Ausgabe 21 2/2002

Das FolkWorld Editorial

BBC Folk Awards oder: Was ist Folk Musik? Von Michael Moll.


Mit dem Start eines jeden neuen Jahres kommen auch die glamourösen "Award"-Zeremonien für ungefähr alles in der Unterhaltungsindustrie. Seit drei Jahren produziert BBC, als einer der angesehensten Sender der Welt, auch eine Folk Award Versnstaltung, auf BBC Radio 2. Zusätzlich gab es dieses Jahr zum ersten Male auch einen World Music Award auf BBC Radio 3. Irgendwie hat mich die Folk Awards Show etwas verwirrt; ich frage mich; Was IST denn nun Folk für den BBC?

Die BBC Folk Awards erinnern sehr an das Konzept von beispielsweise den groß angelegten Brit Awards für Popmusik. Und ganu wie bei den Brit Awards zweifle ich den Sinn etwas an. Die diesjährigen BBC Folk Awards bestanden aus 8 verschiedenen Kategorien, mit vier Nominierungen in jeder Kategorie. Die Auswahl der insgesamt 32 Nominierungen bot gerade einmal 17 verschiedene Musiker/Gruppen; insbesondere weil drei Folk-Acts omnipräsent waren: Karte Rusby mit fünf Nominierungen, Cara Dillon und Martin Simpson mit je vier.

Im Unterschied zu den Brit Awards gibt es bei den Folk Awards keine Kategorien, die nur britische Künstler erlaubt; es scheint, als ob alle Kategorien offen stehen für Folk Acts aus aller Welt. Unter den Nominierungen dieses Jahres waren 10 Acts aus England, einer aus Schottland, drei aus den USA, eine aus Kanada, zwei aus Irland. Diese Statistik stellt selbst die Frage: Was sind die Kriterien, um nominiert werden zu können? Es kann nicht das Kriterium sein: Englisch plus Keltisch basierte Folkmusik - da La Bottine Souriante im letzten Jahr einen Award bekommen hat. Was sind dann die Kriterien?

Selbst wenn man die overseas Künstler herauslassen würde, wäre es weder eine "britisch-irische" noch eine "englische" Auswahl: Denn dann wäre seltsma, dass es eben nur genau eine Nominierung aus Schottland gibt (die Old Blind Dogs), nur zwei aus Irland (Cara Dillon und Colin Reid) und keine einzige aus Irland. Obwohl es ohne Zweifel auch in Irland und Schottland und Wales jede Menge Nominierungs-würdige Acts gäbe.
Warum müssen die Awards dann auch noch über die Inseln hinaus ausgedehnt werden? Und warum dann nur nach Amerika, und nicht auch nach Kontinentaleuropa, mit all seinen spannenden Folk-Acts (selbst wenn man nur "keltische" Bands zählen lassen würde)?

Ich denke, die Auswahl der Nominierungen erzählt Bände darüber, was die Jury unter "Folk Musik" verstehen muss: Eine recht engstrinige Defininition, mit dem Haupt-Kriterium: Alles, was so an die Ohren eines Engländers gedrängt ist (es kann noch nicht einmal ein Brite sein - denn Schottland scheint der Jury schon sehr exotisch zu sein). Extra-Gummipunkte gibt es anscheinend noch für Sänger - die Nominierungen für den "Folk Singer of the Year" waren in diesem Jahr exakt dieselben wie die für "Best album of the year".

Der BBC Folk Award bot - sobald man die Namen der Nominierten wusste - keine Überraschung mehr. Die meisten sind bestens bekannt in der Folkszene. Das ist wohl genauso in den Brit Awards (und den meisten anderen Awards): Genau wie Leute wie Elton John und Bob Dylan für Awards in den Brit Awards nominiert waren, wurde als "Folk Singer of the Year" dieses Jahr Martin Carthy, Urgestein der englischen Folkszene, erchoren. Sicher, Martin Carthy IST ein hervorragender Sänger, aber war das nicht am Ende SCHON IMMER gewesen? Warum ist er dann nur "Singer of the Year"? Heißt das dann auch, dass, wenn kein besserer Sänger als Martin Carthy aus der Folkwelt aufersteht, und Martin nicht schlechter wird, dass er diesen Titel für immer behalten muss?
Natürlich haben alle Nominierten und Gewinner eine hohe Qualität, und ihren sicheren Platz in der Folkszene - aber ist das nun genug, um einen Award zu bekommen?

Was ist nun der Sinner einer solchen Awards Zeremonie? Die Folk Awards versuchen offensichtlich, die Awards Veranstaltungen aus der populären Unterhaltungsindustrie zu kopieren. Für wen sind diese Awards nun gedacht? Folkies können nicht viele Neuentdeckungen machen bei den Awards, da sie sowieso die meisten der nominierten Künstler schon kennen. Wenn die Folk Awards die Musik aus der Folkszene heraus zu heben, erhebe ich wiederum meine Zweifel - zumindest was die Radio-Hörer der Awards angeht: Der Anteil der Zeremonie ist einfach zu lang; mehr Gerede denn Musik - dabei ist es die Musik, die für sich sprechen sollte. Ausserdem müssen Folk-Outsider auch den Eindruck bekommen haben, dass die Anzahl der interessanten Folkacts sehr beschränkt sein muss - immer wieder tauchten die selben Namen auf.

Irgendwie scheinen die Folk Awards sehr eine Insider-Versanstaltung zu sein, bei der die guten alten Jungs der Folkszene zusammenkommen, sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, und ein paar Awards herausgeben. OK, das ist wohl nicht anders bei den anderen Awards, aber müssen wir WIRKLICH dieses Konzept für die Folkmusik übernehmen?

Ein letzter Punkt: Die Auswahl der Musik, die in den Awards präsentiert wird, ist wohl auch kaum geschaffen, um der Folkmusik zum Durchbruch zu verhelfen - zu sehr ist es verhaftet am Cliché-Folk-Image à la Folkclub Gesang und "fiddley-diddley". Folkmusik kann meiner Meinung nach erst den Durchbruch schaffen, wenn sie die volle Bandbreite präsentiert, die eben auch über das englische oder keltische Cliché hinausgeht. Ja, Ihr werdet jetzt vielleicht sagen, dafür hat der BBC ja seine BBC World Music Awards auf BBC 3 (es gibt übrigens keinerlei Vernetzung zwischen der Folk-Abteilung auf Radio 2 und der World-Abteilung auf Radio 3). Ich will jetzt nicht diskutieren, was World Music ist - aber es kann wohl nicht - selbst im Verständnis des BBC - exakt von Folkmusik abgetrennt werden: Sind doch dieses Jahr La Bottine Souriante bei den World Music Awards nominiert worden...

Nun, trotz allem ist es ja einen Versuch wert - vielleicht kommen ja nach den Folk Awards die Massen in die Folkclubs...

Michael & Eurer FolkWorld Team

Zeichnung von Annegreat Hänsel


Zum Inhalt von FolkWorlds Nr. 21

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 2/2002

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