Trophäe der Ruth sieht aus wie ein Revuegirl, dem der Kopfputz explodiert ist und der Schriftzug unter der Trophäe, der die Kategorie benennt, erinnert stark an die Deutsche Post. Aber er/sie ist nett gemeint. Denn schließlich ehrt sie/er die Arbeit von Künstlern, die in der Folk- und Weltmusik Maßgebliches leisten.

Preisverleihungen besitzen unzweifelhaft Feierlichkeit. Etwas, dem der Hauch von Glamour und Showspektakel anhängt. Oft teilt sich die Veranstaltungsidee in ungleichmäßige Tortenstücke auf. Zum einen in Verneigung, Ehre und Respekt vor den ausgezeichneten Künstlern, zum Anderen in Schulterklopfen und respektvoller Anerkennung der eigenen Arbeit und dem, was man da gerade hervorgebracht hat. Die Glasur ist Eitelkeit. Die gegenseitige Bauchpinselei findet entsprechend der Größe des Preises mediale Aufmerksamkeit. Bei der Ruthverleihung befindet sie sich auf einem noch ganz erträglichen Niveau. Der MDR ist Mitauslober des Preises und entsprechend bemüht, den Preisträgern eine angemessene Plattform zu bieten, Profolk ist die Basis des ganzen Zaubers und mit dem German Ethno Roots Fusion Dance & Music Festival, wie es 2003 hieß oder dem Tanz- und Folkfest Rudolstadt, wie es immer heißen wird, findet sich ein Veranstaltungsort, wie er passender nicht ausgesucht werden kann. Der Ort ist nicht gewählt, sondern gewachsen.

Grafik von Annegret HänselDie Ruth wird in mehreren Kategorien vergeben. "Global Roots" ehrt einen Weltmusik- Künstler, der seine regionale Kultur am Leben erhält. "Lokale Roots" wiederum zeichnet einen einheimischen Musiker aus. Die "Newcomer-Ruth" bleibt dem Nachwuchskünstler vorbehalten und die "Ehren-Ruth" gibt es für besondere Verdienste um die Förderung des Genres. Für die "Ruth" 2004 läuft der Countdown bereits auf Hochtouren. Auf der von den Auslobern herausgebrachten CD "Ruths and more 2003" versammeln sich Preisträger und Preisanwärter des Jahres 2003. Urna, Wenzel und Mohammed Reza Mortazavi dürfen als Preisträger nicht fehlen. Verdient hätten die Preise alle auf der CD versammelten, denn bei allem berechtigtem oder unberechtigtem Augenbrauenhochziehen, ob denn der Preis nun nötig sei oder nicht und ob man sich nicht damit in eine Reihe stelle mit SuperIllu und HörZu, die Basis des Ganzen, die Musik, besitzt zweifellos eine Qualität, der man nur Respekt und Anerkennung zollen kann. (Und mit der man sich auch freuen darf, wenn sie denn geehrt wird.)

Aber Preise sind wie Salz. Sie würzen das Menü. Zu viel davon und man schiebt es von sich. So wie bei den Mannen des Buena Vista Social Clubs, der immer noch aus hervorragenden Musiker besteht; doch kann die noch einer hören? Wichtig ist vor allem, den Fördergedanken nicht zu verlieren. Schließlich nähren die Quellen den Fluss. Man kann nur hoffen, dass der Rummel um Ruth nicht zu groß wird. Denn wenn erst die Große Ruth-Gala live präsentiert von Folk-Bild und übertragen von MDR-Ethno die Superstars der internationalen Weltmusikwelt in die eigens dafür errichtete Folk Hall of Fame in Rudolstadt lockt und beim Showact mit Manfred Maurenbrecher diesem die stolzgeschwellte Brust aus dem Oberteil hopst, ist es für Albträume zu spät.

Internetsite mit Bezug zum Artikel: www.folkpreis.de/

Grafik von Annegret Hänsel: www.annegret-haensel.de


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 04/2004

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