FolkWorld Live Review 12/2002 von Christian Moll

Womex 2002
Die Weltmusikmesse, diesmal im Herzen des Ruhrgebietes

Zeche Zollverein, photo by the MollisWomex ist eine Weltmusikmesse, die jährlich veranstaltet wird. Das Konzept sieht vor, alle zwei Jahre den Veranstaltungsort in Deutschland zu wählen, die anderen Jahre ins Ausland zu gehen. Bisher hat die Messe in Deutschland immer im HdK in Berlin stattgefunden - dieses Jahr ist sie dann - aus Platzgründen - in eine der interessantesten Regionen Europas ins Ruhrgebiet gekommen. Und der Veranstaltungsort war ideal! Die Zeche Zollverein im Essener Norden ist ein außergewöhnlicher Ort - der nebenbei bemerkt, dieses Jahr in die Liste der Stätten des Weltkulturerbes aufgenommen wurde.

Die Zeche bietet vielfältige Räume für Konzerte, für die Konferenzen und für die eigentliche Messe - alles ist gut zu Fuss zu erreichen. Durch die aussergewöhnliche Lokation hat die Messe ihren ganz eigenen Flair bekommen. Ich hoffe, dass dieser Ort (wie von den Organisatoren geplant) in Zukunft wieder gewählt wird...
Aber nun genug vom Veranstaltungsort geschwärmt, kommen wir zur der Veranstaltung. Man kann die Veranstaltung in zwei Teile teilen: zum einen ist gibt es das Tagesprogramm - dieses kann nur von den Leuten besucht werden, die sich als Konferenzteilnehmer angemeldet haben. Das Abendprogramm (also der Großteil der Konzerte) hingegen kann von allen interessierten wie ein 'normales' Musikfestival besucht werden.
Das Tagesprogramm bietet den Besuchern eine Messe auf der sich Veranstalter, Label, Agenten, Musiker und alle die in der Weltmusikszene beschäftgt sind, präsentieren können. Zum anderen gibt es Vorträge/Diskussionsrunden über aktuelle Themen der Szene. In diesem Jahr gab es zum ersten Mal auch während des Tages schon einige wenige Konzerte.
Mit den Konzerten (auch - und vor allen den Abendkonzerten) hat es folgende Bewandnis: Die Musiker/Bands bekommen keine Gage, jedoch wird ihnen die Technik zur Verfügung gestellt. Sie haben hier die Möglichkeit sich einem Publikum aus vielen verschiedenen Personen der Weltmusikszene zu präsentieren. Diese Möglichkeit wünschen sich jedes Jahr mehr Musiker - so gab es dieses Jahr über 500 Bewerbungen. Eine Jury wählt im Vorfeld dann aus den vielen Bewerbungen einige aus, die sie dann in logischen Showcases zusammenstellt.


So nun habe ich wirklich genug erstmal zum organisatorischen gesagt - nun komme ich endlich zur Musik. Und da muss ich zuerst mal etwas zu meinem Musikgeschmack sagen: Wie den regelmäßigen Lesern sicherlich bekannt ist, bin ich nicht tief in der Weltmusik verwurzelt sonder eigentlich ist mein besonderes Steckenpferd die Musiktradition Europas...
Am Donnerstag deckten die Showcases folgende Themen ab: Globus A-Go-Go, Carribean und Modern Traditions, das Off-Womex Zelt war einem Spezialprojekt gewidmet: Dem Tien-Shan-Suisse Express. Dieses Konzert war auf jeden Fall etwas besonderes: es setzte sich aus drei Teilen zusammen. Zuerst präsentierte der Asiatische Flügel des Projektes aus Mongolien, Khakassia und Kirgistan ihre Traditionellen Wurzel mit u.a. Pferdegeige und mongolischen Obertongesängen, im zweiten Teil zeigten die Schweizer ihr können - zm Teil auch moderner arrangiert mit u.a. auch Jodeln und Alphörnern. Und im dritten Teil trafen beide Hälften dann aufeinander - Jodeln und Obertongesänge, Pferdegeigen und Alphörner... ein ungewöhnliches Projekt.
Insgesamt gab es am Donnerstag aber kein Konzert, dass mich wirklich bewegt hat.

Das war am Freitag dann doch ganz anders: Der Serbe Boris Kovac mit seinem LaDaABa Orchest präsentierte schon eine gelungene Schau, wobei mir seine Musik teilweise zu avangardistisch ist. Bonga aus Angola und Portugal hat mich schon ziemlich mitgerissen, diese Gruppe verbindet afrikanische Lebensfreude mit portugisischer Saudade - sehr gelungen und empfehlenswert.
Der Höhepunkt des Abends war jedoch eindeutig die junge Portugisische Fado Göttin Mariza. Sie hat es hervorragend geschafft das gesamte Publikum mit ihrer äusserst ausdruckstarken Stimme in den Bann zu ziehen. Als Zugabe verließ sie und ihre drei Musiker die Bühne und präsentierten ein Lied mitten zwischen den Zuschauern. Außer der Musik war kein Ton zu hören - genial. Von Mariza wird man mit Sicherheit in Zukunft noch viel hören.
Dieses Musikerlebniss hat mich so in seinen Bann gezogen, dass ich anschließend nicht mehr aufnahmefähig war um mir weitere Bands anzuhören...
Vom Samstagprogramm möchte ich noch die Griechin Kristi Stassinopoulou erwähnen, diese Sängerin schafft eine ausgefallenen Atmosphäre zwischen Tradition und Moderne.

Wie man meinen Review schon anmerkt - mir liegt die Musik Europas am Herzen - und dies ist ja nur ein Randbereich der Weltmusik. So findet man einige Europäische Länder so gut wie nie in der Weltmusikszene...
Das Konzept der Womex ist gut - es ist erfreulich einen Ort zu haben, wo sich viele Personen der Szene mal treffen können, wo man neue Kontakte knüpfen kann und alte aufrechterhalten. Es ist ein Ort in dem man neue Musik entdecken kann.
Aber eigentlich fehlt mir doch eine Messe mit dem klaren Fokus Europäischer Musik - naja vielleicht kommt das ja auch mal...

Homepage der Womex: www.womex.com

Photo Credit: Zeche Zollverein in Essen (by The Mollis), CD Cover von Mariza


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2002.

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