FolkWorld Artikel von Axel Schuldes:

Folk aus Irland
Die FolkWorld Kolumne für Liebhaber irischer Musik, zusammengestellt von Axel Schuldes

Eine der wenigen irischen Neuerscheinungen im Verlauf der ersten vier Monate dieses Jahres war Amsterdam von Luka Bloom. Diese CD - sein allererstes Live-Album - läßt aber sofort jegliche Trauer darüber verfliegen, daß sich so wenig tut auf dem irischen Plattenmarkt. Hier gibt's Luka Bloom pur: Charismatischer Gesang, charismatisches Gitarrenspiel, Amsterdamer Publikum. Eine Einspielung, die 100%ig überzeugt. Schnörkellos, ohne Schnickschnack. Luka Bloom ist unser aller "Sunny Sailor Boy". A magic night, indeed!

Allen Freunden wunderschöner Frauenstimmen muß ich gestehen, daß meine beiden Super-Empfehlungen bereits im vergangenen Jahr erschienen sind. Muireann Nic Amhlaoibh wird dem Vernehmen nach bald mit der Band Danú zu hören sein. Ihre Solo-CD Réalt Na Maidine belegt, daß man der Gruppe zu diesem Neuzugang nur vehement gratulieren kann. Von den Aran-Inseln, von Inis Oírr kommt Lasairfhíona Ní Chonaola. Kann ein eindeutig traditionelles Album zugleich modern klingen? Ja, das kann es - An Raicín Álainn ist der Beweis! Daß sie auch gerne mal Jazz oder Blues singt, ist nicht zu überhören und schadet nicht, im Gegenteil.
Wer die 1998 von Hector Zazou produzierte Platte Lights In the Dark sein eigen nennt, dem wird diese einzigartige Stimme bekannt vorkommen. Und wer sich dann noch fragt, was der alte irische Name Lasairfhíona wohl bedeuten mag, der bekommt hier die Antwort: "Flame of Wine". Wie schön, wie passend ...

Apropos, schöne Frauenstimmen: Eine der Platten des Jahres 2001 war für mich Simple Soul von Eddi Reader. Jetzt hat sich die ehemalige Fairground Attraction-Sängerin einiger Lieder des größten Dichters ihrer schottischen Heimat angenommen. Schade, daß Robert Burns vor 207 Jahren gestorben ist, an diesen Interpretationen hätte er seine helle Freude. Selten habe ich so zeitgemäß zeitlose grandiose Versionen von "My Love Is Like a Red Red Rose", "Ay Fond Kiss" und "Auld Lang Syne" gehört. Eddie Reader Sings the Songs of Robert Burns. Ja, wer denn auch sonst? "Charlie Is My Darling" heißt ein Lied hier. Charlie, Du Glücklicher, wer immer Du auch sein magst - wir beneiden Dich!

In achtköpfiger Besetzung hat die keltische Supergroup Capercaillie ein neues Studioalbum aufgenommen, unter anderem auch in Donegal. Über 15 Jahre schon fasziniert die Band mit einem einzigartigen Sound, in dem Altes und Neues so selbstverständlich zueinanderfinden. Mit Choice Language setzen jetzt Donald Shaw, Karen Matheson, Manús Lunny, Michael McGoldrick & Co. nochmals einen drauf. Drums, Percussion und Bass laufen des öfteren mal an der langen Leine und dürfen ordentlich Rhythmus reindrücken. Ja, das groovt! Fazit: Funky Folk at its very (very!) best.

Apropos, Manús Lunny: Als wahre Schatztruhe entpuppt sich das von ihm produzierte Album Tráthnóna Eile. Ein Muß für alle, deren Herz für die Musik der Grafschaft Donegal schlägt! Da müßte man schon lange suchen, um auf einer CD versammelt so viele wunderbare Lieder und faszinierende Fiddle-Tunes zu finden wie hier. Nur einige der Musikerinnen und Musiker sind bekannt oder gar berühmt, aber alle sind exzellente Könner in ihrem Fach. Ihnen durch diese Veröffentlichung die Chance zu erschließen, ihre Musik zu verewigen und auch über die Grenzen Donegals hinaus zu verbreiten - das ist wahre Kulturförderung, die höchsten Respekt verdient!

Viel Erfreuliches förderten diverse Plattenfirmen aus ihren Archiven zutage. Return to Me ist das sagenumwobene "Lost Album" der Band Equation aus dem Jahre 1996. Equation, das waren damals die Lakeman-Brüder (natürlich) sowie die Sängerinnen Kathryn Roberts und Cara Dillon! Traditionals in poppigen Arrangements, Neues von großer Klasse ("Sad the Girl") und natürlicher spitzenmäßiger Gesang. Die frühen Platten der Folkrock-Pioniere Fairport Convention gibt es nun (endlich!) in hervorragender Klangtechnik und mit schönen Bonus-Tracks. What We Did On Our Holidays und Unhalfbricking sind unbestrittene Meilensteine des Genres und gehören in jede bessere Sammlung. In jede. Dubliners-Collections gibt es inzwischen wohl hunderte und nur wenige taugen was. Für die Zusammenstellung von Spirit of the Irish wurde offenbar jemand mit Sachverstand auserwählt. Erfreulich auch, daß man sich die Mühe gemacht hat, bei diversen Plattenfirmen Stücke loszueisen, so daß aus wirklich allen Schaffensphasen repräsentative Songs und Tunes auftauchen. Absolut empfehlenswert für alle, die immer schon mal eine Dubliners-CD erstehen wollten, bisher aber vor der Flut an Veröffentlichungen kapituliert haben. Daß Jackie Daly schon vor über 25 Jahren - bevor er mit De Danann und Patrick Street zu Ruhm gelangte - ein Virtuose auf dem Akkordeon war, das belegt Music from Sliabh Luachra eindrucksvoll. Und nochmals weitere 25 Jahre zurück in die Vergangenheit muß die Zeitreise gehen, um die legendären BBC-Aufnahmen der Kerry Fiddles von PÁDRAIG O'KEEFFE, DENIS MURPHY & JULIA CLIFFORD mitzuerleben. Das rührige Ossian-Label aus Cork macht's möglich!

Wenn jemand so gut ist wie Mike Silver, dann darf und muß ein englischer Singer-Songwriter auch im irland journal Erwähnung finden. Solid Silver ist ein großes Balladen-Album, geprägt von sparsamen, jedoch höchst raffinierten Arrangements. Alle Begleitmusiker kann man nur in den höchsten Tönen preisen. Daß der Mann mit der einschmeichelnden Stimme zudem auch ein genialer Gitarrist ist, das weiß ja wohl nicht nur sein ihn schätzender Kollege Allan Taylor. Sollte jemand Einwände dagegen haben, daß so richtig gute Musik auch so richtig gut klingen darf, dann kann demjenigen vom Kauf der CD nur dringend abgeraten werden. Die Aufnahme ist schlichtweg von sensationeller Klangqualität! 100 Punkte für Günter Pauler, jenen Mann an den 1000 Knöpfen im Aufnahmestudio.

Vor über vierzig Jahren, 1961, hat Pete Seeger übrigens "Where Have All the Flowers Gone" geschrieben, worin er wieder und wieder die bohrende Frage stellt: "When will they ever learn, when will they ever learn?" Ein Jahr später schrieb Bob Dylan sein "Blowin' in the Wind" und fragt: "How many times must the cannon balls fly, before they're forever banned?" Und weise fährt er fort: "The answer, my friend, is blowin' in the wind, the answer is blowin' in the wind." Im Rückblick auf die vergangenen Monate muß leider festgestellt werden, daß die an der Folk Music so geschätzte Zeitlosigkeit gelegentlich auch äußerst deprimierend sein kann. Peace!

Zeichung von Annegret Hänsel.


Originalabdruck: 'irland journal' (Christian Ludwig Verlag, Dorfstr. 70, 47447 Moers).

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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 6/2003

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