FolkWorld Live Review Issue 26 10/2003 von Karsten Rube

Madredeus
live in der Berliner Philharmonie März 2003


Die Cd "Moviemento" der portugiesischen Gruppe Madredeus gehört zu den wenigen Musikproduktionen, bei denen ich zwischen Verzückung und maßlosem Ärger hin und her taumele. Auf dieser CD tauchen Elemente auf, die ich zu den schönsten zähle, die ich von Madredeus je hörte, aber auch Momente, in denen der überbeanspruchte Synthesizer alle vorhandene Harmonie zerstört.

Als Madredeus kürzlich die Lieder von "Moviemento" mit dem Flämischen Orchester Brügge einspielten und sie mit einem vollen und natürlichen Klangkörper verwöhnte, dachte ich für einen Moment, Madredeus wäre nach Jahren, in denen sich die Elektronik immer weiter in den Vordergrund ihrer Musik drängte endlich zur Besinnung gekommen. Entsprechend hoch hingen meine Erwartungen, als ich im März 2003 in die Berliner Philharmonie ging, um Madredeus live zu hören.

In der hässlichen Architektur des Gebäudes mit seinem brillanten Klang erschien die Band in kleiner Stammbesetzung: portugiesische Gitarre, klassische Gitarre, Bassgitarre und Synthesizer. Nicht zu vergessen, die schöne singende Teresa Salgueiro, das Herz und die Seele der Gruppe. Der Ursprung der Musik von Madredeus begründet sich wie bei den meisten portugiesischen Künstlern im Fado. Häufig hinterlassen auch maurische Einflüsse schimmernd Gestalt. Bei Madredeus klingt das anders, als beispielsweise bei Misia oder bei Mariza, die sich beide als legitime Erben Amalia Roudriguez' sehen. Teresa Salgueiro ist, im Gegensatz zu den Diven des Fado auf der Bühne eine fröhliche Frau, die lacht und lächelt und nicht, wie Misia abendfüllend im portugiesischen Weltschmerz ertrinkt.

Stilistisch sind Madredeus immer Eigenbrötler gewesen. Es gibt keinen Stil, in den man ihre Musik tatsächlich einordnen könnte - außer in den von Madredeus. Sphärisch ist dabei das Wort, das mir am deutlichsten vor Augen schwebt. Die Musik der Gruppe ist so abwechslungsreich, wie die einer Muschel, die man sich ans Ohr hält. Getragen von der glockenhellen, aber variationsarmen Stimme Teresa Salgueiros und dem stetigen Plätschern kurzgezupfter Gitarren im Zusammenspiel mit Synthesizergeklingel, hatte ich den Eindruck den Wellen des Meeres beim Landgang zuzuhören. Das beruhigt und ermüdet. So ging ich am Ende entspannt und nicht aufgeputscht aus dem Konzert, was ja auch ein Erfolg ist.

Den vielen Fans der Gruppe, die die Philharmonie gut füllten, gefiel es. Das Publikum bestand aus einer bunten Mischung aus portugiesisch und spanisch sprechenden Besuchern, multikulturell geprägten Menschen sowie Wim Wenders-Jüngern. Alle bejubelten die freundliche Sängerin und ihre Musiker. Als Dank tanzte sie dem Publikum, das sich auch durch Unstimmigkeiten in der Lichtregie nicht die Stimmung vermiesen ließ, noch etwas vor. Sie wirkte wie eine schwebende Fee.

Dem Konzert wird man mit der Bezeichnung "nett" am ehesten gerecht. Störend empfand ich lediglich dieses nur als elektronisches Geräusch zu identifizierende elektronische Geräusch des Synthesizers. Möge jemand anders anderes behaupten, unter den kulturellen Höhepunkten des Jahres 2003 wird das Konzert Madredeus wohl kaum eine Rolle spielen.

 

Photo Credit: Press picture from www.madredeus.com


Zum Inhalt der FolkWorld Beiträge
Zum Inhalt der FolkWorld Nr. 26

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 10/2003

All material published in FolkWorld is © The Author via FolkWorld. Storage for private use is allowed and welcome. Reviews and extracts of up to 200 words may be freely quoted and reproduced, if source and author are acknowledged. For any other reproduction please ask the Editors for permission. Although any external links from FolkWorld are chosen with greatest care, FolkWorld and its editors do not take any responsibility for the content of the linked external websites.


FolkWorld - Home of European Music
FolkWorld Home
Layout & Idea of FolkWorld © The Mollis - Editors of FolkWorld